Balve. Erstmals seit zehn Jahren gibt es in Balve Steuererhöhungen. Womit die Fraktionen mit Blick auf den Haushalt zu hadern haben.

Das Loch im Balver Haushalt fällt im kommenden Jahr nicht so drastisch aus, wie zunächst erwartet. In buchstäblich letzter Sekunde hat der Kreistag zuvor Sparmaßnahmen durchgedrückt, die die Kommunen entlasten sollen. Lob gibt‘s von den Balver Fraktionen am Ende aber nur für den scheidenden Kämmerer Hans-Jürgen Karthaus. Die Hintergründe.

Balves Haushalt entgeht dem Cyberangriff

Für Hans-Jürgen Karthaus ist es sicherlich ein besonderer Abend im Ratssaal. Denn der Kämmerer bittet ein letztes Mal um Zustimmung für seinen Haushaltsplanentwurf. Im kommenden Jahr ist Schluss für den Finanzexperten in der Hönnestadt. „Traditionell vor Jahresfrist verabschieden wir den Haushalt“, so Bürgermeister Hubertus Mühling sichtlich anerkennend. Denn: Balve ist eine von wenigen Kommunen in der Region, die dazu überhaupt in der Lage sind. Der Cyberangriff auf die Südwestfalen IT (SIT) legt zahlreiche Stadtverwaltungen noch immer lahm. „Wir hatten Glück, dass die Kämmerei rechtzeitig auf den Knopf gedrückt hat“, scherzt Mühling.

Die letzte Ratssitzung des Jahres ist aber bekanntlich auch die Zeit, in der die Fraktionen Tacheles reden: Chancen und Risiken für die Stadtgesellschaft, Probleme und Strukturen, die in Zukunft auch Auswirkungen in der Hönnestadt haben könnten. Mit Kritik - gerade in Richtung Märkischer Kreis - halten sich die Balver Fraktionen dabei nicht zurück.

CDU: Die fetten Jahre sind vorbei

Für CDU-Fraktionschef Alexander Schulte sind es vor allem die immer wiederkehrenden Krisenbilder, die tagtäglich die Wohnzimmer vieler Menschen erreichen: Kriege, Antisemitismus, Inflation, Klimawandel, Wohnungsnot und ungebremste Migration. „Bei all den Szenarien fällt es schwer, trotzdem optimistisch zu bleiben. Denn auch der Blick in unseren Balver Haushalt hebt nicht gerade die Stimmung“, sagt Schulte. Vielmehr würden der Stadt immer mehr Aufgaben aufgebürdet, ohne die entsprechende Finanzierung vonseiten des Bundes oder Landes sicherzustellen. „Uns macht das Sorgen, was wir den nächsten Generationen hinterlassen, die diese Schuldenberge abtragen müssen“, so Schulte. Dabei habe man in Balve „seine Hausaufgaben in vielen Bereichen“ gemacht. Doch für die angespannte Haushaltslage vor Ort - vor dem neuerlichen Kreistagsbeschluss lag das Minus bei 1,3 Millionen Euro - macht der CDU-Chef vor allem den Märkischen Kreis verantwortlich. Die Kreisumlage belastet die Haushalte deutlich. Tendenz: steigend.

Uns macht das Sorgen, was wir den nächsten Generationen hinterlassen, die diese Schuldenberge abtragen müssen.
Alexander Schulte

Doch Schulte will nicht nur schwarzmalen. Mit gut 8,5 Millionen Euro an Investitionen nimmt Balve im kommenden Jahr viel Geld in die Hand. Im Sonderklassentrakt der Realschule werde der naturwissenschaftliche Bereich komplett erneuert, Beckum bekomme eine neue OGS, die Gerätehäuser in Sanssouci, Garbeck und Eisborn werden erneuert oder umgebaut, Photovoltaikanlagen auf städtischen Gebäuden werden weiter ausgebaut, Stadtentwicklungsmaßnahmen werden angegangen sowie allgemeine Straßensanierungen stehen an, zählt Schulte auf. Gleichwohl seien dadurch auch Steuererhöhungen unumgänglich. Erstmals seit elf Jahren. „Der Haushalt macht sehr deutlich, dass wir durchaus mit Veränderungen konfrontiert werden. Man könnte auch sagen: Die fetten Jahre sind vorbei.“ Was die Situation für Schulte besonders schwierig mache, ist, „dass der Schlüssel zur Lösung vieler Probleme oftmals jenseits der Stadtgrenzen liegt“.

UWG: Investitionen unumgänglich

Ein Punkt, in dem UWG-Fraktionsvorsitzender Lorenz Schnadt zumindest zustimmen kann. „Berlin ist zwar weit weg, aber Bund und Land sind über unzählige Förderprogramme mit der kommunalen Familie eng verflochten.“ Ohne diese finanzielle Unterstützung gebe es „keinen Radweg, keine Sokolade, keine Straßenrenovierung, kein Feuerwehrgerätehaus, keine Schule, keine Innenstadterneuerung in Balve oder auf den Dörfern“. Kostentreiber Nummer Eins bleibt für Schnadt wie für Alexander Schulte allerdings der Märkische Kreis. Trotz Riesen-Etats fehlten dem Kreis Millionen. Die wiederum müssen nun die Kommunen zu einem gewissen Teil über die Kreisumlage auffangen.

Seit mindestens einem Jahrzehnt ist bekannt, dass das Kreiskrankenhaus wegen Mängeln beim Brandschutz und einem Sanierungsstau einen Finanzbedarf von 150 Millionen Euro hat. Dieser soll über die Kreisumlage gedeckt werden.
Lorenz Schnadt

Größter Kritikpunkt Schnadts: das Kreiskrankenhaus in Lüdenscheid. „Seit mindestens einem Jahrzehnt ist bekannt, dass das Kreiskrankenhaus wegen Mängeln beim Brandschutz und einem Sanierungsstau einen Finanzbedarf von 150 Millionen Euro hat. Dieser soll über die Kreisumlage gedeckt werden.“ Ein Vorgehen, für das dem UWG-Fraktionsvorsitzenden beinahe die Worte fehlen. Alleine 2023 und 2024 plant die Märkische Kommunale Wirtschafts-GmbH knapp 30 Millionen Euro zuzuschießen. Dabei handle es sich um Geld, das eigentlich für die Umstellung der Flotte der Märkischen Verkehrsgesellschaft (MVG) auf Elektrobusse und die Verbesserung des ÖPNV vorgesehen war. Allerdings ist sich Schnadt sicher, dass man ohne eine dramatische Steigerung bei der Kreisumlage „einen ausgeglichenen Haushalt hinbekommen“ hätte. Vor allem da man Corona-Schäden, die viele Haushalte derzeit zusätzlich belasten, schon abgezahlt habe. Ein Lob vor allem in Richtung des Balver Kämmerers. Gleichwohl sei nicht alles schlecht in der Hönnestadt. Die Wirtschaft brummt, die Gewerbesteuer übertrifft die Erwartungen deutlich - und das, obwohl man in Sachen Gewerbesteuer in der Spitzengruppe im MK ist und man Unternehmen „schon ganz ordentlich was abknöpft“. Dem SPD-Vorstoß zur Erhöhung der Gewerbesteuer erteilt Schnadt in diesem Zuge eine Absage.

Investitionen in Schulen, Feuerwehr, Straßen und Co. sind derweil auch für Lorenz Schnadt unumgänglich. Das sei aber „eigentlich nur das Eingeständnis, dass seit Jahren ein großer Investitionsstau besteht, und dieser immer noch nicht behoben ist und absehbar, auch nicht sein wird“.

SPD: Weiterentwicklung vorantreiben

„Es ist unumgänglich, dass wir uns den finanziellen Realitäten stellen und gemeinsam Lösungen finden“, betont SPD-Fraktionsvorsitzender Cay Schmidt. Dazu zählten wohl auch „unpopuläre“ Entscheidungen wie etwa Steuererhöhungen. Der Sozialdemokrat macht diese auch an mehreren Beispielen deutlich, die den Balver Haushalt belasten: Transferkosten (Kreisumlage), notwendige Investitionskosten, steigende Personalkosten, Ausstattung von Bildungseinrichtungen oder aber die Modernisierung von Straßen, Brücken und Co. „Die Herausforderung besteht darin, diese Belastungen zu managen und die finanzielle Nachhaltigkeit der Stadt zu gewährleisten“, mahnt Cay Schmidt.

Die Herausforderung besteht darin, diese Belastungen zu managen und die finanzielle Nachhaltigkeit der Stadt zu gewährleisten.
Cay Schmidt

In einem entscheidenden Punkt ist er allerdings anderer Meinung als die kommunalpolitischen Kollegen. Dass es zunächst nur Balverinnen und Balver über die Grundsteuer B ans Portemonnaie gehen soll, die Gewerbesteuer hingegen unangetastet bleibt, ist für Schmidt ungerecht. Vor allem angesichts sprudelnder Gewerbesteuereinnahmen, die die Erwartungen um rund zwei Millionen Euro übertreffen. Einer von den Sozialdemokraten vorgeschlagenen Erhöhung um 10 Punkte erteilt der Rat schließlich mehrheitlich eine Absage. Ein Lichtblick für den SPD-Fraktionschef ist unterm Strich immerhin der Sparzwang, den der Kreistag dem Kreis auferlegt hat. „Das bedeutet eine Entlastung von circa 400.000 Euro für den tatsächlichen, heute zu beschließenden Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2024.“ Ob das Steuererhöhungen nötig mache, das bezweifelt der Sozialdemokrat.

Unterm Strich sei es für Balve nun wichtig, „trotz einiger finanzieller Rückschläge den eingeschlagenen Weg zur Weiterentwicklung unserer Stadt nicht zu verlassen“. Vielleicht müsse man dabei aber auch einmal auf die Bremse treten, „um den Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Das werden wir dann sehen und entscheiden, wenn es so weit ist.“

Am Ende stimmt der Rat - bei Gegenstimmen der SPD-Fraktion sowie Einzelratsmitglied Heinrich Stüeken - mehrheitlich für die neue Haushaltssatzung, inklusive Steuererhöhungen.