Hüsten. Azubis, Ärzte und Denkmalpfleger erforschen ein Kulturdenkmal aus dem Kloster Oelinghausen per High-Tech-Röntgenuntersuchung.

Einen Jesus hat man nicht häufig als Patienten auf dem Behandlungstisch liegen. Doch dieser Jesus hatte keine Krankenkassenkarte dabei, und mit 850 Jahren ist sein Alter auch eher ungewöhnlich. Der 135 Zentimeter große Jesus-Korpus aus dem Kloster Oelinghausen war zuletzt zu umfangreichen Untersuchungen in die Klinik für Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie des Klinikums Hochsauerland gebracht worden.

Das ist aktuell wichtig

Der Transport der wertvollen Figur ist dabei aufwendig genug gewesen, wie Bernhard Padberg vom Freundeskreis Oelinghausen erklärt: „Wir mussten eine Fachfirma beauftragen, die dann ein Gerüst aufgebaut hat, um das schwere Holzkreuz aus sieben Meter Höhe abzuhängen. Danach wurde der Korpus vorsichtig vom Kreuz entfernt.“ Für die Fahrt mit dem Auto ins Klinikum nach Hüsten wurde das Wageninnere extra mit einer Matratze und Kissen gepolstert. „Wir sind dann wie auf rohen Eiern ganz langsam gefahren. So eine kostbare Fracht transportiert man nicht jeden Tag“, berichtet Padberg.

850 Jahre Kloster Oelinghausen

Die Untersuchung des hölzenern Jesus fand im Zuge des Jubiläums von Kloster Oelinghausen statt. Das Kulturdenkmal feiert in diesem Jahr 850-jähriges Bestehen und die Figur ist genau so alt wie die Stätte der Kreuz- und Marienverehrung. In der Klinik für Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie kümmerten sich Auszubildende der Fachrichtung Medizinische Technologin/Medizinischer Technologe für Radiologie (MTR) um den ungewöhnlichen Patienten. Die Leitung der Untersuchung übernahm Dr. Alexander Ranft. Gemeinsam mit Dr. Bettina Heine-Hippler von der LWL-Denkmalpflege wertete Ranft auch die Daten der Untersuchung aus.

Entstanden ist die Zusammenarbeit auf Anfrage durch Bettina Heine-Hippler. „Frau Heine-Hippler ist auf die Geschäftsführung des Klinikums zugegangen, und hat gefragt, ob unsere Klinik sie unterstützen kann“, erklärt Richard Bornkeßel, Sprecher des Klinikums Hochsauerland. Nach einem kurzen Gespräch mit Chefarzt Ranft sei das Okay zu dieser ungewöhnlichen Untersuchung erfolgt. Die entstandenden Kosten habe das Klinikum im Sinne der Forschungsarbeit übernommen, sagt Bornkeßel.

Die Auszubildenden in der Klinik für Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie haben den Korpus der Jesus-Figur aus der Klosterkirche Oelinghausen unter Leitung von Chefarzt Alexander Ranft (3.v.re.) und Röntgen-Aissistentin Claudia Loer (rechts) untersucht.
Die Auszubildenden in der Klinik für Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie haben den Korpus der Jesus-Figur aus der Klosterkirche Oelinghausen unter Leitung von Chefarzt Alexander Ranft (3.v.re.) und Röntgen-Aissistentin Claudia Loer (rechts) untersucht. © Klinikum Hochsauerland | Klinikum Hochsauerland

„Wir wissen, dass der über 850 Jahre alte Korpus bereits eine bewegte Geschichte hinter sich hat und im Sauerland einzigartig ist“, beschreibt Denkmalpflegerin Bettina Heine-Hippler. Aus dem Jahre 1921 gebe es die Rechnung eines Neheimer Schreinermeisters, der den Korpus unter anderem gebeizt und poliert haben soll. Vor allem aber die heutige Haltung der Arme und die Befestigung am alten romanischen Kreuz aus der Klosterkirche gaben der LWL-Forscherin sowie dem Freundeskreis Oelinghausen und dem Gemeindeteam noch viele Fragen auf.

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Und genau diese Fragen sollten durch die Untersuchung geklärt werden. Dieser Herausforderung stellten sich die drei Auszubildenden Annika Hoffmann, Luca Pace und Dimitrios Vasilopoulos. Vorsichtig bereiteten sie die Jesus-Figur auf das Röntgen vor. Die Röntgenbilder aus dem Untersuchungsraum im Notfall- und Intensivzentrum in Hüsten wurden direkt auf die Bildschirme der Leitzentrale übertragen, wo Heine-Hippler und Alexander Ranft sie analysierten: Metall-Nägel, aber auch hölzerne Verbindungsstücke zu den Extremitäten des „Patienten“ wurden durch die hochauflösenden Aufnahmen deutlich und ermöglichten so eine zeitliche Einordnung der Restaurierungen, da die Verwendung von Metallnägeln und Holz zu unterschiedlichen Epochen stattgefunden hat.

Einzigartig im Sauerland

Bernhard Padberg konnte die Analyse aus nächster Nähe beobachten. „Es ist sehr spannend und bewegend, wenn man bei solch einer Untersuchung live dabei ist“, so Padberg. Er habe auf dem Bildschirm die ganz alten mittelalterlichen Nägel und auch neuzeitliche Nägel erkennen können. „Die Figur hat wohl einmal ohne Arme auf dem Boden gelegen, ist dann mit den neuen Nägeln repariert worden, sodass die Originalarmstellung wiederhergestellt werden konnte.“

„Mindestens ein Arm ist im Laufe der Jahre an der Figur reponiert, also in eine andere Lage gebracht worden“, sieht der Chefarzt auf den Bildern sofort. „Ich bin von den Möglichkeiten der modernen Bildgebung wirklich begeistert“, freut sich die Denkmalpflegerin. Die Röntgenbilder zeigen, dass Reparaturen an beiden Armen der Figur erfolgt sind und alte Holzdübel dazu verwendet wurden. Und nicht nur das – auch die Verwendung unterschiedlicher Metallnägel, die zum Teil geschmiedet worden sind, wurde über die Bildbefunde belegt. Die Untersuchungen förderten zudem die Erkenntnis zutage, dass die Jesus-Figur einst farbig gestaltet war. „Wir haben es hier mit einem total spannenden Stück zu tun, dem wir dank der Unterstützung des Klinikums zerstörungsfrei bereits weitere Geheimnisse entlocken können“, begeistert sich Heine-Hippler. Und auch die Ganzkörper-Röntgenaufnahme aus der Klinik kann jetzt zu Kartierungszwecken an der Figur perfekt genutzt werden.

Bislang war das Kruzifix der Forschung weitgehend unbekannt. Es gibt also noch viel zu erforschen.
Bernhard Padberg - Stellvertretender Vorsitzender Freundeskreis Oelinghausen

Die Untersuchung hat im neuen Notfall- und Intensivzentrum Hüsten stattgefunden.
Die Untersuchung hat im neuen Notfall- und Intensivzentrum Hüsten stattgefunden. © WP | Martin Haselhorst

Für Annika Hoffmann, Luca Pace und Dimitrios Vasilopoulos war die Untersuchung ein Höhepunkt während ihrer Ausbildung. „Das ist sehr spannend und ein wirklich historisches Ereignis“, freut sich Azubi Luca Pace, „ich glaube nicht, dass wir einen älteren Patienten untersuchen werden!“ Mit den für die weiteren Untersuchungen auf einer CD gesicherten Aufnahmen konnte der ungewöhnliche Patient schnell wieder entlassen werden. „Das hat man wirklich nicht alle Tage“, sagt Dimitrios Vasilopoulus über den Ausbildungstag, „es ist schön, dass wir Auszubildende einen Beitrag zur Erforschung eines regional bedeutenden Kulturdenkmals leisten konnten!“

Das Kruzifix wurde im Anschluss an die Untersuchungen in eine Restaurationswerkstatt nach Werl gebracht. Dort finden weitere Untersuchungen statt. Unter anderen soll herausgefunden werden, welche Farben die Figur einst hatte. Denn Farbreste konnte man nachweisen. „Bislang war das Kruzifix der Forschung weitgehend unbekannt. Es gibt also noch viel zu erforschen“, ist sich Bernhard Padberg sicher. Nach der Untersuchung sollen auch kleinere Reparaturen am Kreuz vorgenommen werden.