Arnsberg. AfD-Antrag fordert Rederecht für Bürger vor Ratssitzungen. Jetzt entschied der Arnsberger Rat darüber.

Die Arnsberger Ratsfraktion der AfD stellte einen Antrag, dass künftig zu Beginn jeder Rats- und Ausschusssitzung den Bürgern der Stadt Arnsberg ein Rederecht zu den auf der Tagesordnung behandelnden Themen „und auch darüberhinausgehend“ eingeräumt wird. Der Rat beschäftigte sich mit diesen beiden Anträgen in dieser Woche und fasste einen klaren Beschluss.

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Und der war ablehnend - nur Antragsteller Otto Strauß (AfD-Fraktionssprecher) stimmte dafür. Die übrigen anwesenden Ratsmitglieder lehnten die Anträge mit Verweis auf bestehende Beteiligungs- und auch Anhörungsmöglichkeiten insbesondere in den Ausschüssen ab. „Das wirft ein Licht auf das Demokratieverständnis dieses Hauses“, sagte Otto Strauß. Genau eine solche Reaktion aber hatten die anderen Parteien erwartet, als sie der AfD im Vorfeld unterstellte, mit dem Antrag die „gelebte Demokratie in Arnsberg diskreditieren“ (Zitat Daniel Wagner, FDP) zu wollen. Sitzungsleiter Peter Blume (CDU) verbat sich Vorwürfe von Otto Strauß, Bürger würden von der Arnsberger Politik nicht gehört. Bei der Abstimmung zeigten alle anderen Parteien nüchterne Geschlossenheit.

Im Vorfeld hatte die Stadt auf Nachfrage erklärt, wie sich Einwohner aber auch jetzt schon in die Lokalpolitik einbringen, ohne in Parteien tätig zu sein. Kurios dabei: Die gesetzlich etablierte Einwohner-Fragestunde wurde in Arnsberg nach Angaben der Verwaltung seit Einführung noch nie per Ratsbeschluss in Anspruch genommen.

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Die Ratsfraktion der AfD beklagte während der Diskussion den Umgang und die Bewertung der anderen Parteien mit ihrem Antrag auf Rederecht für Bürgerinnen und Bürger von bis zu 45 Minuten vor Rats- und Ausschusssitzungen und wehrt sich gegen Vorwürfe vorgetäuschter Bürgernähe und Diskreditierung der Demokratie. Aussagen in diese Richtung nennt Fraktionsvorsitzender Otto Strauß „enttäuschend“ bis „unverschämt“. Die AfD verweist darauf, immer wieder auch Anträge der anderen Parteien zu unterstützen, „wenn wir sie für gut und sinnvoll halten“. Otto Strauß wünscht sich einen entspannteren Umgang mit AfD-Anträgen. Die CDU-Reaktion auf den Antrag zeige, dass „auch ohne Diffamierung über einen Antrag sachlich gestritten oder nachgedacht werden kann“. Der AfD-Antrag bedeute nicht automatisch, dass an jeder Sitzung, ob Rat oder Ausschuss, solche Redebeiträge stattfinden würden. Die anderen Parteien der politischen Mitte hatten darauf hingewiesen, dass es bereits ausreichend Möglichkeiten gebe. Bürger in den Ratsgremien zu Wort kommen zu lassen. Otto Strauß widerspricht dem und verweist auf abgelehnte Anträge.

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„Die Stadt Arnsberg begrüßt, unterstützt und fördert grundsätzlich jede Form von Transparenz und Beteiligung“, teilt Stadtsprecherin Ramona Eifert mit. Schon heute regelt Paragraph § 18 der Geschäftsordnung für den Rat der Stadt Arnsberg und seine Ausschüsse ein sogenanntes Fragerecht von Einwohnern dahingehend, dass der Rat beschließen kann, diese in die Tagesordnung der nächstfolgenden Ratssitzung aufzunehmen. Heißt: Der Rat kann beschließen, eine Fragestunde zuzulassen.

Der Paragraph § 18 für das Fragerecht von Einwohnern lautet wie folgt:

- Der Rat kann beschließen, dass eine Fragestunde für Einwohner in die Tagesordnung der nächstfolgenden Ratssitzung aufgenommen wird. In diesem Falle ist jeder Einwohner der Stadt Arnsberg berechtigt, nach Aufruf des Tagesordnungspunktes mündliche Anfragen an den Bürgermeister zu richten. Die Anfragen müssen sich auf Angelegenheiten der Stadt beziehen.

- Melden sich mehrere Einwohner gleichzeitig, so bestimmt der Bürgermeister die Reihenfolge der Wortmeldungen. Jeder Fragesteller ist berechtigt, höchstens zwei Zusatzfragen zu stellen.

- Die Beantwortung der Anfrage erfolgt im Regelfalle mündlich durch den Bürgermeister. Ist eine sofortige Beantwortung nicht möglich, so kann der Fragesteller auf eine schriftliche Beantwortung verwiesen werden. Eine Aussprache findet nicht statt.

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Fragestunde noch nie in Anspruch genommen

„Bislang wurde die Einwohnerfragestunde noch nie vom Rat per Beschluss in Anspruch genommen“, so Ramona Eifert. Konkret auf das Ziel von mehr Transparenz bei politischen Prozessen und Entscheidungen sei im Zuge der Änderung der Hauptsatzung in der Sitzung des Rates am 26. November 2020 beschlossen, die in Paragraph § 7 der Hauptsatzung geregelte Unterrichtung von Einwohnern anzupassen und damit zu ermöglichen, dass sich Bürger/-innen mit ihren Anfragen unmittelbar an den oder die zuständigen Bezirksausschussvorsitzenden wenden können. Er oder sie entscheidet dann über die Aufnahme einer Anfrage oder eines Antrags in die Tagesordnung. „Über Anfragen und Anträge, die nicht aufgenommen werden, sind aus Gründen der Transparenz die Bezirksausschüsse in der Sitzung zu informieren“, so die Stadt, „grundsätzlich können Anregungen oder Beschwerden auch schriftlich von Bürgerinnen und Bürgern an den Rat der Stadt Arnsberg gestellt werden“. Das regelt Paragraph 24 der Gemeindeordnung NRW.

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Weitere Wege der Beteiligung

Auch darüber hinaus gäbe es bereits viele Möglichkeiten und Wege für Bürger/-innen, sich mit Fragen, Anliegen, Anregungen und Kritk an den Bürgermeister direkt und damit an die Verwaltung zu wenden. Bürgermeister Ralf Paul Bittner bietet viele niederschwellige Gelegenheiten, mit ihm persönlich ins Gespräch zu kommen und sich auch auf diesem Weg den Themen der Bürger anzunehmen: In seinen wöchentlichen Bürgersprechstunden, auf Bürgerspaziergängen (es sind fünf in diesem Jahr geplant), bei seinen Marktgesprächen (einmal pro Quartal in Arnsberg und Neheim), im Rahmen seiner Jugendsprechstunde (fünf Termine in diesem Jahr), bei den (digitalen) Unternehmenssprechstunden und dem Unternehmensstammtischen, auf seinem WhatsUp-Kanal und weiteren Social-Media-Kanälen. Ebenso seien unterschiedliche Bürgerbeteiliungsformen etabliert und werden aktuell weiter ausgebaut. Dazu gehört auch der Bürger/-innenrat, der vorletztes Jahr initiiert wurde.

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Die AfD setzte nun aber auf das Rederecht. „Die dafür vorbehaltene Zeit sollte 45 Minuten, nicht überschreiten“, heißt es in dem Antrag. Die anderen Parteien im Rat reagieren verwundert, wittern eine kommunalpolitische Taktik der AfD und verweisen darauf, dass es viele Formen der Bürgerbeteiligung, Fragestunden im Rat und in besonderen Situationen aus Rederecht für nicht gewählte Bürgerinnen und Bürger gibt. „Wer sich in Arnsberg für Politik interessiert wird festgestellt haben, dass der Rat immer sehr ernsthaft mit Ideen und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger umgegangen ist und auch umgehen wird“, sagt Daniel Wagner von der FDP-Fraktion. Die AfD versuche, „.mit ihrem Antrag die bisher gelebte Demokratie zu diskreditieren“.

AfD begründet Antrag

Die AfD begründete ihren Antrag, den sie später auch gesondert auf Ausschüsse ausweitete, damit, dass es „gelebte und direkte Demnokratie“ sei, „die Sorgen und Anregungen der Bürger in unserer Stadt zu hören“. Immer mehr Bürger, so die AfD, fühlten sich von der Politik nicht ausreichend gehört oder vertreten. „Nicht jeder Bürger ist bereit, sich in einer Partei zu engagieren, möchte aber trotzdem bei ihn betreffenden Entscheidungen seine Meinung kundtun“, so die Ratsmitglieder Otto Strauß und Gerd Künstler. Anliegen und Ideen der interessierten Bürger könnten eine große Bereicherung für die Arbeit im Rat sein und das Engagement und die Verantwortungsbereitschaft für die Stadt steigern. Fraktionsvorsitzender Otto Strauß zeigt sich verwundert, „weshalb ein Antrag für mehr Demokratie undemokratisch sein soll“.

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Verspohl: „AfD hat das demokratische Gremium Rat nicht verstanden“

Gestellt wurde der Antrag unter dem Motto „Mehr Demokratie wagen“. Das löst bei Verena Verspohl, Sprecherin der Fraktion von Bündnis 90/Grüne, eine klare Reaktion aus. „Die antidemokratische AfD will mehr Demokratie wagen - und zeigt gleich, dass sie das demokratische Gremium Rat nicht verstanden hat“, sagt sie. In Ratssitzungen würden die Ausschussergebnisse final geklärt. „Offen für Bürgerinnen und Bürgern ist der Rat, sind die Ratsmitglieder der Fraktionen Grüne, CDU, SPD, FDP jederzeit, das ist losgelöst von der Sitzung“, so die Grünen-Sprecherin. Bürgeranträge würden aufgenommen, Austausch fände auf vielen Ebenen statt. „Wir sind da mit vielen Menschen in Austausch, ob sie Parteimitglieder sind oder nicht. Demokratinnen und Demokraten in Arnsberg wählen diesen Weg längst - aber das erklärt, warum das der AfD unbekannt ist“.

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Auch Frank Neuhaus von der SPD verwies auf die vielen Möglichkeiten der Bürgerbeteiligungen und auch auf die Formate von Bürgermeister Ralf Bittner, der zu Bürgerspaziergängen vor Ort und ebenso regelmäßig zu Sprechstunden einladen würde. „Von Demokratiefeinden brauchen wir keine Belehrungen für mehr Bürgerbeteiligung!“, sagt der Fraktionsvorsitzender der SPD. Das Thema Bürgersprechstunden vor Ratssitzungen sei früher schon häufiger mal Thema gewesen und ist auch in Arnsberg grundsätzlich durch Ortsrecht möglich. „Allerdings haben viele Kommunen damit in der Vergangenheit nur bedingt gute Erfahrungen gemacht“, erklärt Frank Neuhaus. Die Möglichkeit sei häufig nicht von Bürgern mit konkreten Anliegen, sondern von interessierte Gruppierungen wie etwa Coronaleugner und ähnliche als Bühne für ihre Zwecke genutzt worden. „Wenn Leute tatsächlich ein Anliegen haben, ist es auch in Arnsberg üblich Sitzungen zu unterbrechen und den Leuten Gelegenheit zu geben sich zu äußern“, so Neuhaus. Das habe es in Vergangenheit mehrfach gegeben. Sinnvoll sei das in den Bezirksausschüssen und Fachausschüssen. „Dort wird die eigentliche Sacharbeit geleistet!“, betont Frank Neuhaus.

Rat ist durch Wählerwillen gebildet

Auf die bestehenden Möglichkeiten verwies auch Daniel Wagner. Eine Einwohnerfragestunde sei bereits Teil der Geschäftsordnung des Rates der Stadt Arnsberg. Die AfD fordert hingegen ein Rederecht für Außenstehende. „Der Rat ist durch den Wählerwillen gebildet und bildet einen breiten Teil der Bevölkerung ab“, so Wagner, „Rederecht - nicht die Fragestunde - in diesem Maße zu beschließen, kann dafür sorgen, dass bestimmte Themen monologisiert und vereinnahmt werden und somit nicht die breite politische Meinung der Bevölkerung widerspiegeln“.

Viele Bürgerinnen und Bürger nutzen schon heute Ihre demokratischen Rechte laut Gemeindeordnung um Anträge an den Rat zu stellen, alleine drei Stück in der letzten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses. Das zeigt, dass Demokratie bereits in den etablierten Strukturen gelebt wird. Auch zuletzt in den Schuldebatten wurden Teilnehmern Rederechte vom Rat eingeräumt. Weiterhin steht es jedem frei, sich mit seiner Meinung an die gewählten Volksvertreter zu wenden und so in der politischen Debatte Gehör zu suchen.

„Schmieriger Versuch Bürgernähe vorzutäuschen“

Kurz und knapp reagierte im Vorfeld Anna Falcone von der Fraktion „Die Partei“ auf den AfD-Antrag. „Alle Bürgerinnen und Bürger haben das Recht an den öffentlichen Sitzungen teilnehmen und der Rat kann ihnen ein Rederecht einräumen“, sagt sie, „damit hat sich der Antrag der AfD schon erledigt und ist nichts anderes als ein schmieriger Versuch Bürgernähe vorzutäuschen“. Ebenso gelassen reagiert Jochem Hunecke, Fraktionsvorsitzender der CDU in Arnsberg. „Also grundsätzlich sind wir nicht dagegen, dass in begründeten Einzelfällen ein Rederecht eingeräumt wird“, sagt er. Allerdings müsse dies vorab schriftlich rechtzeitig eingereicht werden.

Verena Verspohl (Bündnis 90/Grüne) machte klar, dass sich die Grünen nicht von einem womöglich taktischen AfD-Antrag für mehr Bürgernähe treiben lassen wollen. „Wir halten darüber hinaus die Brandmauer zur AfD immer aufrecht und lehnen jegliche Kooperation mit der AfD und etwaiger Anträge ab“, so Verpohl.