Brilon/Arnsberg. Die Stadt Brilon hat eine Millionen-Klage auf dem Tisch. Ein Unternehmen aus Bayern hat nicht die vereinbarte Menge Borkenkäferholz erhalten.

Die Summe ist happig: 1,7 Millionen Euro hat die Stadt Brilon für eine „potenzielle Schadenersatzpflicht und mögliche Verfahrenskosten“ als Rückstellung nachträglich in ihre Haushaltsplanung 2022 aufgenommen. Grund: Im November ist die absehbare und befürchtete Klage eines süddeutschen Holzaufkäufers beim Landgericht Arnsberg eingegangen. Die Fa. HPT aus Feichten an der Alz (Landkreis Altötting) fordert von der Stadt Brilon 1.663.944,45 Euro - plus Zinsen und knapp 10.000 Euro Anwaltskosten.

Riesige Waldflächen - hier die Hilbringse, der Forstenberg und der Borberg bei Brilon - sind kahlgeschlagen und vom Käfer befallen. Unten  links die Hiebammen-Hütte.
Riesige Waldflächen - hier die Hilbringse, der Forstenberg und der Borberg bei Brilon - sind kahlgeschlagen und vom Käfer befallen. Unten links die Hiebammen-Hütte. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Den Anspruch macht das Unternehmen aus Bayern als Erstattung für entgangenen Gewinn geltend. Im September vergangenen Jahres hatte der Stadtforst mit dem Holzhändler aus Bayern einen Vertrag über 80.000 Festmeter (fm) Käferholz geschlossen. Damals erstickte die Stadt des Waldes in Holz. Seit dem Dürrejahr 2018 waren bis dahin schon rund 450.000 fm Kalamitätsholz angefallen - das 13-fache des üblichen und nachhaltigen Jahreseinschlags. 45 Prozent des Fichtenvorrats waren futsch, schätzte der Forstbetrieb.

Statt Waldhygiene nun Masseneinschlag

2020 hatte der Stadtforst - wie die ganze Branche - vor dem Borkenkäfer kapituliert. Statt aussichtslose Waldhygiene zu betreiben, wurde gesägt, was der Markt hergab. Der Preisverfall lockte Holzaufkäufer aus Süddeutschland an. Dort wütet der Käfer klimabedingt nicht so. „Wir wurden mit offenen Armen in Brilon empfangen“, beschreibt Thomas Pongratz, Geschäftsführer der Fa. HPT gegenüber der WP, seinen ersten Kontakt mit der Stadt des Waldes Anfang 2020. Das Käferholz habe als unverkäuflich gegolten. Pongratz: „Wir haben uns mit als erste getraut.“ Dazu habe man eigens ein Netzwerk aufgebaut und neue Absatzkanäle ins Ausland erschlossen.

Das Unternehmen, das nach Angaben des Geschäftsführers „eine mittlere sechsstellige Festmetermenge“ pro Jahr umsetzt, war indes nicht lange allein. Auch ein etablierter Großabnehmer war hinter dem Holz her und - so Pongratz - „wollte die Stadt an der ausgestreckten Hand verhungern lassen“.

80.000 Festmeter vereinbart

Erst durch sein Unternehmen habe wieder Wettbewerb eingesetzt. Pongratz erinnert sich, dass es lange „einen sehr freundlichen Umgangston“ im Forst gegeben habe. Im Spätsommer sei dann der Vertrag über die 80.000 Festmeter, mehr als der doppelte üblichen Jahreseinschlag, geschlossen worden.

50.000 Festmeter waren garantiert, die restlichen 30.000 Festmeter sollten abhängig von der Verfügbarkeit gemacht werden. Dass er in Brilon wegen des Holzkaufs vorstellig geworden sei, habe mit dem Bahnanschluss zu tun gehabt. Als Anfang diesen Jahres die Preise anzogen, kam der Holznachschub ins Stocken. Er habe deswegen sogar Züge absagen müssen, es sei „alles mit Mengen und Preisen terminiert“ gewesen. Er hätte ja sogar Verständnis gehabt, wenn kein Holz mehr verfügbare gewesen wäre: „Aber es ist ja welches da.“

Forstwirtschaftsplan

Seit 2018 sind rund 750.000 Festmeter Fichte aus dem Stadtwald genommen worden.

Das sind der 22fache Jahreseinschlag und rund 75 Prozent des gesamten Fichtenvorrats.

In 2022 will der Stadtforst 130.000 Festmetern Fichten-Kalamitätsholz einschlagen.

Rechnet der Forstbetrieb in diesem Jahr wegen der gewaltigen Verkaufsmengen mit einem Überschuss von rd.1,5 Millionen Euro, so ist für 2022 ein Defizit von 0,61 Millionen Euro angesetzt.

Nach Informationen der WP geht es in der Klage um rund 32.000 Festmeter, die das Unternehmen aus Bayern nicht mehr erhalten hat. Pro Festmeter macht die Fa. HPT einen Gewinnausfall von etwas über 50 Euro, je nach Charge, geltend.

Die Stadt Brilon gab auf Anfrage der WP zu dem Verfahren keine Stellungnahme ab. Zum einen, weil generell, so Bürgermeister Dr. Christof Bartsch, öffentlich keine Auskünfte zu Vertragsangelegenheiten gegeben werden, die ja die Rechte Dritter berühren. Und zum anderen, weil „eine an die Öffentlichkeit gerichtete Auskunft in einem laufenden Prozess bereits gemeinderechtlich unzulässig“ sei.

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Am Landgericht Arnsberg ist das Verfahren bei der Kammer für Handelssachen gelandet. Derzeit läuft dort noch die Frist zum Austausch von Schriftsätzen.

Größter Abnehmer von Fichtenholz aus dem Briloner Stadtforst ist die Fa. Egger. Das 2008 eröffnete Sägewerk hat einen gewaltigen Bedarf. Das Unternehmen gibt seine Einschnitt-Kapazität mit rund 800.000 Festmetern pro Jahr an. Das gewaltige Holzlager fällt ins Auge. Darüber hinaus hat das Unternehmen in der Region verschiedene Rundholzlager errichtet.

Weitere 14 ha Fläche in der Balgert

Auch in der Balgert selbst beginnt das Unternehmen mit dem Aufbau eines Holzlagers. Östlich an das Sägewerk angrenzend hatte Egger schon 2018 die Erweiterung seiner Fläche um einen rund 200 m breiten Streifen - insgesamt eine rund 14 Hektar große Fläche - beantragt, um dort Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe zu lagern sowie Platz für weitere Betriebsanlagen zu schaffen.

Blick über das Egger-Gelände. Hinten rechts zu erkennen: die neue, 14 Hektar große Erweiterungsfläche, auf der zurzeit ein temporärer Holzlagerplatz aufgebaut wird.
Blick über das Egger-Gelände. Hinten rechts zu erkennen: die neue, 14 Hektar große Erweiterungsfläche, auf der zurzeit ein temporärer Holzlagerplatz aufgebaut wird. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Im Frühjahr diesen Jahres erteilte die Stadt dem Unternehmen die Genehmigung zur Errichtung eines temporären Holzlagerplatzes. Die politischen Gremien waren laut Auskunft der Stadt nicht involviert, wohl aber die Naturschutz- und Umweltbehörden. Auf dem Gelände war der beim Bau des Sägewerks angefallene Mutterboden deponiert worden.

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Der, so die Stadtverwaltung im Frühjahr zur WP, sollte auf dem Gelände verbleiben, wobei „die Beibehaltung der Qualität des Bodens durch den Bauherrn sicherzustellen“ sei. Laut § 202 Baugesetzbuch ist Mutterboden „in nutzbarem Zustand zu erhalten und vor Vernichtung oder Vergeudung zu schützen.“

Eine Bevorratung ist angesichts der riesigen Kahlflächen in der Region sinnvoll, denn „in Zukunft“, so jüngst Brilons Forstamtsleiter Dr. Gerrit Bub bei Vorstellung des Forstwirtschaftsplanes 2022, „werden wir immer weniger Holz zum Vermarkten haben“.