Medebach/Lishui. Was können die Vereinten Nationen vom Sauerland lernen? Eine Delegation aus Medebach reist zur UN-Großtagung nach China. Es geht ums Landleben.
Wenn am Freitagmittag um 14.30 Uhr in Frankfurt die Maschine der China Eastern Airlines in Richtung Shanghai startet, dann sitzen auch Passagiere aus Medebach in dem Flieger. Der Architekt Christoph Hesse, der Wirtschaftsförderer der Stadt, Michael Aufmhof, und der Ortsheimatpfleger von Referinghausen, Frans van Hulten. Außerdem ist die Architektin Michela Quadrelli dabei, die im Berliner Büro des Architekten arbeitet. Sie alle wurden zu einer Tagung der United Nations nach China eingeladen.
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Einzige Vertreter Deutschlands
Als einzige Vertreter Deutschlands werden sie sich dort mit 300 Teilnehmenden aus aller Welt über das Leben im ländlichen Raum austauschen. Die Kosten für die Reise trägt übrigens die UN. Aber wie kommen Medebach – und ganz speziell die Dörfer Referinghausen und Titmaringhausen sowie der Edersee – in den Fokus der Weltöffentlichkeit?
Architekt Christoph Hesse - er stammt aus Referinghausen und hat u.a. die Landmarken „Open Mind Places“ rund um das Dorf geschaffen - lernt während einer wissenschaftlichen Tätigkeit als sogenannter Gastkritiker an der Uni in New Haven (USA) die chinesische Architektin Tiantian Xu kennen. Sie ist Hauptdozentin dort an der Elite-Hochschule und genießt großes Ansehen auf dem Gebiet Entwicklung ländlicher Räume. Um es kurz zu machen: Hesse und Tiantian Xu entwickeln ein Projekt für die elf Studierenden. Und die angehenden Architekten und Städtebauer reisen sogar nach Deifeld und Referinghausen, um sich dort dörfliche Projekte anzuschauen und um selbst Ideen und Perspektiven für das Dorf zu entwickeln. „Vor allem das Nahwärme-Netz, aber auch die konzeptionelle Arbeit im Bereich der Dorfentwicklung hatte es den Studierenden angetan“, erinnert sich Wirtschaftsförderer Michael Aufmhof an interessante Gespräche.
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Vorschlag an die Vereinten Nationen
Aus dieser Kooperation heraus schlägt Tiantian Xu vor, eine Delegation aus Medebach zur nächsten Tagung der sogenannten UN-Habitat - einer Arbeitsgruppe der Vereinen Nationen - einzuladen. Nach zwei langen Flügen und zweieinhalb Stunden Autofahrt wird die vierköpfige Delegation schließlich an diesem Samstag am Airport Wenzhou ankommen und nach weiteren zweieinhalb Autostunden das Tagungshotel in Lishui beziehen. Die Strukturen und Dimensionen in China mögen völlig anders als im Sauerland sein. Aber die Probleme und Sorgen in den ländlichen Räumen sind durchaus ähnlich. In der Provinz Zhejiang, so ist es der Einladung zur Tagung zu entnehmen, geht es um intelligente Verkehrslösungen, um ein 78 Dörfer umfassendes Projekt mit dem Titel „Rettet alte Wohnhäuser“ oder um den Erhalt klarer Gewässer. Immer wieder tauchen in der Tagesordnung Begriffe wie „Verringerung der Kluft zwischen städtischen und ländlichen Gebieten“ und „nachhaltige Stadt-Land-Entwicklung“ auf. Und genau darum geht es - nicht nur in China.
Vortrag über Jugend und ländliche Entwicklung
Neben Exkursionen in das Umland wird die Delegation aus dem Sauerland auch zu Themen wie „Ländliche Entwicklung“ oder „Jugend“ referieren bzw. Stellung beziehen und Fragen beantworten. Christoph Hesse wird dort u.a. die sogenannte „Villa F“ vorstellen, ein Wohnhaus in Titmaringhausen, das bewusst wegen seiner Energie-Effizienz in runder Form gebaut wurde. Von dort nahm das Nahwärmenetz seinen Weg, das inzwischen zwei Ortschaften mit heißem Wasser aus der Biogasanlage versorgt Es wird um die Idee der Nachhaltigkeit, um energetische Unabhängigkeit, um die Open-Mind-Places und um dörfliche Strukturen und Zukunftsaussichten gehen – all das an den Beispielen der Medebacher Dörfer.
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Dabei werden die 300 Teilnehmer/innen - darunter viele Planer, Architekten, aber auch Politiker – einen Einblick von dörflicher Entwicklung im Sauerland bekommen und mit Themen wie Biodiversität oder Klimawandel konfrontiert werden. Außerdem werden Christoph Hesse und seine Kollegin Michela Quadrelli das von ihnen entworfene und gebaute Besucherzentrum Edersee vorstellen. „Wir haben an prominenter Stelle auf dem Sperrmauer-Vorplatz ein Zentrum gebaut, das einen virtuellen Schnitt durch die Sperrmauer mit ihren Gängen und Schächten zeigt. Das Foyer mit Video-Installationen ist ein Leuchtturmprojekt mit großer Strahlkraft bis nach Frankfurt und Kassel.“
Anker- und Anziehungspunkt
Es soll ganz bewusst ein Anker- und Anziehungspunkt sein, um Menschen aus Ballungszentren in den ländlichen Raum zu locken. Es soll - bildlich betrachtet - aus der oft einspurig befahrenen Straße vom Dorf in Richtung Stadt eine mehrspurige, in beide Richtung befahrbare Schnellstraße machen. Mit dem Ergebnis, dass der ländliche Raum eine ganz andere Wertschätzung als lebens- und liebenswerter Lebensraum erfährt.
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In Sachen Dorfentwicklung haben die Orte im Medebacher Stadtgebiet durchaus gerade einen Lauf. Michael Aufmhof: „Das Bottom-up-Prinzip, das Ideen von den Bewohnerinnen und Bewohnern selbst kommen und umgesetzt werden, läuft überaus erfolgreich. Auch das LEADER-Projekt hat da einen ordentlichen Schub gegeben. Wir haben jetzt schon wieder mehr Projektvorschläge als Gelder. Ob das die Pastorenscheune in Düdinghausen oder der Vogelerlebnispfad in Dreislar sind – hier entstehen an vielen Stellen wertvolle Gemeinschaftsprojekte, die das Leben auf dem Land stärken.“ Von dem UN-Forum in China erhofft sich Aufmhof einen regen Austausch und den Ausbau der Netzwerke.
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Christoph Hesse wird bei der China-Reise noch einen Abstecher nach Xinyang machen. Dort entsteht gerade ein „House of Knowledge“. Auf einer Grünfläche inmitten von urbaner Wohnbebauung in einer 6,5-Millionen-Einwohner-Stadt hat er auf 1200 Quadratmeter Fläche eine Bibliothek mit Teehaus aus Holz, Naturstein und mit viel Pflanzen geplant. „Die Ideen und die Pläne stammen von uns; umgesetzt wird das Projekt aber von Ingenieuren vor Ort.“ Auch hier geht es sichtbar um die Verbindung von Stadt und Land. „Ich will, dass die Kinder dort ihre Füße und Hände in die Erde stecken.“ So, wie wir Kinder vom Land es gewohnt sind und es schätzen…