Brilon. Nach 22 Jahren als Koch im Briloner Jägerhof hat Andreas Piorek entschieden, aufzuhören. Was er den Brilonern vor seinem Abschied zu sagen hat.
Pio hört auf. Andreas Piorek kocht schon bald zum letzten Mal in der Küche Jägerhofs in Brilon. Zum Jahreswechsel, voraussichtlich im Januar, wird er den Jägerhof als Koch verlassen. Nach 22 Jahren. Einen Nachfolger für das Restaurant gibt es noch nicht.
Erst sind es nur Gerüchte. Der Pio, der hört auf. Pio, wie Andreas Piorek liebevoll von den Brilonern genannt wird, nickt und lacht, während er in seinem Restaurant sitzt, zwischen leeren Tischen, bevor die Vorbereitungen für den Abend beginnen. „Ja, den Dezember machen wir noch, im Januar höre ich auf.“ Die Nachricht sitzt, wie ein kleiner Schock. Piorek lehnt sich zurück. „Ich werde jetzt 62 Jahre alt. Ich habe vorher immer mal wieder übers Aufhören nachgedacht. Um ein bisschen zur Ruhe zu kommen“, sagt er. Neben dem Jägerhof in Brilon hat er mit seinen Kochschulen in Brilon, Nehden und Eslohe gut zu tun. Dabei bleibt er auch. In Nehden tüftelt er an einem neuen Programm. Der Medebacher Hasenstall läut gut, er will dort als Kümmerer weitermachen, nachdem er wesentlich an der Erweiterung beteiligt war.
Pio nachdenklich: „Ich frage mich schon, ob ich eigentlich bekloppt bin.“
Aber den Jägerhof, den will er abgeben. „Hier trage ich viel Verantwortung, vor allem für das Personal. Dazu kommt die Inflation, das Finanzgetöse. Ich arbeite viel, um einen Gesamtumsatz zu erwirtschaften, der es mir ermöglicht das Personal zu bezahlen und ihnen trotzdem genug Work-Life-Balance zu ermöglichen.“ Er schweigt kurz, grinst. „Ich frage mich schon, ob ich eigentlich bekloppt bin. Der Jägerhof hat eine große Akzeptanz, ich verdiene gut. Und ich habe viel mit den Brilonern erlebt.“
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Trotzdem. Im Frühjahr denkt er zum ersten Mal ans Aufhören. „Ich werde immer älter. Ich will nicht hinter dem Ofen umfallen.“ Er spricht mit seiner Frau über den Gedanken. „Die findet das super. Weniger Stress. Und den Stress hier, den nimmt man nach Feierabend mit nach Hause“, sagt er. Damit meint er die Verantwortung für sein Team, für das Restaurant, irgendwie auch für die Stadt. Er denkt viel darüber nach, wann der richtige Punkt gekommen ist. Die Kirmes zieht er durch, „danach ist das Jahr für die Briloner ohnehin vorbei.“ Er spricht mit seinem Team. Die Entscheidung steht fest.
Mittlerweile kennen ihn die Briloner: „Wir sind zusammengewachsen.“
Andreas Piorek schaut sich in seinem Restaurant um. „Das ist sehr emotional. Wir waren 22 Jahre hier, sieben Tage die Woche. Ich werde viel vermissen. Die Stammgäste. Nicht mehr jeden Morgen zum Jägerhof zu gehen, das wird komisch.“ Er schweift in Gedanken zurück zu seinem Start in Brilon. Zuvor hatte Andreas Piorek schon einen Gastronomie-Betrieb in Bödefeld, ist mit seiner damaligen Karte nach Brilon umgezogen – und gescheitert. Er lacht. „Das Programm haben die Briloner erst nicht so angenommen, aber mit der Zeit hat es funktioniert. Mittlerweile kennen die Briloner mich, wir sind zusammengewachsen.“ Er zuckt die Schultern, lächelt. „Die meisten, die es schon gehört haben, verstehen mich. Sie haben Verständnis dafür und ich habe ein wenig Ruhe verdient.“
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Andreas Piorek ist stolz auf die 22 Jahre im Jägerhof. Auf das Altstadtfest, das er mitverändert hat. „Früher hat jeder Gastronom sein eigenes Ding gemacht. Dass das nun so zusammengewachsen ist, mit der Koch-Aktion auf dem Markt, Brilon kulinarisch, da bin ich ein bisschen für verantwortlich. Diese Gemeinschaft aus uns Köchen ist gut gewachsen.“ Er überlegt kurz. „Und die Kochschule, das war auch so eine dumme Idee von mir und Matthias Kappe. Wir haben in der VHS angefangen und ich hätte nie gedacht, dass das so lange und gut läuft.“ Er nickt. Dann grinst er. „Und die Kochbücher mit Sabrina Voss. Das war gut. Das ist etwas, was man gut noch einmal aufgreifen kann. Die Ideen gehen mir nicht aus, in meiner Birne ist noch Platz.“
Pio trifft eine Entscheidung für mehr Kreativität
Es ist eine Entscheidung für mehr Kreativität – für die Kochschulen, Projekte. Ein Ablegen von schwerer Verantwortung, auch wegen der harten Rahmenbedingungen, die die Gastronomen derzeit stemmen müssen. „Wenn ich früher 100 Prozent gegeben habe, muss ich heute 120 Prozent geben. Dazu kommen die hohen Energiekosten, der teure Einkauf, die Lohnkosten die mir weglaufen.“ Andreas Piorek schüttelt den Kopf, „Es wird nicht besser werden. Nächstes Jahr kommen 12 Prozent Mehrwertsteuer wieder drauf, die wir eigentlich an die Gäste weitergeben müssen, sonst fehlen sie den Gastronomen.“ Das Kochen habe sich verändert. „Früher hat man wegen des Kochens angefangen. Heute muss alles genau aufgeschrieben, deklariert werden. Viel mehr muss beachtet werden. Bürokratie eben.“
Wie sich Andreas Piorek von seinen Brilonern verabschieden möchte
Andreas Piorek will sich von seinen Brilonern verabschieden. Mit etwas besonderem. „Vielleicht wird es Menü-Wochen geben, bei denen wir noch einmal tief in die Trickkiste greifen und pfiffige, ausgefallene Sachen anbieten. Als Dankeschön zu einem besonderen Preis. Ihr habt mich 22 Jahre ernährt, jetzt will ich etwas zurückgeben. Die Briloner sind mir auch ans Herz gewachsen.“ Er räuspert sich. Steht kurz auf um sich aus der Küche eine Flasche Limo zu holen. Stimmen dringen in den Gastraum. „Hab gehört, dass du aufhörst?“, fragt ein Mann. Ja, er habe richtig gehört. „Und du bleibst in Brilon?“ Natürlich bleibe er. „Gut, du bist Inventar!“ Pio kommt zurück an den Tisch und lacht. „Inventar.“ Er überlegt kurz, wo er stehen geblieben ist. „Ja, Weihnachten und Silvester machen wir noch, klar. Dann aufräumen und durchwischen.“
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Was will er den Brilonern noch sagen, zum Abschluss? Andreas Piorek überlegt. „Ich hoffe, dass mich die Briloner weiterhin als netten Briloner Koch wahrnehmen. Sie sollen die letzten Tage noch nutzen und vorbei kommen. Zum Essen. Solange Pio noch am Herd steht und drangsaliert werden kann. Und löst eure Gutscheine ein.“