Gevelsberg. Er war ein echter Pionier: Der Gevelsberger Jens Henning fuhr als Erster im EN-Kreis ein E-Auto. Warum er heute privat einen Diesel hat.
Er war ein echter Pionier, als er mit seinem kleinen gelben Flitzer durch den Südkreis zischte: Der Gevelsberger Jens Henning war schon 2009 mit einem kleinen, reinen Elektrofahrzeug unterwegs. Wir berichteten damals unter dem Titel „Ein Spaßauto: ,Alle lächeln mich an’“. Heute gehören E-Autos längst zum allgegenwärtigen Straßenbild. Wie ist es dem Vorreiter von damals in den vergangenen 14 Jahren ergangen? Mit welcher Technik legt er nun seine Wege zurück? Wie bewertet er die Entwicklung in Sachen Mobilität? Wie schaut er rückblickend auf die Zeit an der Spitze der Bewegung?
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„City EL Fact4“ hieß das Elektromobil der Firma „Citycom“, das Jens Henning einst fuhr. 6 PS, Höchstgeschwindigkeit 65 km/h, 1,50 Euro Stromkosten auf 100 Kilometer, Reichweite bis zu 95 Kilometer, sieben Stunden Ladezeit, Preis 13.000 Euro: Das sind die Eckdaten für das Fahrzeug, das an eine Seifenkiste erinnerte. Es war das einzige Fahrzeug des heute 55-Jährigen, täglich fuhr er damit von seinem Haus Im Kalthöferholz zu seinem Arbeitsplatz in Wuppertal – hin und zurück etwa 40 Kilometer. In die Regelungen für die im Zuge der Finanzkrise gewährte Abwrackprämie wurde der City EL übrigens nicht einbezogen – das umweltfreundliche Fahrzeug galt als „Spaßauto“ und die Anschaffung damit nicht als förderungswürdig...
Schweren Herzens verkauft
„Ich habe den City EL schon vor einigen Jahren verkauft, schweren Herzens“, sagt Jens Henning nun, nachdem diese Zeitung den Kontakt zu ihm wieder aufgenommen hatte. Etwa 8000 Euro habe er noch dafür bekommen. Der finanzielle Verlust hielt sich auch deshalb in engen Grenzen, weil Jens Henning einen Werbevertrag mit der Firma Vaillant abgeschlossen hatte. „Die haben den EL beklebt und ihn sich ab und zu für Veranstaltungen ausgeliehen“, erzählt er. „Der Vertrag lief über drei Jahre.“ Den Hersteller seines Autos gibt es nicht mehr und als sich andeutete, dass es schwieriger werden würde, an Ersatzteile zu kommen, zog Jens Henning endgültig den Stecker.
Ein weiterer Grund für den Verkauf: Er lernte seine jetzige Lebensgefährtin kennen, zog zu ihr nach Hohenlimburg („Ich bin mit dem Herzen aber weiter Gevelsberger“, sagt er). Beide haben inzwischen einen sechsjährigen Sohn und eine sechs Monate alte Tochter. Jens Henning hat aus einer früheren Beziehung eine 30-jährige Tochter, die ihn schon zum Opa gemacht hat. „Mein E-Auto war etwas für Kurzstrecken. Von Hohenlimburg nach Wuppertal muss ich aber 37 Kilometer fahren“, erklärt Jens Henning, der nach wie vor bei der AWG Wuppertal, einem kommunalen Abfall- und Entsorgungsunternehmen, im kaufmännisch-technischen Außendienst arbeitet. „Dienstlich fahre ich ein E-Auto, erst einen Renault Zoe, inzwischen einen Nissan Leaf“, betont er. „Ich bin allein in Wuppertal am Tag etwa 60 bis 70 Kilometer unterwegs.“
ÖPNV kann man dafür vergessen
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Umweltbewusstes Verhalten ist Jens Henning nach wie vor wichtig, auch wenn er aus den genannten Gründen nun einen Diesel, einen Hyundai i30, nutzt. „Ich fahre auf Verbrauch, der braucht keine fünf Liter“, sagt er. „Ich habe auch immer wieder nach Möglichkeiten gesucht, meinen Arbeitsweg besser bewältigen zu können. Aber den ÖPNV kann man dafür vergessen, zumal ich bereits um 5.45 Uhr beginne.“ Und E-Autos sind immer noch extrem teuer, zudem müsse er zu Hause erst einmal die Ladeinfrastruktur schaffen, was schwierig sei.
Ein E-Bike und einen kleinen Elektroroller besitzt Jens Henning. Außerdem haben seine Frau und er aber auch einen Wohnwagen, den er mit einem Camper-VW-Bulli zieht. Seinem City EL trauert er dennoch hinterher, er habe auch schon einmal Ausschau nach einem gebrauchten gehalten, allerdings nicht sehr ernsthaft. „Es wäre schon schön, wenn es so etwas wieder geben würde. Ich finde nach wie vor das Interessante daran, dass er total wenig verbraucht, alles total einfach konstruiert war und das Auto im Prinzip ewig haltbar war.“ Dennoch sei ein solches Gefährt nicht mehr ganz zeitgemäß. Kürzlich habe er Werbung gesehen für den „Citytransformer“, ein E-Fahrzeug eines israelischen Startup-Unternehmens. Das habe das geniale Konzept, dass es nur einen Meter breit und somit perfekt für den Stadtverkehr und zum Einparken geeignet sei. Für höhere Geschwindigkeiten könne man das Fahrgestell aber auf 1,40 Meter verbreitern und so bis zu 90 km/h schnell fahren. Damit wolle er sich einmal genauer beschäftigen. Grundsätzlich sieht Jens Henning die Art und Weise des Individualverkehrs kritisch. „Wir bewegen viel zu viel Materie für ein kleines Ziel. Ich fahre viel Autobahn, in 90 Prozent der Fahrzeuge sitzt – bei mir ja auch – nur eine Person. Ich finde Individualverkehr gut und notwendig, aber nicht so.“
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Sein Umweltbewusstsein versuche er auch, seinem sechsjährigen Sohn zu vermitteln. „Man muss Verantwortung übernehmen, für das, was man tut. In unserer Gesellschaft liegt der Fokus falsch. Man sollte nicht mehr produzieren, als man braucht“, so Henning, der nicht zuletzt vegan lebt – und ein bisschen autark. Früher braute er sein eigenes Bier, jetzt backt er sein Brot selber, in einem Steinbackofen im Garten.