Hagen. Der Hagener Gangster-Rapper Nuhsan C. bleibt in Untersuchungshaft. Sein Anwalt mischt indes das Verfahren auf. Mit Vorwürfen gegen die Ermittler.
In den Fall des Hagener Gangster-Rappers „Jigzaw“, bürgerlich Nuhsan C. (24), der in eine blutige Messerstecherei mit Machete am Wilhelmsplatz verwickelt ist, könnte Bewegung kommen: eine peinliche Panne der Polizei, eine Strafanzeige gegen die Staatsanwältin und ein forsch auftretender Anwalt bringen Unruhe in das Strafverfahren, das am 13. April stattfinden soll. Zu allem Unglück fehlt auch noch das mutmaßliche Opfer der Attacke.
Diese Woche im Amtsgericht: Zum Haftprüfungstermin wird Nuhsan C. in Handschellen in die Wachtmeisterei geführt. Es wurde beantragt, ihn noch vor dem Prozess aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Fotos, so sein forscher Anwalt Dr. Christof W. Miseré (57), könnten doch besser eine Stunde später aufgenommen werden, wenn sich sein Mandant wieder in Freiheit befindet. So viel Selbstsicherheit verwundert. Der Kölner Verteidiger kennt Richter Manfred Kleeschulte nicht. Nach 33 Minuten Meinungsaustausch hinter verschlossenen Türen wandert Rapper „Jigzaw“ zurück in die Zelle.
Selbst Kaution überzeugte nicht
Verteidiger Miseré betrachtet das nicht als Niederlage: „Wir hatten ein gutes Gespräch. Mein Mandant hat schon mal seinen Richter kennengelernt“, zieht er sein erfreuliches Resümee. Selbst die angebotene Kaution, bis zu 10 000 Euro hätten gezahlt werden können, hatte Richter Kleeschulte nicht davon überzeugt Nuhsan C. auf freien Fuß zu setzen. Zu groß wäre die Gefahr gewesen, dass der junge Mann mit armenischen Wurzeln wieder abtaucht und sich erneut in Rapper-Videos über die deutschen Verfolgungsbehörden lustig macht.
Doch Anwalt Dr. Miseré, der vom Braunschweiger Musikverlag „Alpha Music Empire“ beauftragt worden ist, „Jigzaw“ – den man dort für ein großes Talent hält und unter Vertrag genommen hat – frei zu boxen, hat sich noch weiter munitioniert: Er zieht einen Strafantrag gegen die Staatsanwältin aus der Tasche. Dabei geht es um die zweite, nachgeschobene Anklage, die Nuhsan C. vorwirft, während seiner Flucht eine räuberische Erpressung begangen zu haben.
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Hintergrund: Ein Ein-Euro-Jobber, der bei der Arbeiterwohlfahrt in Haspe 500 Euro gestohlen hatte und unter Tatverdacht geraten war, gab an, er sei von dem Gangster-Rapper zu dem Diebstahl gezwungen worden. Als Beweis wurde ein angebliches Drohschreiben von Nuhsan C. vorgelegt. Darauf nur ein einziger Satz: „Warte ab Du Pisser“, aus zusammengesetzten Zeitungsbuchstaben. Das reichte offenbar aus, eine Anklage wegen räuberischer Erpressung gegen den Rapper zu erheben.
Merkwürdig ist: Auf dem Brief mit den aufgeklebten Buchstaben, der im Kriminallabor untersucht wurde, finden sich keinerlei DNA-Spuren von Nuhsan C., stattdessen jede Menge DNA-Spuren einer unbekannten weiblichen Person. Verteidiger Dr. Miseré glaubt, dass die Mutter des Diebstahl-Verdächtigen das „Drohschreiben“ selbst gebastelt haben könnte, um ihrem Sohn ein Verfahren zu ersparen. Die Frau weigere sich auch bislang, eine Speichelprobe zur Feststellung ihrer DNA abzugeben.
Machete „nur eine Requisite“
Musiklabel von Rapper „Kollegah“ gegründet
Dr. Christof W. Miseré verteidigte den Attentäter, der die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (61) mit einem Messer angegriffen hatte. Im laufenden Verfahren wurde er abgelehnt.
Das Musiklabel „Alpha Music Empire“ in Braunschweig wurde von dem bekannten Rapper „Kollegah“ gegründet. Der Hagener Rapper hat dort einen Künstlervertrag bekommen.
„An und für sich hätte sich selbst für einen juristischen Laien der Fall damit erledigt“, findet Dr. Miseré. Dass es dennoch zu einer Anklage gegen den Rapper kam, nimmt der Kölner Anwalt jetzt zum Anlass, gegen die Hagener Staatsanwältin, die aus seiner Sicht die Anklage wegen räuberischer Erpressung leichtfertig verfasst hat, massiv vorzugehen: Wegen Rechtsbeugung und Verfolgung Unschuldiger. Seine Strafanzeige liegt der Leitenden Staatsanwältin Heike Becher und unserer Redaktion vor.
Auch der Nachweis der Haupttat, der blutige Macheten-Angriff auf dem Wilhelmsplatz, könnte im Prozess für Probleme sorgen. Peinlich: Eine Polizistin hatte es am Tatort versäumt, Namen und Adresse von zwei Zeugen zu notieren. Im Nachhinein wurde zwar noch versucht, diese beiden Tatzeugen aufzuspüren – allerdings ohne Erfolg.
Auch das vermeintliche Opfer der Macheten-Attacke, der Pole Patryk B. (25), verhält sich nicht so, wie man es von einem Geschädigten erwartet. Er war selbst mit einem Messer am Tatort bewaffnet und bedrohte damit später die Ersthelfer, die seine Schnittwunde, die bis in den Armknochen reichte, versorgen wollten. Anwalt Dr. Miseré hält diesen Geschädigten sogar für den eigentlichen Angreifer. Sein Mandant Nuhsan C. habe sich mit seiner Machete, die er als Requisite für einen geplanten Videodreh dabei gehabt habe, lediglich zur Wehr gesetzt.
Das wird sich im kommenden Prozess nur schwer aufklären lassen, denn Patryk B. ist untergetaucht und kann in seiner Opferrolle wohl nicht als Zeuge vernommen werden. Er soll Ende März 2017 in Haspe nachts eine Person aus der Wohnung gelockt und sie ausgeraubt haben. Inzwischen wird er mit Haftbefehl gesucht.