Winterberg/Dortmund. Bürgermeister Beckmann will für die Gynäkologie im MVZ kämpfen. Die Sorgen vieler Frauen seien begründet. Die KVWL sieht die Schließung gelassen.
Winterbergs Bürgermeister Michael Beckmann hat mit großer Bestürzung auf die überraschende Ankündigung des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) St. Franziskus reagiert, die gynäkologische Praxis zum Jahresende schließen zu wollen, heißt es in der Pressemitteilung der Stadt Winterberg. „Diese Ankündigung würde, sofern sie in die Tat umgesetzt wird, eine große Lücke in unsere medizinische Infrastruktur reißen und zudem einen äußerst sensiblen Bereich in der Grundversorgung treffen“, so Beckmann. Viele Patientinnen seien seiner Meinung nach zu Recht besorgt und stellten sich berechtigterweise die Frage, wie die gynäkologische Versorgung in Zukunft gewährleistet werden könne.
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Tatenlos zusehen wolle der Winterberger Bürgermeister dieser Entwicklung nicht, auch wenn die Möglichkeiten für eine Kommune bei der fachärztlichen Versorgung nur äußerst begrenzt seien. Vielmehr setze Beckmann auf kurzfristige Gespräche mit allen Entscheidungsträgern. Sei Appell an diese sei es, die Schließungspläne zu überdenken und aktuell keine endgültigen Beschlüsse zu fassen. „Wir als Stadt sind noch heute bereit, mit allen Akteuren, insbesondere dem Krankenhaus als Träger des MVZ alle Möglichkeiten zu prüfen und alle Optionen zu nutzen, um eine Lösung im Sinne der betroffenen Patientinnen zu erarbeiten. Ich hoffe sehr und gehe davon aus, dass alle Beteiligten dieser Einladung folgen“, betont Beckmann. Verantwortlich für die Schließungsankündigung mache er auch das aktuelle Gesundheitssystem, das seiner Meinung nach weniger dem Wohle der Menschen diene als vielmehr von wirtschaftlichen Aspekten getrieben sei.
Die Reaktion der KVWL
Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe reagiert ebenfalls auf die Situation in Winterberg. Über die Gründe dafür, dass das MVZ keine Nachfolge für die Facharzt-Stelle gefunden habe, liege keine Erkenntnis vor, so Daniel Müller, Pressereferent der KVWL. Frauenärzte würden generell zur allgemeinen fachärztlichen Versorgung gezählt, „die Planung erfolgt somit auf Kreisebene“, so Müller. „Im Hochsauerlandkreis sind derzeit 22,50 Frauenärzte und Frauenärztinnen tätig. Damit beträgt der Versorgungsgrad in diesem Planungsbereich im Moment 112,9 Prozent.“ Die Zahlen aus dem Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Westfalen-Lippe seien jedoch von Mai 2022. Aktuelle Zahlen erwarte man Ende des Monats.
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Wie viele Ärztinnen und Ärzte für eine Stadt, einen Kreis oder eine Region benötigt werden, werde durch die „Bedarfsplanung“ festgelegt. Diese soll eine ausreichende und flächendeckende Versorgung mit niedergelassenen Ärzten gewährleisten und zudem eine Fehlversorgung vermeiden. Insgesamt unterteile man alle Arztgruppen in vier Versorgungsebenen: in hausärztliche Versorgung, sowie allgemeine, spezialisierte und gesonderte fachärztliche Versorgung. „Stimmt die Relation der Ärzte und Patienten in einer Region mit der gesetzlichen Vorgabe überein, so beträgt der Versorgungsgrad genau 100 Prozent“, erläutert Daniel Müller. „Ab einem Versorgungsgrad von 75 Prozent, bei hausärztlicher, beziehungsweise 50 Prozent bei fachärztlicher Versorgung wird überprüft, ob eine Unterversorgung besteht oder droht.“ Eine Überversorgung würde dementsprechend ab einem Versorgungsgrad von 110 Prozent vorliegen.
Versorgungslage laut KVWL stabil
„Statistisch gesehen lässt sich die Versorgungslage im Hochsauerlandkreis als sehr stabil bezeichnen“, so Daniel Müller über die frauenärztlichen Versorgung. „Generell lässt sich sagen, dass die Nachbesetzung von Arztsitzen in vielen, vor allem im ländlichen Bereich, schwieriger wird, da sich nicht genug junge Medizinerinnen und Mediziner für eine (eigene) Praxis entscheiden.“ Ausschlaggebend seien für die jungen Menschen dabei auch Faktoren wie beispielsweise ausreichend Praxisräume, Baugrundstücke oder Kinderbetreuungsangebote. „Nicht zuletzt ist der Mangel an Medizin-Studienplätzen Ursache für den Ärztemangel“, führt Müller ein weiteres Problem an.
Als Frühwarnsystem diene der KVWL das Förderverzeichnis, mit dem aufgezeigt werde, in welchen Gemeinden sich in naher Zukunft Probleme bei der ärztlichen Versorgung entwickeln könnten. „Wichtige Indikatoren dafür sind die Altersstruktur und der Versorgungsgrad der Mediziner vor Ort“, so Müller.
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Bereits seit dem 1. November 2022 werden keine neuen Patientinnen mehr in der Gynäkologie des MVZ aufgenommen. Dr. Joachim Steller beende nun seine Arbeit in der Praxis. Die Bestandspatientinnen werde man sukzessive auf andere Praxen mit gynäkologischem Schwerpunkt umleiten, sagte das MVZ St. Franziskus bereits gestern. Man sei bemüht, für jede Patientin die passende medizinische Versorgung zu finden, wenn die Gynäkologie in Winterberg Ende des Jahres ihre Türen schließen muss.