Kassel/Medebach. Aktiv an einem Projekt der bedeutendsten zeitgenössischen Kunstausstellung mitwirken. Winterberg Schüler setzen Zeichen auf der documenta.

Seit Monaten wird die „documenta Fifteen“ von Antisemitismus-Vorwürfen überschattet. Mehrere Werke wurden als judenfeindlich kritisiert. Christoph Hesse, der aus Referinghausen stammt und Architekturbüros in Korbach und Berlin betreibt, ist eigentlich mit sogenannten „Reflecting Points“ auf der weltweit bedeutendsten Ausstellung für zeitgenössische Kunst vertreten.

Fotos von der Installation gibt es hier:

Allein die Vorstellung aber, dass eine internationale Schau auch nur ansatzweise Platz für Rassismus, Homophobie, Islamfeindlichkeit oder andere die Gesellschaft spaltende Ideologien bieten könnte, hat ihn tief bewegt und bewogen, seine und andere Stimmen gegen diese Ideen zu erheben. Mitten in der laufenden Ausstellung, die noch bis zum 25. September zu sehen ist, hat er eine weitere Installation aufgebaut: „Voices against hate and discrimination“. Sehr bildhaft wird dort ein Zeichen gegen Hass und Diskriminierung gesetzt.

160 Kubik Symbolkraft

Acht Meter lang, vier Meter breit, fünf Meter hoch: 160 Kubik Symbolkraft. „Voices ist eine kollektive Installation gegen jegliche Form von Hass und Diskriminierung. Jeder Mensch ist zum Mitmachen eingeladen, um für Toleranz, Vielfalt und Verbundenheit einzustehen. Ich hatte das Gefühl, mit einer Aktion, die von unten kommt, ein Zeichen setzen zu müssen. Bei den Kuratoren bin ich damit offene Türen eingerannt“, sagt Hesse. Dass Hass-Ideologien spürbare Keile in die Gesellschaft treiben, war der Ansatzpunkt für die begehbare Installation. Im Innern formt sich unter der Decke ein großer, dunkler Keil aus vielen kleinen Holzkeilen. Sie stehen für die unzähligen Hassbotschaften, die täglich verbreitet werden, um Keile zwischen Menschen zu treiben, um sie zu spalten.

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„Aus vielen kleinen Spaltern kann sich eine gefährliche Übermacht zusammenfügen. Dieser Gefahr treten wir entschieden und solidarisch entgegen“, heißt es in einer Beschreibung zu der Idee. Diagonale Streben verhindern das Herabfallen des Keils. „Diese Streben – das sind wir, jeder einzelne, die wir die Gesellschaft zusammenhalten und stabilisieren müssen“, sagt Hesse. Im hinteren Teil der Installation befindet sich ein offener Raum der Kommunikation und Freundschaft, aus dem ein Teil des spaltenden Kerns bereits entfernt wurde.

Auf der
Auf der "documenta fifteen" ist diese Installation von Christoph Hesse zu sehen. Sie versteht sich als sichtbarer Ausdruck gegen jede Form von Rassismus oder Ausgrenzung. Auch Schüler des Winterberger Geschwister-Scholl-Gymnasiums haben aktiv mitgemacht und T-Shirts beschriftet.  © WP | Privat

Die Außenhülle des Objektes, das an sehr exponierter Stelle auf dem Friedrichsplatz in unmittelbarer Nähe zum Staatstheater Kassel positioniert ist, besteht aus hunderten von T-Shirts. Die werden mit einzelnen Botschaften wie „Mensch ist Mensch“, „Peace, Love and Understanding“ oder „Be the Change“ beschriftet, zusammengenäht und an der Außenwand angebracht.

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Teil der documenta sein

Bei der T-Shirt-Gestaltung aktiv mitgewirkt haben u.a. auch die Schüler des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Winterberg: „Herr Hesse hat uns über eine befreundete Lehrerin Stefanie Figgen aus Düdinghausen angesprochen und wir fanden die Idee aus zweifacher Hinsicht sehr gut“, sagt Schulleiter Ulrich Cappel. Zum einen fühle sich die Schule durch ihre Namensgeber Hans und Sophie Scholl dazu verpflichtet, für humanistische Werte einzustehen. „Zum anderen war es aber auch sehr spannend, auf diese Weise ein kleiner Teil der documenta zu werden.“ Die Shirts wurden im Unterricht von vielen Schülerinnen und Schülern des Gymnasium gestaltet. Vergangene Woche waren 29 Schüler aus dem Kunstkurs „Ku1“ der Vor-Abi-Klasse in Kassel, wo Christoph Hesse die Jugendlichen persönlich durch die Ausstellung und die „Voices“ führte.

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Weitere Shirts, die von Schüler/innen aus Kassel beschriftet werden, kommen in den nächsten Tagen hinzu. Es gab auch schon Passanten, die ihre Shirts ausgezogen, beschriftet und an der Installation hinterlassen haben. All das zeigt: Rassistisches und anderweitig radikales Gedankengut hat keinen Platz, wenn sich genügend Stimmen erheben und spaltende Keile zu versöhnlichen Rundungen machen.