Medebach/Korbach. Schlag gegen den internationalen Drogenhandel. Die Polizei hat einen Marihuana-Ring aufgedeckt. Auch in Medebach klickten die Handschellen

Ein großer Schlag ist Drogenfahndern am Donnerstagmorgen gegen den organisierten Drogenhandel gelungen. Mit mehreren hundert Einsatzkräften haben die Beamten in den frühen Morgenstunden zahlreiche Gebäude in NRW, Luxemburg und Hessen durchsucht und insgesamt 20 Personen festgenommen. Es soll sich, laut Polizei und Staatsanwaltschaft, um Kriminelle aus Albanien handeln. Auch in Medebach und Korbach waren die Polizeikräfte im Einsatz.

In Medebach entdeckten sie dabei eine riesige Marihuana-Plantage in einem Fachwerkhaus. Nach Polizeiinformationen soll diese 150 Kilogramm pro Jahr abgeworfen haben. „Das ist wirklich eine enorme Menge. So etwas haben wir nicht alle Tage“, sagte eine Pressesprecher der Polizei gegenüber der WP. Ein Mann wurde bei der Polizeiaktion in Medebach festgenommen.

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Die Fahnder waren den Kriminellen im Rahmen von EncroChat-Auswertungen auf die Schliche gekommen. Bei EncroChat handelte es sich um einen ehemaligen Chat-Dienst, der zumeist von Kriminellen genutzt wurde, um verschlüsselt zu kommunizieren. Französischen Ermittlern war es aber gelungen, das Netzwerk zu infiltrieren. Seit dem kommt es immer wieder zu spektakulären Polizeiaktionen wie in Medebach.

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Bundesweit tätige Bande

„Unser Ziel war eine Bande, die bundesweit im großen Stil gewerbsmäßig Handel mit Marihuana betreibt und vom Ausland aus agiert“, sagte der Sprecher der Kriminalpolizei in Oberhausen, PHK Mike Podlech gegenüber unserer Zeitung. Federführend bei den Ermittlungen ist die Staatsanwaltschaft Duisburg. Koordiniert wurde der Einsatz von der Polizei in Oberhausen.

Die Kriminaltechnische Untersuchungsstelle ist in Medebach noch vort Ort.
Die Kriminaltechnische Untersuchungsstelle ist in Medebach noch vort Ort. © WP | Benedikt Schülter

Die Kripo berichtete am Donnerstagmorgen von Durchsuchungen in Oberhausen, Medebach, Heinsberg, Lüdenscheid, Bottrop, Gelsenkirchen, Essen (alle Nordrhein-Westfalen), in Korbach (Hessen) sowie in Strassen (Luxemburg). In den Objekten suchten die Ermittler nach Beweisen, die den dringenden Tatverdacht gegen Mitglieder einer Bande weiter erhärten sollen.

Marihuana-Geruch in der Luft

„Riechen Sie das? Marihuana!“, sagte ein Polizeibeamter, der Kartons mit Beweismaterial aus dem Haus in Medebach trug, gegenüber dem Reporter. Und in der Tat lag ein süßlicher Geruch in der Luft. Auch am Vormittag standen noch zahlreiche Polizeiautos und Wagen der KTU (Kriminaltechnische Untersuchungsstelle) in der ruhigen Wohnstraße und bewaffnete Zivilfahnder waren zu sehen.

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Nachbarn war das Haus schon seit geraumer Zeit merkwürdig vorgekommen. Julia Schneider (22) Anwohnerin: „Ich habe da nie jemanden gesehen. Es war schon komisch, dass die Rolläden immer runter waren. Seit der Vorbesitzer verstorben ist, hat man von den Bewohnern so gut wie nichts mitbekommen.“ Einem anderen Anwohner, der namentlich nicht genannt werden möchte, ist hingegen aufgefallen, dass regelmäßig kleine Lieferwagen vor der Haustür geparkt haben und Gegenstände von unbekannten Personen herein- und herausgetragen wurden.

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Mehrere Hundert Einsatzkräfte

Die Polizei-Aktion war in den Morgenstunden gestartet. Zu der Zeit war Virginia Jukneviciene als Pflegekraft unterwegs, um sich um eine ältere Dame zu kümmern. „Es war ein großes Polizeiaufgebot, lauter Fahrzeuge auf der Straße.“ Sie selbst habe das Haus schon immer unheimlich gefunden: Man hat auch niemanden gesehen, die Rolläden waren immer zu. Hin und wieder habe mal Licht durch die Jalousien geschimmert, es sei gespenstisch gewesen und das Haus habe einen ungepflegten Eindruck gemacht.

Korbacher sind schockiert

Es ist noch Dunkel in Eppe, als die Ermittler loslegen. Gegen 6.30 Uhr durchsuchen rund 25 Polizisten aus Korbach und Nordrhein-Westfalen das Wohnhaus mitten im Dorf. Sie finden eine Hanfplantage und nehmen eine Person fest.Ein süßlicher Geruch dringt nach draußen. Die offene Haustür gibt den Blick auf die Plantage frei: Dutzende mehr als einen Meter große Cannabis-Pflanzen stehen in dem mit gelben Licht von Natriumdampflampen beleuchteten Raum. An der Wand ist ein großer Ventilator befestigt. Noch gegen Mittag sind Mitarbeiter der Spurensicherung in dem Haus zugange.

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Die Epper sind schockiert. „Wir waren erschrocken, als wir heute morgen die Polizei gesehen haben“, sagen Anwohner. Gegenüber Nachbarn hatten die Bewohner des Hauses offenbar angegeben, Handwerker auf Montage zu sein, die auf Baustellen in der Region arbeiten würden. „Man hat Leute rein und raus gehen sehen, verschiedene Autos hielten vor dem Haus“, berichten die Epper. Die Männer hätten immer freundlich gegrüßt und den Rasen gemäht, seien aber sonst kaum zu sehen gewesen.

Haus stand lange leer

Das Haus stand laut Anlieger mehrere Jahre leer, wurde dann gründlich renoviert und seit etwa einem Jahr von den angeblichen Handwerkern bewohnt. Auffällig sei nur gewesen, dass das Haus auch abends völlig dunkel gewesen sei: „Als ob es leerstehen würde“, berichtet eine Frau. Der Grund wurde nach der Durchsuchung deutlich: Die Fenster der illegalen Hanfplantage waren mit Folie abgeklebt.

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Nach derzeitigem Ermittlungsstand sollen zwei Banden-Bosse die Lieferungen von Marihuana in der Größenordnung von mehr als 100 Kilogramm aus Albanien organisiert haben. Der Vertrieb soll vor Ort durch vier weitere albanische Staatsangehörige im Bereich Essen, Oberhausen und Bottrop durchgeführt worden sein, wo die Bande über mehr als ein Betäubungsmitteldepot verfügt haben dürfte. Es konnten zahlreiche Marihuana-Lieferungen von jeweils fünf bis 20 Kilogramm im Bundesgebiet nachvollzogen werden.

Drei Plantagen und tausende Pflanzen

Die Durchsuchungen aller Objekte förderten neben drei Marihuana-Plantagen mit über tausend Pflanzen in unterschiedlichen Wachstumsphasen Bargeld in sechsstelliger Höhe, eine scharfe Schusswaffe sowie zahlreiche weitere Beweismittel zutage, die sichergestellt wurden und im Rahmen der weitergehenden Ermittlungen ausgewertet werden.