Winterberg. „Die Bergretter“ aus der TV-Serie sind echte Helden. Die Winterberger Bergretter auch. Wie es ist, auf Bäume zu klettern und am Heli zu hängen.

Atemberaubende Landschaft, spannende Geschichten, ein eingeschweißtes Team, jede Menge Action und rasante Flüge über schroffe Felswände im gelben Rettungshubschrauber: Fernsehzuschauer lieben die ZDF-Serie „Die Bergretter“. Seit 2009 und seit 13 Staffeln hat die Reihe ihre feste Fangemeinde. Und daher dürfte mancher aufgehorcht haben, als der DRK-Kreisverband Brilon eine Zeitungsannonce schaltete:„Bergretter (w/m/d) gesucht!“ Ganz so abenteuerlich und filmtauglich ist die Arbeit der Bergwacht-Leute zwar nicht, aber spannend und wichtig ist sie trotzdem.

Winnie Quandt von der Bergwacht Winterberg bei einer Übung im Baum.
Winnie Quandt von der Bergwacht Winterberg bei einer Übung im Baum. © WP | Thomas Winterberg

„Ich gebe Dir noch etwas Seil und dann kannst Du die erste Sicherung anbringen.“ Marc Sartorius blickt den Baumstamm entlang nach oben. Mit spitzen Steigeisen, erlernter Technik und Kraft erklimmt seine Kollegin Winnie Quandt Schritt für Schritt die stattliche Fichte. Die 27-Jährige huscht aber nicht planlos wie ein Eichhörnchen gen Gipfel. Obwohl im Ernstfall die Zeit im Nacken sitzt, achtet sie sehr besonnen darauf, dass etwa alle zwei Meter ein Sicherungsseil um den Stamm geschlungen und verankert wird. Schließlich muss auch der gefahrlose Rückweg schon beim Aufstieg vorbereitet werden. Sie selbst findet mit den Eisen an ihren Schuhen Halt an der knorrigen Rinde und ist zusätzlich über ein Seil gesichert.

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Gleitschirmflieger retten

Was hier passiert, ist zum Glück nur eine Übung. Die Winterberger Bergretter proben für den Fall, dass ein Gleitschirmflieger in einer Baumkrone gelandet ist und sich nicht mehr eigenständig aus der misslichen Situation befreien kann. Alle zwei Wochen gibt es Übungsabende und Szenarien wie diese. „Rettung von Wanderern, Bergsteigern,Gleitschirmfliegern und Wintersportlern, Luftrettung und Seilbahn-Evakuierung, notfallmedizinische Versorgung und Abtransport, Sanitätswachdienst, Umwelt-, Natur- und Katastrophenschutz“ - so beschreibt der DRK Kreisverband Brilon die Aufgaben in der besagten Zeitungsanzeige. Als Benefits für die Bewerber nennt das Rote Kreuz u.a. fachkundige Weiterbildungen, eigene Dienstbekleidung, Mitgestaltungsmöglichkeiten und Spaß mit neuen Leuten. „Die Einsatzmöglichkeiten sind groß. Es gibt nichts, was es nicht gibt – das gilt auch für Unfälle aller Art“, sagt Marc Sartorius aus Niedersfeld. Und daher kann der stellvertretende Bereitschaftsleiter auch nur bestätigen. „Die Aufgabensind sehr vielfältig, haben aber eher wenig mit der Fernsehserie zu tun.“ Die Winterberger Bergretter sind keine Action-Helden. Helden und Heldinnen des Alltags sind sie aber allemal.

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Viel technisches Know-how

Ein Job mit Haken und Ösen: Die Bergwachtler sind für ihre Einsätze gut vorbereitet und ausgerüstet.
Ein Job mit Haken und Ösen: Die Bergwachtler sind für ihre Einsätze gut vorbereitet und ausgerüstet. © WP | Thomas Winterbberg

Technisch verfügt die Bergwacht u.a. über einen geländefähiges Auto, ein Quad mit Patientenanhänger und zwei Motorschlitten, über Skiausrüstungen und ein ganzes Arsenal an Seilen, Karabinern und Co. Einen eigenen Rettungshubschrauber wie im TV gibt es aber nicht. „Unser nächstgelegener Hubschrauber ist bei der Deutschen Rettungsflugwacht in Dortmund stationiert und hat erst seit Mai 2022 eine Rettungswinde.

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Die Umrüstung passierte nach der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal,wo auch wir im Einsatz waren. Vorher stand der nächste Heli mit Winde bei der Bundeswehrin Nörvenich“, sagt Sartorius, der – wie viele andere der derzeit insgesamt 35-köpfigen Bergwacht Winterberg – hauptberuflich im Rettungsdienst arbeitet. Aber, so versichert er, es gebe auch Handwerker und Büroleute, die sich in den Dienst der guten Sache stellen. „Vielfalt ist auch hier alles – dadurch kommen viel mehr Know-How und andere Sichtweisen zusammen.“

Nur fünf Luftretter

Sartorius ist einer von aktuell fünf Luftrettern, die am Hubschrauberbauch hängend ihre Einsätze fliegen können und dürfen. Denn die Bergwacht Winterberg ist für die Luftrettung in ganz Westfalen-Lippe zuständig. Hat sich zum Beispiel ein Waldarbeiter in Altena verletzt, wird der 33-jährige in seinem Sauerländer Heimatdorf aufgenommen und zum Unglücksort geflogen „Wenn der Heli kommt, muss das nicht immer bedeuten, dass der Unfall besonders schlimm ist. Aber wenn die Verletzung unmittelbar im unwegsamen Gelände passiert, ist das einfach die schnellste Möglichkeit, um an die Person heranzukommen.“

Marc Sartorius, Winnie Quandt und Luisa Wittich (von links) nach einem Einsatzübung.
Marc Sartorius, Winnie Quandt und Luisa Wittich (von links) nach einem Einsatzübung. © WP | Thomas Winterberg

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Die Bergretter arbeiten ehrenamtlich, bekommen aber immerhin eine Aufwandsentschädigung. Auch Winnie Quandt aus Bad Fredeburg und Luisa Wittich aus Grönebach sind wie Marc Sartorius im Rettungsdienst beschäftigt. Alle Drei bestätigen unisono, dass die Aufgaben der Bergwacht neben der Rettung und medizinischen Betreuung von Menschen auch noch reizvolle, technische Komponenten mit sich bringen. „Und natürlich sollte man auch körperlich fit sein. Spezielles Krafttraining braucht man sicherlich nicht. Aber wer bei uns mitmacht, ist in der Regel von Natur aus sportlich, wandert gerne oder fährt Ski“, ergänzen die beiden Frauen, von denen immerhin neun zur Truppe gehören. Viele kannten sich vorher schon, manche haben sich dort kennengelernt. Die Gruppenmitglieder haben ein Durchschnittsalter von rund 35 Jahren. Aber das sollte ältere und jüngere nicht abschrecken.

Körperliche Fitness erforderlich

Aktuell hat die Bergwacht fünf Luftretter, die am Hubschrauberbauch hängend ihre Einsätze fliegen können und dürfen. Auch das muss immer wieder geübt werden.
Aktuell hat die Bergwacht fünf Luftretter, die am Hubschrauberbauch hängend ihre Einsätze fliegen können und dürfen. Auch das muss immer wieder geübt werden. © WP | Sartorius

„Mitmachen kann eigentlich jeder, der sich für diese Aufgabe interessiert und entsprechende körperliche Grundvoraussetzungen mitbringt“, erklärt Sartorius, der seit zwölf Jahren dabei ist. Ein Erste-Hilfe-Schein ist die Minimal-Basis für die Mitarbeit in der Bergwacht. Ansonsten ist die Ausbildung bundesweit einheitlich geregelt und in drei Module unterteilt. In Teil 1 geht es um notfall-medizinische Kenntnisse. „Dazu gehören alle Besonderheiten, die mit der Bergrettung zusammenhängen. Es geht um Einsätze in unwegsamem Gelände, um Knochenbrüche, die möglicherweise im Wald oder auf einer Piste und nicht in einem sterilen Umfeld versorgt werden müssen“, sagt der 33-Jährige.

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Klettern und sichern

Teil 2 hat Klettern und Sichern im Feld, in Höhen oder Tiefen zum Hauptbestandteil und wird unter „Sommer-Rettungslehrgang“ geführt. Im dritten Teil spielt sich das Ganze in winterlichem Umfeld ab. Der sichere Umgang auf Skiern wäre daher eine Grundvoraussetzung. Einige Bausteine der Ausbildung finden im Hochgebirge statt – zum Beispiel im Kleinwalsertal.

Nicht jeder muss alle drei Module durchlaufen. Je mehr man kann, desto breiter sind die Einsatzmöglichkeiten. Beim Digitalen Dienstplan werden die Schichten so besetzt, dass immer ein Erfahrener und Neulinge gemeinsam in einem Team arbeiten. Ähnlich wie die Freiwilligen Feuerwehren haben auch die Bergretter einen Bereitschaftsdienst und werden im Notfall von der Einsatzleitstelle alarmiert. „Hochsaison“ herrscht für die Bergretter im Winter bei entsprechender Schneelage; dann ist die Wache am Bremberg auch an sieben Tagen die Woche besetzt – an Wochenende sogar mit fünf Leuten. Langeweile kommt da nicht auf, auch wenn in der Fahrzeughalle eine große Kletterwand zum Üben aufgebaut ist.

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In Spitzenzeiten mit viel Schnee und viel Wintersportbetrieb können es bis zu 600 Einsätze pro Saison sein. Oft sind es Skifahrer/innen die sich über- und die Witterungsverhältnisseunterschätzen.

Winnie Quandt (links) und Luisa Wittich von der Bergwacht Winterberg mit einer speziellen Trage.
Winnie Quandt (links) und Luisa Wittich von der Bergwacht Winterberg mit einer speziellen Trage. © WP | Thomas Winterberg

Die hohe Zahl erklärt auch, warum die Bergretter Verstärkung suchen. „Wer zu uns kommen möchte, sollte teamfähig, offen und empathisch sein. Er sollte über soziale Kompetenz verfügen und in kniffligen Situationen einen klaren Kopf bewahren“, sagt Winnie Quandt.

Sie hat inzwischen die Übung zur Rettung eines Gleitschirmfliegers beendet. Beim nächsten Mal geht es die Lift-Stützen rauf und runter, um die Bergung von Menschen aus einer Seilbahn zu üben. Einen solchen Ernstfall gab es erst 2022 im Skigebiet Kappe. Aber vorher werden alle Seile, Haken und Steigeisen wieder an Ort und Stelle verpackt. Keiner weiß, wann sie das nächste Mal gebraucht werden.

Interessenten können sich per Mail unter leitung@bergwacht-winterberg.de melden.