Gevelsberg. Ursula Knappertsbusch hat Asthma. „An manchen Tagen könnte ich Bäume ausreißen, an anderen fällt es schwer, das Bett zu machen.“
Blumen darf man Ursula Knappertsbusch nicht schenken. Sie weiß nie, wie sie darauf reagiert. Es kann auch irgendein anderer Duft sein, der ihr von einem auf den anderen Moment den Atem raubt. Luftnot, Hustenanfälle, die nicht mehr beherrschbar sind. Angst. Wann geht es wieder los? Wie schlimm wird es dieses Mal?
Sie war 65 Jahre alt, als bei ihr die ersten Allergien festgestellt worden sind. Seitdem sind 17 Jahre vergangen. Und es wurden immer mehr Dinge, die sie nicht verträgt. Irgendwann kam auch das Asthma bronchiale. Schleichend. Eine Krankheit, die kaum zu greifen ist. Husten, Luftnot, ein rasselndes Geräusch beim Atmen, Infektanfälligkeit. Immer dann, wenn der Körper belastet wird. Durch Gerüche, Pollen. Sogar das Wetter kann eine Rolle spielen. Waschpulver, Weichspüler, Parfüm, all das hat Ursula Knappertsbusch aus ihrem Zuhause verbannt.
„Manchmal weiß ich aber selbst nicht, was los ist“, sagt die Gevelsbergerin. An manchen Tagen gehe alles leicht von der Hand, „dann könnte ich Bäume ausreißen“, an anderen sei es schwer, auch nur das Bett zu machen. Die Luftnot raubt ihr dann die Kraft. Und wenn dann noch eine Erkältung draufkommt, „dann ist es noch viel schlimmer“, sagt die Gevelsbergerin. Der Husten sei dann kaum auszuhalten. Typisch für die Krankheit, die meist gut in den Griff zu bekommen ist. Manchmal leider aber auch nicht.
Chronisch krank: Angst davor, nicht mehr die Alte zu werden
Ursula Knappertsbusch sitzt an einem großen Tisch, lehnt sich entspannt zurück und hört zu, was die anderen erzählen. Seit einigen Jahren ist sie Mitglied in der Selbsthilfegruppe für chronische Lungenerkrankungen. Die Gruppe hilft ihr, ihre Krankheit besser zu verstehen. Wer die Gevelsbergerin anblickt, sieht eine Frau, die viel lacht, unternehmungslustig ist, die gerne zu Fuß unterwegs ist. Doch ihre Krankheit lässt ihre Welt immer kleiner werden. Mal mehr, mal weniger. „Es gibt viele gute Zeiten ohne Beschwerden, ein normales Leben, wenn man von den Problemen, die mit dem Alter kommen, einmal absieht“, sagt sie und lacht. Bewegung hat sie jung gehalten, ihre positive Einstellung, aber wenn das Asthma sich bemerkbar macht, dann wird es anstrengend für den Körper und auch für die Seele.
Bei Asthma ist die Bronchialschleimhaut entzündet, was für eine Überempfindlichkeit der Atemwege sorgt. Die Bronchien reagieren deshalb auf bestimmte äußere Einflüsse und Reize unverhältnismäßig heftig. Die Folge: Husten und Luftnot. Ursula Knappertsbusch ist bei einem Lungenarzt in Behandlung, nimmt regelmäßig Spray, das die entzündeten Bronchien beruhigen soll. Bewegung tut ihr gut, trotz aller Einschränkungen, und die Selbsthilfegruppe für Lungenerkrankte hilft ihr, besser mit ihrem Asthma umzugehen.
Die Dunkelziffer bei Asthma ist groß
Einmal im Monat, immer am ersten Montag, treffen sie sich um 15 Uhr in den Räumen der Kiss in Gevelsberg. Geben Tipps, besprechen Situationen, die belasten, oder haben einfach nur einen entspannten Nachmittag. Hier sind Freundschaften entstanden, hier kann offen über alles geredet werden. Asthma hat viele Gesichter. Auch in dieser Gruppe. „Es tut gut, wenn man sich nicht erklären muss, das Verständnis ist groß“, sagt Ursula Knappertsbusch.
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Jeder hat eine andere Geschichte, die von Hans-Walter Lang beginnt vor vielen Jahren, als bei ihm COPD diagnostiziert wurde. Eine Erkrankung der Lunge, die ähnlich wie Asthma verläuft. Er hat die Gruppe ins Leben gerufen, weil er weiß, dass es vielen anderen auch so geht, hier kann man offen über alles reden. Er sagt, die Angst sei auch in seinem Leben. Er habe Vorkehrungen getroffen. Seine Uhr kann geortet werden, sie schlägt Alarm, wenn er fällt. Wenn die Luft weg ist, kommt nicht nur die Schwäche, sondern auch der Schwindel.
Tipps vom Experten: „Immer das Spray dabei haben“
„Ein Notfallmedikament ist der ständige Begleiter eines jeden Asthmatikers. Ich habe überall ein Spray verstaut“, sagt eine andere Teilnehmerin und zeigt auf ihre Handtasche. Das Spray öffnet die Bronchien, hilft beim Atmen und vermittelt Sicherheit. Der anfallartige Reizhusten, ein Engegefühl in der Brust. Die Angst. Jeder geht anders damit um. Schlüssel beim Nachbarn deponieren, Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, um vorbereitet zu sein, für den Fall der Fälle, bereit sein, den Notruf zu wählen. Denn manchmal hilft leider nur das.
Enorme Bandbreite
Angst begleitet jeden von uns – von Beginn unseres Lebens an bis zu seinem Ende. In unterschiedlicher Form, in unterschiedlicher Intensität – und geprägt durch sehr individuelle Perspektiven. Was dem einen Ängste bereitet, kann den anderen ganz kalt lassen.
In unserer Serie „Was uns Angst macht“ werden wir uns den gesamten November über mit dieser enormen Bandbreite des Themas beschäftigen. Ganz bewusst geht es dabei um sehr individuelle Ängste, etwa um Krankheiten und um deren Therapien. Aber genauso auch um die gesellschaftliche Angst in unsicheren Zeiten. Sowohl hier im Lokalteil Ihrer Zeitung als auch auf den Region-Seiten werden Sie, liebe Leserinnen und Leser, Geschichten zu diesem Thema lesen, in denen Menschen ihre Geschichte erzählen, die immer auch die Wege aus diesen Ängsten aufzeigen sollen.
Ursula Knappertsbusch sagt, man lernt auf den Körper zu hören. Sie vermeidet Situationen, die ihren Körper belasten, hat sich arrangiert. „Und ich nutze die Zeit, in der es mir gut geht.“ Sie hat ihrer Tochter geholfen die Wand zu streichen, an schlechten Tagen hätte sie die Dämpfe nicht ausgehalten, an guten ist das kein Problem. Sie macht alles, was ihr Spaß macht. Hängen lassen, das sei nicht ihr Ding, sie will ihrer Krankheit nicht zu viel Raum einräumen. Man lerne mit der Angst zu leben, es zu akzeptieren, wenn es wieder losgeht. Auch wenn man nie wisse, wann das ist.