Winterberg. Der Pflegenotstand macht auch vor Winterberg nicht halt. Jenalyn Scharr spricht über Ursachen und Konsequenzen von getroffenen Maßnahmen.
Die Aufrufe sind alleine schon in Winterberg zahlreich. Altenpflege, Pflegehilfskräfte, Pflegekraft...Freie Stellen gibt es reichlich. Auf Seite der Interessenten sieht es allerdings ganz anders aus.
Sei es das Haus Waldesruh oder das Krankenhaus in Winterberg, Pflegepersonal bleibt gefragt. Das merkt auch Jenalyn Scharr, Leiterin von Apocare in Winterberg. „Das Thema Pflegenotstand begleitet mich schon seit meiner Ausbildung. Es ist unglaublich schwierig, Leute zu finden, die auch qualifiziert sind.“ Dabei ist die Zahl der Beschäftigten in Pflegeberufen im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen im Corona-Jahr 2020 sogar gestiegen. Nach Daten vom September 2020 waren insgesamt gut 393.700 Beschäftige in der Gesundheits- und Altenpflege tätig. Das waren rund 10.500 Personen oder 2,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Seit 2016 stieg die Zahl der Beschäftigten in den Pflegeberufen in NRW um gut 53.000 Personen oder 15,8 Prozent. Doch der Bedarf bleibt hoch.
Für Scharr bringt der Beruf verschiedene Hürden mit, die ihn auf den ersten Blick vielleicht unattraktiv erscheinen lassen. „Wir bauen darauf, dass die Arbeitnehmer eine vollständige Ausbildung durchlaufen haben, aber die Pflegeschulen sind mit Olsberg und Meschede je nach Wohnsitz beispielsweise auch ein Stück entfernt. Die meisten haben zu Beginn der Ausbildung noch gar keinen Führerschein. Mit Bus und Bahn die Strecken bewältigen schreckt sicher auch ab.“
Ausbildung in Pflegeberufen hat sich verändert
Die Ausbildung wurde im vergangenen Jahr extra verändert. Seitdem gibt es eine generalistische Ausbildung bei der die bislang getrennten Ausbildungen in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege zusammengelegt wurden. Damit soll die Attraktivität des Pflegeberufes nachhaltig gesteigert werden. Auch weil ein leichterer Wechsel zwischen den verschiedenen Bereichen der Pflege möglich ist und so ein höheres Maß an Flexibilität am Arbeitsmarkt entsteht. Auch die Patientinnen und Patienten profitieren: Die Generalistik leistet einen wichtigen Beitrag, um die sich verändernden Versorgungsbedürfnisse in einer alternden der Bevölkerung umfassend aufzugreifen.
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„Ich denke, dass die Altenpflege darunter leiden wird. Viele wollen lieber ins Krankenhaus und versuchen es gar nicht erst, in der Altenpflege zu arbeiten. Das Image ist dort seit Jahren schlecht“, sagt Jenalyn Scharr. Der Aufbau der Pflegekammer in NRW soll da helfen. Sie hat die Aufgabe, die beruflichen Belange der Pflegenden zu fördern. Groß ist der Ärger über die Zwangsmitgliedschaft: Alle dreijährig ausgebildeten Pflegefachkräfte in NRW müssen sich für die Kammer registrieren und einen noch nicht genannten Beitrag zahlen. Scharr ist unsicher, ob die Kammer wirklich etwas positives bewirken wird mit Blick auf den Mangel an Pflegekräften.
Enorme Belastung im Pflegeberuf
Ein weiteres Problem ist die enorme Belastung, die ein Job in der Pflege mit sich bringt. Stellenweise gibt es Patienten mit einem hohen Pflegegrad, die entsprechend viel Unterstützung brauchen. Das macht den Arbeitsalltag für die Pflegekräfte zu einer körperlichen Herausforderung. Die Folge sind Krankschreibungen des Personals. „Mir fehlen alleine heute schon zwei Kolleginnen, weil sie Schmerzen in der Schulter haben. Dieser Beruf sorgt für Belastungen, sei es in der Schulter oder in den Knien. Die Gelenke werden stark beansprucht“, erklärt Scharr. Die Ausfälle bedeuten mehr Arbeit für die anderen Kollegen und damit eine höhere Belastung. Ein Teufelskreis. Die 36-Jährige versucht, die Situation optimistisch zu sehen: „Wenigstens ist klar, dass die Kolleginnen nur ein paar Tage ausfallen. Schlimmer ist es, wenn die Rückkehr zunächst ungewiss ist.“