Altkreis. Bromskirchen und Allendorf gehen eine Städte-Ehe ein. Ist so etwas auch bei uns denkbar? Wie beurteilen unsere Bürgermeister solche Fusionen?
Die Städte im Altkreis Brilon haben untereinander Berührungspunkte und viele Gemeinsamkeiten. Es gibt jede Menge Möglichkeiten, Synergien zu nutzen. Aber, ihre Eigenständigkeit und ihr eigenes Profil sind den Kommunen sehr wichtig. Im Zusammenhang mit der Fusion der Gemeinden Allendorf und Bromskirchen haben wir die sechs Bürgermeister bzw. Ihre Vertreter um Einschätzungen gebeten.
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Inwieweit gibt es in Ihrer Stadt bereits Kooperationen mit Nachbarstädten?
Dr. Christof Bartsch (Bürgermeister Brilon): Kooperationen gibt es im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit in den Bereichen Forst (mit Diemelsee und Olsberg), Tourismus (Olsberg), Nachwuchsgewinnung (Olsberg), Entwicklung digitaler Verwaltungsdienstleistungen (Städte und Gemeinden des HSK), VHS (Olsberg, Marsberg), Gewerbegebietsentwicklung (Olsberg, Bestwig), in verschiedenen Zweckverbänden (z.B. Naturpark Diemelsee), Energieversorgung (Waldeck-Frankenberg) und anderen mehr.
Enrico Eppner (Bürgermeister Hallenberg): Die Städte Winterberg, Medebach und Hallenberg haben schon 2018 vereinbart, die Herausforderungen zur interkommunalen Zusammenarbeit anzunehmen und diesen Prozess durch eine gebildete Projektgruppe „Interkommunale Zusammenarbeit (IKZ)“ gemeinsam weiter voranzutreiben. Das Ziel, Synergien zu erkennen, Kräfte zu bündeln und Kosten zu sparen, wird weiterhin forciert. So betreibt die Stadt Medebach erfolgreich die Vergabestelle für Hallenberg mit, aktuell läuft ein Pilotprojekt, in dem Hallenberg für die Stadt Medebach die Außenvollstreckung mitbedient. Unter dem Mantel der Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH finden auch die Hallenberger Touristikbetriebe einen sicheren Platz. Schnittmengen darüber hinaus, zwischen Winterberg, Medebach und Hallenberg sind denkbar und gewünscht. Weiterhin sind Potentiale vorhanden, welche gehoben werden sollen. Auch mit der Nachbargemeinde Bromskirchen gibt es Kooperationen, so gibt es als „Backup“ beispielsweise eine Trinkwasserverbindung, welche im Bedarfsfall nach Bromskirchen liefert.
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Klaus Rosenkranz (Leiter des Haupt- und Personalamtes Marsberg): Im Hochsauerlandkreis gibt es verschiedenste Projekte interkommunaler Zusammenarbeit, wie z. B. der Zweckverband der VHS Brilon, Marsberg, Olsberg. Die Stadt Marsberg betreibt jedoch weder einen gemeinsamen Bauhof noch eine Verwaltungsgemeinschaft mit einer Nachbarkommune.
Thomas Grosche (Bürgermeister Medebach): Auf diesem Gebiet sind wir schon seit mehreren Jahren insbesondere mit unseren Nachbarstädten Hallenberg und Winterberg erfolgreich unterwegs. So übernimmt Hallenberg für uns die Außenvollstreckung, Winterberg die Veranlagung der Kindergarten und OGS-Beiträge. Im Gegenzug fungieren wir als Vergabestelle für Hallenberg und Winterberg. Auch die Kooperation bei den weiterführenden Schulen ist beispielhaft. Aktuell führen wir gemeinsam ein Datenmanagement-System ein. Unsere Räte haben zudem schon weitere mögliche Kooperationsfelder beschlossen, die wir nach und nach auf Sinnhaftigkeit überprüfen. Dies läuft immer auf Augenhöhe und nach dem Motto „Alles kann, nichts muss!“ Wir machen interkommunale Zusammenarbeit nicht als „Beschäftigungstherapie“, sondern nur dann, wenn es einen Mehrwert bringt. Sei es bei der Servicequalität oder finanziell. Als nächstes sitzen wir im April u. a. zum Thema Jobcenter zusammen. Auch mit unseren hessischen Nachbarkommunen arbeiten wir gerne und gut zusammen. Hier sind wir Teil des Kommunalen Serviceverbundes Eisenberg.
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Wolfgang Fischer (Bürgermeister Olsberg): Im Rahmen der Interkommunalen Zusammenarbeit pflegt die Stadt Olsberg seit vielen Jahren erfolgreiche Kooperationen mit Nachbarkommunen. So ist die Hochsauerlandwasser GmbH (HSW), welche die Stadt Olsberg gemeinsam mit der Stadt Meschede und der Gemeinde Bestwig ins Leben gerufen hat, seit 2006 für die Trinkwasserversorgung der Gesellschafterkommunen zuständig, seit dem Jahr 2010 für Unterhaltung und Betrieb der Straßenbeleuchtung, seit dem Jahr 2009 für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Seit 2009 gibt es das Kommunalunternehmen HochsauerlandEnergie GmbH (HE) – gemeinsam mit der Stadt Meschede, der Gemeinde Bestwig und der Stadt Lippstadt. Im Bereich Touristik arbeitet die Stadt Olsberg mit der Stadt Brilon zusammen; seit vielen Jahren gibt es im Bereich der Bildung eine Kooperation im Zweckverband der VHS Brilon, Marsberg, Olsberg. In der Zukunft könnte es möglicherweise eine weitere Zusammenarbeit mit der Stadt Brilon im Bereich Klimaschutz geben.
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Michael Beckmann (Bürgermeister Winterberg): Bereits seit 2012 arbeiten wir mit Hallenberg im Tourismus im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft eng zusammen. Anfang 2017 haben wir uns gemeinsam mit Hallenberg und Medebach dazu entschieden, die Interkommunale Zusammenarbeit über diese Kooperationen hinaus auszudehnen und zu fördern. Mit der NRW.Bank konnte eine kostenlose und fachlich versierte Begleitung als Berater und Moderator für diesen Prozess gewonnen werden. Eine Projektgruppe hat dann in mehreren Sitzungen Themenfelder und Kooperationsfelder lokalisiert und einen Leitfaden für mögliche Bereiche der IKZ in den nächsten Jahren zusammengestellt. Genau diesen haben die drei Räte als Handlungsleitfaden für das weitere Vorgehen in den nächsten Jahren beschlossen. So werden wir im nächsten Schritt eine engere Zusammenarbeit im Bereich der Job-Center besprechen. Auch bei den weiterführenden Schulen arbeiten wir im Bereich des Schulzweckverbandes Medebach-Winterberg seit 2017 sehr eng zusammen. Seit Anfang 2019 arbeiten wir gemeinsam mit Medebach in den Bereichen der Vergabestelle und der Erhebung von Elternbeiträgen für Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflege und die Offene Ganztagsschule zusammen. Natürlich sind wir auch in interkommunale Netzwerke wie „Leader“ eingebunden.
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Ist eine Fusion mit einer Nachbarstadt denkbar?
Dr. Christof Bartsch: Grundsätzlich ist eine Fusion natürlich denkbar, derzeit aber in keiner Form geplant oder beabsichtigt.
Enrico Eppner: Es gibt nichts, was nicht denkbar wäre, jedoch sind wir akut auf einem guten Weg und stetig in engem Austausch. Von daher gibt es gegenwärtig keinen Grund über Fusionen nachzudenken.
Klaus Rosenkranz: Diese Frage ist derzeit kein aktuelles Thema.
Thomas Grosche: Man soll ja niemals nie sagen, aber aus meiner Sicht ist das aktuell kein Thema. Ich bin, wie zuvor dargestellt, ein großer Freund interkommunaler Kooperationen. Auf Überlegungen zu einer Fusion bin ich in Medebach in den ganzen Jahren seit 2009 aber auch nie angesprochen worden.
Wolfgang Fischer: Nein. Weder sachlich noch rechtlich ist die Situation im HSK mit dem Fall Bromskirchen/Allendorf vergleichbar. Allein die Rechtslage im Land NRW ist komplett anders.
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Michael Beckmann: Das ist natürlich eine spannende Frage. Ich würde nichts mehr ausschließen wollen. Die Pandemie hat gezeigt, dass wir bei sich völlig dynamisch verändernden Anforderungen, die auch langfristig auf unsere Gesellschaft Einfluss haben, auch gänzlich neu denken müssen. Aktuell ist das jedoch kein Thema. Zumal ein Zusammenschluss mit anderen Kommunen im letzten Jahr, auch und gerade mit Blick auf den intensiven Wahlkampf in Winterberg seitens der Bürgerinnen und Bürger nicht angesprochen wurde. Die Themen, die unsere Bürgerinnen und Bürgern berühren, haben wir ja gerade mit dem ersten Haushalt der neuen Wahlperiode angestoßen.
Welche Chancen/Gefahren sehen Sie in Kooperationen bzw. Fusionen?
Dr. Christof Bartsch: Die Chancen sind in dem Prozess Bromskirchen/Allendorf weitgehend und als Grund für diese Fusion beschrieben. Dort wird auch deutlich, dass die Fusion das Ende einer langen Entwicklung des kontinuierlichen Zusammenwachsens ist, so dass damit auch ein langfristiger Gewöhnungs- und Übungsprozess verbunden war. Gefahren sehe ich in erster Linie darin, dass eine mögliche Fusion zum falschen Zeitpunkt vollzogen wird, d.h. verfrüht, also, wenn die Zeit noch nicht reif dafür ist. Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger müssen dies wollen, denn ein Stück der eigenen Identität, die sich über die Historie und die Besonderheiten der je eigenen Stadt oder Gemeinde definiert, wird aufgegeben.
Enrico Eppner: Eine Fusion kann für einzelne Identitätsverluste bedeuten, in unserem Fall der Kooperationen überwiegen aber die Vorteile. Die drei Städte im Südkreis bewerten in enger Abstimmung, wo der Synergieeffekt greift und wo vielleicht weniger. Gemeinsam wird dann abgewogen und ggf. die Zusammenarbeit vollzogen.
Klaus Rosenkranz: Kooperationen an Stellen, wo es Sinn macht, bieten die Chance Kostenreduzierungen durch Skaleneffekte zu erzielen. Sie müssen aber von einer breiten Mehrheit in der Politik und Bevölkerung getragen werden.
Thomas Grosche: Bei einer Fusion geht immer auch ein Stück Identität und dadurch ehrenamtliches Engagement verloren. Unsere Stärke als kleinere Verwaltungen im ländlichen Raum sind Bürgernähe und Servicequalität. Diese kann bei Kooperationen gut gewahrt bleiben und wirtschaftlich erfüllt werden.
Wolfgang Fischer: Kooperationen bieten die große Chance, gemeinsam für die Bürgerinnen und Bürger Angebote vorzuhalten, die für einzelne Kommunen nicht oder nur mit hohem Aufwand möglich wären. Insofern sind Kooperationen – mit richtigen und vernünftigen Strukturen – sogar eine Möglichkeit, Kommunen in ihrer Eigenständigkeit zu stärken. Auch wirtschaftliche Synergieeffekte sind möglich. Wichtig ist, dass Kooperationen einen breiten Rückhalt in der Politik vor Ort und natürlich auch in der Bürgerschaft haben.
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Michael Beckmann: Interkommunale Zusammenarbeit ist eine wichtige Handlungsalternative für uns Städte. Es gibt viele Gründe, gemeinsam und partnerschaftlich die vorhandenen Aufgaben zu erfüllen. So können wir als Dienstleister für unserer Bürgerinnen und Bürger in Zukunft die gewünschten und erforderlichen Standards und die Dienstleitungsqualität für unsere Bürgerinnen und Bürger erhalten oder sogar noch erhöhen. Gleichzeitig kann effizienter, schneller, transparenter und wirtschaftlicher gearbeitet werden. Eine noch engere interkommunale Zusammenarbeit im Bereich der Wirtschaftsförderung, der Digitalisierung oder einer nachhaltigen Stadtentwicklung ist wünschenswert und vorstellbar. Allerdings ist am Ende Größe nicht alles. Wir müssen bei allen Entscheidungen im Bereich der Interkommunalen Zusammenarbeit immer auch bedenken, dass es von Altastenberg bis Züschen Besonderheiten gibt, die unsere Region erst so lebendig und liebenswert macht und die wir nicht gefährden dürfen. Dazu kommt, dass die räumliche Distanz zwischen den Städten bei uns im Sauerland heute schon eine Herausforderung für die Mobilität ist, sodass viele persönliche Dienstleistungen trotz Digitalisierung auch weiterhin ortsnah angeboten werden sollten. So sichern wir auch das wichtige Band zwischen Stadt und Bürgerinnen und Bürger, welches sich auch in dem hohen ehrenamtlichen Engagement der Bürgerinnen und Bürger in allen Städten ausdrückt. Denn nur, wenn sich Bürgerinnen und Bürger in unserer Stadt wohlfühlen, sind sie bereit, sich ehrenamtlich zu engagieren und damit unsere Stadt so liebens- und lebenswert zu machen.