Hochsauerlandkreis. Die heiß diskutierte Grundsteuer-Reform kann im Einzelfall für böse Überraschungen sorgen. Wann die Neubewertung zur Kostenfalle werden kann.

Es war ein riesiger Aufwand. Viele waren verunsichert. Einige waren eifrig, andere waren säumig und sind es bis heute: Es geht um das leidige Thema Grundsteuern.

Viele Bescheide sind schon raus; allein im Bezirk des Finanzamtes Brilon wurden aber auch 1600 Widersprüche eingelegt.
Viele Bescheide sind schon raus; allein im Bezirk des Finanzamtes Brilon wurden aber auch 1600 Widersprüche eingelegt. © WP | Thomas Winterberg

Allein beim Finanzamt Brilon 51.000 Erklärungen

Zur Erinnerung: Wer ein Gebäude oder ein Grundstück besitzt, muss dafür eine Grundsteuer an seine Gemeinde entrichten. Die bisherigen Berechnungsgrundlagen basieren auf sogenannten Einheitswerten, die in Westdeutschland aus 1964 stammen und in Ostdeutschland sogar auf Daten von 1935 beruhen. Sehr alt und außerdem ungerecht. Deshalb bekam bundesweit jeder Eigentümer/jede Eigentümerin im Frühjahr 2022 von seinem zuständigen Finanzamt die Aufforderung, Angaben zum Besitz zu machen - auch im Altkreis Brilon. Bis Ende Oktober vergangenen Jahres sollten die Daten vorliegen, dann gab es Fristverlängerungen. Allein für das Finanzamt Brilon waren Erklärungen für rund 51.000 wirtschaftliche Einheiten (Grundvermögen und Land- und Forstwirtschaft) abzugeben.

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Ist das Verfahren denn nun abgeschlossen, liegen alle Daten vor? Mitnichten! „Rund 6,5 Millionen Grundstücke und Betriebe der Land- und Forstwirtschaft in Nordrhein-Westfalen müssen aufgrund der Grundsteuerreform neu bewertet werden. Bisher sind rund 6 Millionen Erklärungen in den nordrhein-westfälischen Finanzämtern eingegangen. Das entspricht 93 Prozent. Im Finanzamt Brilon sind bisher rund 46.200 Erklärungen zur Feststellung des Grundsteuerwerts (rund 91 Prozent) eingegangen“, teilt der stellvertretende Pressesprecher Gianluca Fischer vom Referat für Kommunikation und Strategie der Oberfinanzdirektion auf Nachfrage mit.

1600 Einsprüche eingelegt

Dementsprechend wurden auch die Bescheid verschickt, mit denen aber auch nicht alle Steuerpflichten einverstanden sind. Fischer: „Nach den uns vorliegenden Zahlen wurden im Finanzamt Brilon bis zum 31. März 2023 gegen rund 6,2 Prozent der Grundsteuerwertfeststellungsbescheide Einsprüche eingelegt. Dies entspricht rund 1.600 Einsprüchen.“

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Von vornherein war klar: Wird die Grundsteuererklärung nicht abgegeben, werden die Finanzämter die Besteuerungsgrundlagen adäquat schätzen. Die Finanzämter in Nordrhein-Westfalen haben vor einiger Zeit mit dem Versand von Schätzbescheiden begonnen. Fischer: „Zur Klarstellung: Eine Schätzung vom Finanzamt entbindet nicht von der Pflicht zur Abgabe der Grundsteuererklärung. Diese besteht auch nach Fristablauf fort.“ Trostpflaster für die Säumigen: Von der rechtlichen Möglichkeit, Zwangsgelder anzudrohen und festzusetzen, wird die Finanzverwaltung keinen Gebrauch machen. Die Finanzverwaltung NRW hat aber vor einiger Zeit Eigentümerinnen und Eigentümer, die ihre Grundsteuererklärung nicht fristgerecht abgegeben haben, an die Abgabe erinnert.“

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Neubewertung kann zu Erhöhung führen

Und wie geht das Ganze nun weiter? Im Zeitraum der Datenerhebung wurde immer wieder betont, dass die neue Berechnung für den Bürger/die Bürgerin kostenneutral verlaufen solle. In einem Leitfaden des Städte- und Gemeindebundes NRW heißt es aber u.a.: „Ob jemand ab 2025 mehr Grundsteuer als zuvor bezahlt, hängt nach dem neuen Grundsteuerrecht des Bundes in erster Linie von der Wertentwicklung des Grundbesitzes im Vergleich zum übrigen Grundbesitz innerhalb der Gemeinde ab.“ Das bedeutet: Stellt sich bei der Neubewertung heraus, dass ein Haus samt Grundstück im Verhältnis stärker an Wert zugelegt hat (z.B. weil sich eine ehemals günstige Randlage zur mittlerweile gesuchten Wohnlage gewandelt hat), wird die Grundsteuer wahrscheinlich steigen. Der Anstieg kann je nach Wertentwicklung deutlicher oder weniger stark ausfallen. Der Gemeindebund: „Natürlich ist umgekehrt auch ein Absinken der einzelnen Steuerlast oder ein Gleichbleiben denkbar. Weil sich mit der Reform sämtliche Grundsteuerwerte verändern, müssen alle Gemeinden ihre Hebesätze rechnerisch daran anpassen. Allerdings erhöht keine Gemeinde nur wegen der Reform ihr Grundsteueraufkommen.“

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Dazu als Beispiel Medebachs Bürgermeister Thomas Grosche: „Jede Kommune legt im Rahmen ihrer Satzungshoheit die Hebesätze der Grundsteuer fest. Die Stadt Medebach hat aber, wie viele andere Kommunen auch, bereits erklärt, dass wir die Reform nicht zu ,versteckten‘ Steuererhöhungen missbrauchen. Wir müssen aber aufkommensneutral bleiben. Das heißt: Wir müssen im Haushalt 2025 exakt den gleichen Betrag an Grundsteuer B haben wie 2024.“ Das Land habe angekündigt, für alle Kommunen diese „aufkommensneutralen Hebesätze“ bekannt zu geben. Da sich die Einheitswerte des Finanzamtes aber ändern, werde es am Ende bei den Steuerpflichtigen Gewinner und Verlierer geben.

Gültig ab 2025

Der Städte- und Gemeindebund geht davon aus, dass mit Versand der Grundsteuer-Bescheide für 2025 die neuen Berechnungsschlüssel angewandt werden. Die Einnahmen aus der Grundsteuer bleiben übrigens vollständig vor Ort und können flexibel eingesetzt werden. Aus der Grundsteuer werden Schulen, Kitas, Straßen und Spielplätze gebaut oder örtliche Kultur- und Sportangebote finanziert.

Am Ende muss die gleiche Summe in der Stadtkasse sein

Grosche nennt ein Beispiel: „Wenn Person A 100 Euro im Jahr weniger bezahlt, weil der Einheitswert herunter gegangen ist, wird es eine Person B geben müssen, die 100 Euro mehr zahlt, damit am Ende das gleiche Geld in der Stadtkasse ist wie vor der Grundsteuerreform.“

Auch den Kommunen liegen noch keine konkreten Schlüssel für die Neuberechnung vor, oder? Thomas Grosche: „Nein, noch nicht in der Gesamtheit. Erst dann lässt sich eine verlässliche Aussage treffen. Ich rechne mit einigermaßen gesicherten Zahlen Mitte 2024.“