Arnsberg. „Amouröse Affäre“ im Teil 6 der Serie zur Wiege Arnsbergs: Es regieren ein verheirateter Erzbischof und eine protestantische Herzogin!
Der Thesenanschlag des Augustinerbettelmönchs Martin Luther an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg am 31. Oktober 1517 leitete nicht nur die Reformation, sondern auch eine tiefe Glaubensspaltung ein, deren Grenze mitten durch Deutschland verlief. Nach dem Grundsatz „Cuius regio, eius religio“, wessen das Land, dessen die Religion, bestimmten die jeweiligen Fürsten über den Glauben ihrer Untertanen. Während das Herzogtum Westfalen mit dem Erzbischof von Köln als Landesherrn katholisch geblieben war, hatte die benachbarte Grafschaft Mark das lutherische Bekenntnis angenommen. Die Grenze verlief mitten durch das Hönnetal, Balve und Menden bildeten die katholischen Bollwerke gegen die Märker.
Mit 12:10 Stimmen gewählt
Nach dem Rücktritt Salentin von Isenburgs wählte das Kölner Domkapitel am 5. Dezember 1577 den aus schwäbischem Adel stammenden 30-jährigen Domherrn Gebhard Truchseß von Waldburg mit 12:10 Stimmen gegen Ernst von Bayern zum Erzbischof und Kurfürsten von Köln. Anfangs bekannte sich der neue Erzbischof uneingeschränkt zum Katholizismus und empfing im Unterschied zu vielen seiner Vorgänger die Priesterweihe. Bald nach seiner Wahl besuchte er Arnsberg und sorgte dafür, dass der Bau des Schlosses vollendet wurde.
Als er sich in die 27 Jahre alte protestantische Gräfin Agnes von Mansfeld verliebte, die als Kanonisse in einem Damenstift in Gerresheim bei Düsseldorf lebte, erregte die Beziehung zunächst kein besonderes Aufsehen, zumal solche „Affären“ in dieser Zeit bei hohen geistlichen Würdenträgern nicht selten vorkamen. Erst als die Brüder der Gräfin Agnes die Beschimpfungen des Hauses Mansfeld aufgrund dieser Beziehung nicht länger hinnehmen wollten und Gebhard zu einem Eheversprechen drängten, nahm das Verhängnis seinen Lauf.
Die bisherigen Serienfolgen:
Gebhard entschloss sich, seine Geliebte zu heiraten. Da er jedoch die Priesterweihe empfangen hatte und er mit einem Dispens der katholischen Kirche für die Eheschließung nicht rechnen konnte, fasste er den Entschluss, zum Protestantismus überzutreten. Hiermit waren jedoch die Aufgabe seines Amts als Erzbischof und Kurfürst von Köln sowie der Verlust der daraus resultierenden Einkünfte verbunden. Deshalb kam Gebhard auf den Gedanken, das Erzstift Köln als weltliches Fürstentum weiterzuführen, indem er hier die Reformation einführte. Ein protestantischer Kölner Kurfürst hätte allerdings nachhaltige Auswirkungen auf die Königswahl im Deutschen Reich zur Folge gehabt, da der Kölner Kurfürst zu den sieben Kurfürsten zählte, die den deutschen König wählten.
Bisher standen mit den Erzbischöfen von Köln, Mainz und Trier und dem König von Böhmen vier katholische drei weltliche protestantische Kurfürsten gegenüber. Mit dem Übertritt des Kölner Erzbischofs zum Protestantismus wäre das Verhältnis im Kurfürstenkollegium aber zugunsten der Protestanten umgekehrt worden, wodurch das Reich künftig keinen katholischen, sondern einen protestantischen König gehabt hätte. Eine derartige Machtverschiebung konnten Kaiser und Papst nicht tatenlos hinnehmen.
Religionsfreiheit verkündet
Ungeachtet dessen sagte sich Gebhard Truchseß von der katholischen Kirche los und verkündete durch Edikt am 18. Januar 1583 in seinem Herrschaftsgebiet die freie Ausübung beider Religionen. Da er im Rheinland für die Umsetzung seiner Pläne keine Unterstützung fand, wollte er seine Ziele im Herzogtum Westfalen durchsetzen. Am 2. Februar ließ er sich mit Agnes von Mansfeld in Bonn nach calvinistischem Brauch trauen. Anschließend reiste das frisch vermählte Paar nach Arnsberg, um hier die Reformation einzuführen. Erstmalig regierte auf dem Arnsberger Schloss ein verheirateter Erzbischof mit einer protestantischen Herzogin. Für den 10. März berief Gebhard die westfälischen Landstände ein. Mit Versprechungen, Einschüchterungsversuchen und Einladungen zu ausgiebigen Gastmahlen und Trinkgelagen auf seinen Schlössern in Arnsberg und Hirschberg versuchte er, die Vertreter der Stände auf seine Seite zu ziehen. Mit diesen Mitteln gelang es ihm, dass der Landtag mehrheitlich seinen Plänen zustimmte, obwohl Landdrost Graf Eberhard von Solms und der kurfürstliche Rat Kaspar von Fürstenberg jede religiöse Änderung ablehnten. Mit diesem Votum in der Tasche ließ Truchseß im Herzogtum Westfalen offiziell die Reformation einführen. Zur Durchsetzung kamen protestantische Prediger ins Land, die aber in Arnsberg auf den energischen Widerstand des Konvents des Klosters Wedinghausen trafen.
Ein Verein für den Schlossberg
- Der im März 2023 gegründete Verein Zukunft Schlossberg hat sich die Inwertsetzung des Schlossbergs zum Ziel gesetzt.
- Damit soll die seit Jahrzehnten propagierte Achse Schlossberg - Sauerlandmuseum - Kloster Wedinghausen endlich geschlossen werden, um den Tourismus - und damit Einzelhandel und Gastronomie - nachhaltig zu beleben.
- Dieser Impuls soll durch die Module Aussichtsturm, Skywalk, Besucherzentrum (außerschulischer Lernort, digitales Museum und Anlaufstelle für die Stadtführer) sowie ein kleines Amphitheater für Lesungen, Musik und Theater sowie Sichtbarmachung der Schlossberg-Unterwelt erzielt werden.
- Zugleich soll in diesem Zug der dortige Kinderspielplatz attraktiver gestaltet werden.
- Ein erster Erfolg: Der Sendemast auf dem Schlossberg wird bis spätestens 2025 entfernt.
- Info und Kontakt: www.schlossbergarnsberg.com
Papst Gregor XIII. sprach den großen Kirchenbann über Truchseß aus, exkommunizierte ihn und setzte ihn am 20. April 1583 im Einvernehmen mit Kaiser Rudolf II. ab. Das Kölner Domkapitel schritt zur Wahl eines Nachfolgers und wählte einstimmig den vormals unterlegenen Herzog Ernst von Bayern.
Brutale Übergriffe verübt
Jetzt versuchte Truchseß mit Gewalt der Reformation zum Durchbruch zu verhelfen. An der Spitze einer starken militärischen Streitmacht kehrte er ins Herzogtum Westfalen zurück. In vielen Städten und Dörfern verübten seine Truppen brutale Übergriffe besonders gegen die katholische Geistlichkeit. In Hüsten zerstörten sie den Altar und den Bildschmuck der Petrikirche, ehe sie weiter nach Arnsberg zogen. Hier bekam vor allem das Kloster Wedinghausen die Wut der Söldner zu spüren. Sämtliche Türen und Schlösser wurden aufgebrochen, die Orgel, Bilder und Gemälde zerstört, Ornamente und Wertgegenstände geraubt und die Mönche vertrieben. Unter der persönlichen Führung Gebhards drangen die verwahrlosten Horden in die Klosterkirche ein, traten die Reliquien mit Füßen, zerstörten den Reliqienschrein und zerschlugen die Kruzifixe.
Katholizismus verboten!
In Arnsberg wurde die Ausübung der katholischen Religion verboten und in Wedinghausen ein protestantischer Prediger eingesetzt. Fast ein Jahr waren keine katholischen Gottesdienste möglich. Soldaten und die neuen protestantischen Räte mit ihren Hofdienern mussten auf kostspielige Weise unterhalten werden. Das Ende der Truchsessischen Herrschaft zeichnete sich zunächst im Rheinland und anschließend auch in Westfalen ab. Unter Führung des Herzogs Ferdinand von Bayern, eines Bruders des neu gewählten Kurfürsten Ernst, gelang es kampfstarken bayerischen Verbänden das Truchsessische Heer zu schlagen. Am 16. April 1584 streckte der Rest der Soldaten auf dem Arnsberger Schloss die Waffen.
Neuigkeiten aus Arnsberg
- Alles Wissenswerte rund um den Hüstener Käsemarkt
- Ab 18. März starten die Bauarbeiten in der Werler Straße
- Das Frühlingsfest lockt nach Neheim
- Neheimerin hilft Menschen bei Burn-Out
Truchseß floh mit seiner Gemahlin nach Delft in die Niederlande zum Prinzen Wilhelm von Oranien. Hier verbündete er sich mit dem berüchtigten Söldnerführer Martin Schenk von Nideggen, um mit dessen Hilfe doch noch seine Ziele erreichen zu können. Nideggen zog im Frühjahr 1586 mit einem Trupp von über 1000 Kämpfern durchs Ruhrtal in Richtung Arnsberg. Die Stadt hatte jedoch umfassende militärische Vorbereitungen getroffen, um sich erfolgreich zur Wehr setzen zu können. Daher plünderten die Söldner zuerst Neheim, anschließend Hüsten, ehe sie weiter Richtung Kloster Oelinghausen zogen. Hier zerstörten sie Altäre, Gemälde und die Orgel. Nonnen, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht hatten, wurden vergewaltigt. Landdrost Eberhard von Solms stellte den Marodeuren ein Heer von 300 Söldnern entgegen, das durch freiwillige Kämpfer aus den Städten und Dörfern unterstützt wurde.
Schlacht auf dem Fürstenberg
Am 2. März 1586 trafen die beiden Heere auf dem Fürstenberg zwischen Neheim und Bremen aufeinander. Die zusammengewürfelten katholischen Truppen wurden nahezu komplett niedergemetzelt. Die wenigen Überlebenden wurden auf der Flucht Richtung Neheim von den Verfolgern in die Ruhr getrieben, in der viele ertranken. Schenk wurde im ganzen Reich geächtet. Bei der Belagerung von Nimwegen 1589 kam er ums Leben, als er auf der Flucht in seinem Harnisch in der Waal (Mündungsarm des Rheins) ertrank.
Truchseß gab den Kampf schließlich auf und siedelte mit seiner Frau nach Straßburg über. Dort starb er 1601 als protestantischer Domdechant und wurde im Straßburger Münster beigesetzt. Seine Frau Agnes lebte bis zu ihrem Tode 1637 unter dem Schutz der Württemberger Herzöge in Württemberg. Begraben wurde sie in Sulzbach.