Winterberg. Die Corona-Krise belastet Pflegedienste enorm. Seit Monaten ist der ohnehin harte Job noch härter. Ein Einblick in die Branche aus Winterberg.
Die Angst war auf beiden Seiten vorhanden. Viele Haushalte, naher Kontakt zu Menschen und Schutzmaterial, das nur schwer zu bekommen war. Eine Kombination, die zu Beginn der Corona-Pandemie nicht ungünstiger hätte sein können. Aber sie gehörte zum Alltag in der ambulanten Pflege. Auch bei Apocare in Winterberg. Manche Probleme lösten sich mit der Zeit. Aber stellenweise wurden sie einfach durch andere ersetzt. Pflegedienstleitung Jenalyn Scharr und Geschäftsführerin Monika Brieden erzählen von einem Beruf mit vielen aufreibenden Herausforderungen für Körper und Psyche am Tag.
„Die Transparenz von Seiten der Regierung fehlte. Wir wurden viel zu spät informiert“, sagt Scharr mit Blick auf die Probleme zu Anfang der Pandemie. Während Arztpraxen schon im April 2020 Konzepte für die Testung von Mitarbeitern vorgelegt bekommen hätten, musste sich das Team bei Apocare selbst ein Konzept überlegen. Unfair findet die 36-Jährige aus Hesborn.
Arbeit miteinander änderte sich radikal
Beginn der Rente
Apo-Care startete 1989 mit zwei Personen in Brilon. „Wir starteten damals Pionierarbeit mit den Krankenkassen“, erinnert sich Monika Brieden. Das Einzugsgebiet reichte von Brilon über Marsberg bis Willingen und Medebach. Mit der Zeit wurde es zu groß und 1994 trennte Brieden den Sitz in Brilon ab und ließ sich in Winterberg nieder. 46 Mitarbeiter hat sie mittlerweile und über 200 Kunden. Zum Ende des Monats geht die 67-Jährige in Rente und übergibt die Geschäftsleitung an Jenalyn Scharr. „Ich schaue mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die Zeit vor mir“, sagt Brieden, „Apocare ist und war mein Herzstück und ich habe die Arbeit immer sehr gerne gemacht.“Scharr arbeitet mittlerweile seit fünf Jahren bei Apocare und beendete 2014 ihre Ausbildung zur Altenpflegerin. Ihr war schon vorher klar, dass sie nicht den Rest ihres Lebens an den Betten der Kunden stehen würde und freut sich auf die organisatorischen Aufgaben.
Schutzausrüstung war limitiert. Desinfektionsmittel gab es nur noch im 5 Liter Kanister. Der passt nicht in die Tasche, um vor und nach dem Besuch beim Kunden beziehungsweise Patienten schnell die Hände zu desinfizieren. Umfüllen darf man die Inhalte laut Scharr nicht. FFP-Masken gehören zum Alltag wie Handschuhe und gegebenenfalls Visiere und Schutzkittel. Während die Mengen bei der Beschaffung mittlerweile kein Problem mehr sind, ist es jetzt durch die gestiegene Nachfrage der Preis. „Handschuhe kosten jetzt fast das doppelte im Vergleich zu vor der Pandemie. Wir hatten noch einen Vorrat, daher kamen wir gut aus“, sagt Monika Brieden.
Aber nicht nur in puncto Ausstattung musste sich das Personal umstellen. Auch die Arbeit miteinander änderte sich radikal. Dienstbesprechungen im Büro entfallen seit vielen Monaten, weil der Abstand nicht eingehalten werden kann. Stattdessen gibt es viele Telefonate und schriftliche Übergaben. Der kollegiale Aspekt geht verloren. Eine unschöne Situation für die Mitarbeiter findet Brieden. Touren finden morgens nicht mehr gleichzeitig an und enden nicht zeitgleich, damit es im Büro nicht zu einem Gedrängel kommen kann.
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Zwischenmenschlich sein – aber mit Abstand
Auch Angst begleitete das Pflegeteam. „Viele haben Familien und es war lange nicht klar, wie sich Corona bei Kindern auswirkt. Wie würden die das wegstecken? Das begleitet einen im Beruf“, sagt Scharr, „Das merkten wir auch im Umgang mit den Patienten. Normalerweise geht es dort viel um Zwischenmenschliches, aber das fand automatisch plötzlich mit mehr Abstand statt, was wir eigentlich nicht machen.“ Ein Umstand, der auf Gegenseitigkeit beruhte, denn auch die Kunden sorgten sich. Sie trugen Masken, wenn es das Krankheitsbild zuließ oder Verwandte übernahmen die Versorgung, wo es möglich war.
Impfangebot lindert zumindest den Angst-Aspekt
Für noch mehr Sicherheit sorgten die freiwilligen Tests, die Apocare den Mitarbeitern anbieten musste. Zunächst drei Mal die Woche, mittlerweile noch zwei Mal. „Wir merkten, wie ängstlich wir waren, wenn eine Kollegin beispielsweise einen Schnupfen hatte. Da gab es direkt einen Test und für drei Tage musste jemand anderes einspringen“, erklärt Brieden. Flexibilität ist gefragt. Schwierig, denn die Branche leidet an Personalmangel. Schwierig, wenn Kinder wegen Homeschooling oder Quarantäne in der Kita daheim sind und die Eltern eingespannt sind. Schwierig, wenn eine examinierte Arbeitskraft auch nur durch eine examinierte Arbeitskraft ersetzt werden kann. Im Moment gibt es laut Brieden genug Personal bei Apocare. „Dafür gibt es in dem Beruf aber einen hohen Krankenstand. Personal finden, das dann einspringen kann, kostet Zeit und die Mitarbeiter gehen schon lange bis an ihre Grenzen.“
Das Impfangebot lindert zumindest den Angst-Aspekt ein Stück weit. Mehr als 50 Prozent des Personals sind mittlerweile geimpft. Womit der nächste Problempunkt für die Bürokräfte auf den Plan tritt: Bürokratie, die seit Corona kein Ende nimmt. Alleine für die Impfungen musste Monika Brieden genug Papiere ausfüllen lassen und unterschreiben, dass sie in ein Paket passten.Und trotz all der Belastungen mögen beide ihren Beruf. Kümmern sich nicht nur um die Kunden, sondern auch um die Auszubildenden. Scharr: „Mittlerweile ist der neue Alltag zur Gewohnheit geworden.“