Brilon. Die Ente, das Kultauto aus Frankreich, wird 75 Jahre alt. Albert Buchgeister aus Brilon-Petersborn ist deutschlandweit gefragter „Enten-Doktor“.

Wie viele Enten Albert Buchgeister in seinem Leben „geschlachtet“ hat? „An die 250 werden es wohl gewesen sein“, sagt der 53-jährige Petersborner. Dabei ist er alles andere als ein Metzger oder Schlächter. Streng genommen ist der gelernte Schreiner und Rotationstechniker ein echter Gemütsmensch. Aber er ist von einer Art „Vogelgrippe“ befallen. Denn er steht auf Enten. So heißt das Citroen-Modell 2CV (französisch: Deux chevaux). An diesem Samstag, 7. Oktober, auf den Tag genau vor 75 Jahren wurde das Fahrzeug erstmals auf dem Pariser Automobilsalon präsentiert. Dem Ingenieur Boulanger schwebte bei der Entwicklung ein praktisches und günstiges Automobil vor. Anfänglich von Kritikern belächelt und sogar als „Ausbund der Hässlichkeit“ tituliert, wurde es bald zu einem der bekanntesten und individuellsten Autos der Welt.

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Albert Buchgeister, Entenfachmann aus Petersborn, im „Deux chevaux“ seiner Tochter. Der 53-Jährige mag den Charakter der Autos und kennt die Technik in- und auswendig.
Albert Buchgeister, Entenfachmann aus Petersborn, im „Deux chevaux“ seiner Tochter. Der 53-Jährige mag den Charakter der Autos und kennt die Technik in- und auswendig. © WP | Thomas Winterberg

Albert Buchgeister kam vor 30 Jahren mit dem Modell in Kontakt: „Meine Frau Karin und ich waren gerade zwei Jahre verheiratet und brauchten einen Zweitwagen. Als wir unterwegs waren und an einem Kreisverkehr halten mussten, drehte dort eine Ente sechs oder sieben Runden und wippte von einer Seite auf die andere. Wir haben uns beide groß angeschaut, gelacht und gesagt: Das wäre was für uns.“ Ein Bekannter erzählt ihm, dass bei VW in Olsberg eine Ente mit Rahmenbruch stehe. Die könne er für ein Pfund Kaffee haben. Das Auto war 14 Jahre alt, rot und landete schließlich für 500 Gramm Bohnen in Petersborn.

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Ein Pfund Kaffee für eine Ente

„Anfangs hatte ich null Ahnung und habe mich gefragt: Wie kriege ich das Teil ans Laufen?“, erzählt der Entenfachmann. Im Brilon-Walder Citroen-Autohaus Köhler erklärt ihm der alte Werkstattmeister, wie die Ente tickt. „Ich habe sie zerlegt, mir für hundert Mark eine zweite gekauft, bei der der Rahmen noch intakt war. Dann habe ich mir ein Buch besorgt. Und wenn man sich einmal damit befasst, ist es eigentlich ganz einfach. Am Ende hatte ich aus zwei Autos eins gebaut“, lacht der 53-Jährige, der damals ohne Reue von einem sportlichen VW-Scirocco auf den kleinen Franzosen umstieg und auch heute noch vor Enten-Begeisterung sprüht. Eine Euphorie, die ansteckt. Denn sowohl die beiden Töchter als auch der Schwiegersohn besitzen durchaus modernere Autos. Eine Tochter hat sogar einen Mustang in der Garage stehen. Aber das Lieblingsgefährt ist die Ente.

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Nein, das ist keine Ente. Aber auch das Transportfahrzeug „Hy“ hat Albert Buchgeister komplett umgebaut. Mit diesem Wohnmobil fährt er in Urlaub. Echte Entenfreunde nutzen ihr Kultauto übrigens sehr wohl als Zugmaschine für Wohnwagen. Dabei kommt der „Qek“-Junior zum Einsatz, ein Wohnwagen in Leichtbauweise aus DDR-Zeiten.
Nein, das ist keine Ente. Aber auch das Transportfahrzeug „Hy“ hat Albert Buchgeister komplett umgebaut. Mit diesem Wohnmobil fährt er in Urlaub. Echte Entenfreunde nutzen ihr Kultauto übrigens sehr wohl als Zugmaschine für Wohnwagen. Dabei kommt der „Qek“-Junior zum Einsatz, ein Wohnwagen in Leichtbauweise aus DDR-Zeiten. © WP | Thomas Winterberg

„Die Blinker-Relais sind elektronisch, alles andere funktioniert rein mechanisch. Die Federung und dadurch das Fahrgefühl sind einzigartig und man kann den Neigungswinkel einstellen. Und mit gerade einmal 600 Kilo Gewicht kann man sie mühelos zu Zweit von links nach rechts tragen. Es gibt auch heute noch alle Ersatzteile. Würde man die Ente allein aus neuen Ersatzteilen bauen, würde sie heute um die 30.000 Euro kosten“, schwärmt Buchgeister. Die Firma „Der Franzose“ in Vechta hat nach Produktionsende den richtigen Riecher gehabt und sich Maschinen und Formen gesichert, um alle Teile nachzubauen und zu liefern. Buchgeister: „Eine komplette Bremse für vorne und hinten, mit allem Drum und Dran, kriegt man für 102 Euro. Und der Einbau ist ein Klacks. Den Motorblock rausnehmen? Das sind vier Schrauben und schon liegt er da.“

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Aber um das Neuwertige geht es ihm gar nicht. „Ente fahren – das ist Kult, das ist Entschleunigung, das zaubert den Mitmenschen ein Lächeln ins Gesicht. Wenn ich heute mit der Ente unterwegs bin, bleiben Kinder stehen und zeigen strahlend auf das Auto. Mehr kann man doch gar nicht wollen.“ Wer einmal in dem Auto Platz genommen, das Fenster durch einen Klappmechanismus geöffnet hat und mit 50 Sachen durch den Ort fährt, der weiß, warum das Gefährt bergrunter und mit Rückenwind maximal 128 km/h schafft. Allein die Lautstärke im Innern ist beeindruckend. Wer dann aber zum Beispiel am Diemelsee Halt machen und sich ans Ufer setzen möchte, der nimmt einfach die Rückbank raus und macht es sich bequem. Im Winter ist die Ente ruckzuck warm, aber der Einsatz bei Schnee, Eis und Salz ist nur dann empfehlenswert, wenn dickere Bleche eingeschweißt sind oder ein spezieller Unterbodenschutz vorliegt. Ansonsten rostet das Teil gerne.

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Nach und nach ist Albert Buchgeister zum überregionalen Enten-Fachmann geworden und die Fans dieses besonderen Fahrzeugs bilden eine eigene Community. In der Fachzeitschrift „Help“, die unter „Ent‘husiasten“ als Pflichtlektüre gilt, wird der 53-jährige Sauerländer als einer von vielen bundesweiten Ersthelfern im Enten-Notfall gelistet. „Da kommt man nicht so ohne Weiteres rein. Da wirst Du vier Jahre lang gecheckt.“ Aber der Enten-Doc aus Petersborn ist ein geschätzter und geachteter Fachmann.

Jahrelang hat Albert Buchgeister auch im Sauerland Ententreffen organisiert.
Jahrelang hat Albert Buchgeister auch im Sauerland Ententreffen organisiert. © privat | Buchgeister

Neulich bekam der Petersborner einen Anruf von einem Entenfahrer, der auf der Autobahn liegen geblieben war: Radlager kaputt. „Ich hatte noch eins im Regal liegen, bin rausgefahren, habe es eingebaut und bekomme dafür im Gegenzug von dem anderen ein Radlager zurück. Ehrenkodex. Man hilft sich untereinander.“ Aber eigentlich passiert so etwas eher selten. „Wenn man Sprit, Öl und etwas Werkzeug dabeihat, kommt man immer durch. Die Autos sind zuverlässig und wenn sie Mucken haben, kann man die selbst beheben.“

Geschichten gesucht

Sind Sie auch „Ent“husiast und lieben das französische Schätzchen? Haben Sie vielleicht eine schöne Erinnerung, ein Urlaubserlebnis, das Sie mit der Ente verbinden? Schicken Sie uns gern Foto(s) und ein paar Zeilen Text zu Ihren-Entenerlebnissen, die wir dann sammeln und veröffentlichen. Einfach eine Mail an brilon@westfalenpost.de, Stichwort „Ente“.

Zur Entstehung des Namens gibt es mehrere Begründungen. Ein holländischer Journalist soll das Auto beim ersten Blickkontakt „de lelijke eend“, das hässliche Entlein, genannt haben. Albert Buchgeister : „Der Name kommt vom schnatternden Geräusch des Zwei-Zylinder-Motors, der an eine Ente erinnert.“

Dass der Wagen so gut gefedert ist, liegt daran, dass die Bauern in Frankreich mit dem 2CV sicher über die Felder fahren wollten, ohne dass die Hühnereier im Korb Schaden nahmen.

Neulich musste eine Tochter von Buchgeister das Lachen unterdrücken, als der Mechaniker auf der Autobahn mit einem computergesteuerten Fehlerlesegerät um die Ecke kam. „Das Einzige, was sie brauchte, war ein Kreuzschraubenzieher, denn die Kontakte an der Zündung waren abgenutzt.“

Wenn das Auto sprechen kann

Einmal Ente, immer Ente: Vor einigen Jahren organisierte Albert Buchgeister regelmäßige Ententreffen in Brilon und speziell in Radlinghausen. Aus ganz Deutschland reisten die Fans an, um sich auszutauschen und um viele freundliche und wohlwollende Blicke auf sich zu ziehen. „Einmal haben wir auf dem Dorfteich eine Ente zu Wasser gelassen und auf einem Ponton schwimmen lassen. Da hat jemand die Feuerwehr gerufen. Aber das war natürlich falscher Alarm.“

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Albert Buchgeister hat schon viele Enten zusammengebaut und neue Modelle konstruiert. Es gab einen Pick-Up auf 2CV-Basis, den er später zum Kipper umkonstruiert hat. „Solche Fahrzeuge müssen komplett von einem Ingenieur und vom TÜV abgenommen werden. Das kostet richtig Geld. Aktuell fährt er einen „Hy“, Baujahr 1970, 56 PS, zwei Liter und drei Gänge mit kräftiger Übersetzung. Das ist ein Kleintransporter des französischen Automobilherstellers, den er vom Pferdetransporter zum Wohnmobil umgebaut hat. Von den einzelnen „Operations-Schritten“ hat er ein Foto-Buch angelegt: „Alberts Abenteuer. Mit dem auffälligen Auto fahren die Buchgeisters regelmäßig in Urlaub. „Das ist auch so ein individuelles Fahrzeug. Ich kenne es in- und auswendig. Ich höre, wenn etwas klappert oder nicht rund läuft. Ich sage dann: Mein Hy spricht zu mir.“

Auf dem Briloner Marktplatz trafen sich die Teilnehmer zur Entenparade.
Auf dem Briloner Marktplatz trafen sich die Teilnehmer zur Entenparade. © WP | wp

Enten-Fans sind sympathische und unkomplizierte Leute: „Wenn Du zu einem Treffen von Mini-Cooper-Freunden fährst, dann stehen dort alle in Reih und Glied. Bei uns Entenfahrern sieht das mehr nach einer Krümeltorte aus.“

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Wenn Albert Buchgeister momentan Ente fahren möchte, muss er auf eine der drei motorisierten Federviecher seiner Familie zurückgreifen. Aber nicht mehr lange. Im Garten liegt noch eine alte Schrott-Karosse. Das wird die Basis für Alberts nächstes Abenteuer. „Ich will wieder ‘ne eigene Ente haben – wieder einen Pick up. Es sind einfach schöne, individuelle und billige Autos, die zudem noch nachhaltig sind.“ Einmal Ente, immer Ente…