Brilon. 23 Erstklässler der Engelbert-Grundschule in Brilon kamen für einen Moment zusammen, der lange in Erinnerung bleiben wird. Das steckt dahinter.

An einem ganz besonderen Ort in Brilon war in der vergangenen Woche am Freitag ein ganz besonderer Tag, der vor allem 23 Erstklässlern der Klasse 1b der Engelbert-Grundschule wahrscheinlich ein Leben lang in Erinnerung bleiben wird.

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„Wir wollten in diesem Jahr unser 800. Stadtjubiläum feiern, aber Corona hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Als die Kindergärten und Schulen im März geschlossen wurden, musste auch unser Stadtesel Huberta in Quarantäne und in seinem Stall im Museums Haus Hövener bleiben“, erklärte Winfried Dickel (Vorsitzender Heimatbund Semper Idem) den Kleinen, die mit großem Mundschutz im Gesicht interessiert zuhörten.

Huberta schreibt für Kinder in Brilon

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Huberta habe nicht die Eselsohren hängen lassen, sondern aufgepasst, was sich in der Stadt und den Dörfern zutrug „und hat jeden Tag eine Geschichtsgeschichte geschrieben. Am Tag des Baumes schrieb Huberta über Lindenbäume und versprach einen zu pflanzen, sobald die Schulen wieder geöffnet haben. Das ist jetzt auch Euer ganz besonderer Baum. Ihr werdet sehen, dass er genauso wächst, wie Ihr auch wachst.“

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„An dieser Stelle wurde in den letzten 800 Jahren Stadtgeschichte geschrieben“, begrüßte Winfried Dickel neben Bürgermeister Dr. Christof Bartsch auch Mitglieder des Heimatbundes, der Stadtführergilde, des Museumsteams, Damen der Gewandschneyderey und die Erstklässler mit ihren Lehrerinnen an dem Platz, an dem in der Reichspogromnacht am 9. November 1939 die Synagoge abgebrannt wurde.

Lindenbaum zum 800. Stadtjubiläum in Brilon

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„Wir pflanzen zu unserem 800. Stadtjubiläum an diesem besonderen Ort einen Lindenbaum als Friedensbaum. Gibt es dafür einen besseren Platz? Um den Baum bezahlen zu können, hatten wir einen bedeutend kleineren ausgesucht“, freute sich Winfried Dickel, dass das Gartencenter Meckelburg einen 4,50 hohen Baum spendete und auch noch fachgerecht in den Boden setzte. „Wir pflanzen den Lindenbaum hier auch zur Mahnung: Früher waren es an dieser Stelle die Hexen und die Juden. Heute sind es an anderer Stelle die Schwarzen, Muslime, Flüchtlinge, morgen können es die Christen sein.

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Warum wurde ein Lindenbaum gewählt, das erläuterte Museums-Waldpädagogin Apollonia Held-Wiese den Kindern. „Lindenbäume sind ganz besondere Bäume, es sind Herzbäume, denn sie haben eine Krone und Blätter wie ein Herz. Ihr könnt immer sagen, dass Ihr im ersten Schuljahr diesen Baum von Herzen gepflanzt habt, für den Frieden in der Welt. Und Ihr müsst immer mal gucken, ob er gewachsen ist.“

Kinder legen selbst Hand an

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Die Kinder hatten Schüppen mitgebracht und schaufelten mit Freude Acker in das Pflanzloch. Sie hörten auch gut zu, als die Waldpädagogin dann das Gedicht „Am Brunnen vor dem Tore“ vortrug und sagte, dass Linden bis zu 800 oder sogar 1.000 Jahre alt werden können. Es passte sehr gut, dass die Erstklässler an diesem Tag den Buchstaben „L“ gelernt hatten, berichtete Klassenlehrerin Vera Tillisch.

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Bürgermeister Dr. Bartsch betonte: „Wo Recht gebrochen worden ist, setzen wir einen Lindenbaum. Er hat auch eine Bedeutung für den Frieden. Früher wurde vielfach Recht unter einem Lindenbaum gesprochen. Ihr habt das „L“ gelernt“, wies der Bürgermeister darauf hin, dass der Buchstabe auch in „lindern“ vorkomme und Arzneien aus Lindenblüten hergestellt werden. „Das Herz steht für Liebe und Gemeinschaft der Menschen und Ihr habt heute eine tolles Zeichen gesetzt.“

Huberta-Malbuch als Andenken der Stadtgeschichte

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Zum Abschluss erhielt jedes Kind ein Huberta-Malbuch mit der Stadtgeschichte und einen Lindensetzling im Topf zum Mitnehmen. Und den Tipp, wenn sie den Lindenbaum mal besuchen, eine Flasche mit Wasser zum Gießen mitzubringen. „Wenn Ihr mal Omas und Omas seid, ist auch Euer Lindenbaum groß geworden“, meinte die Klassenlehrerin zu ihren I-Männchen.

Hexen eingesperrt

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„An dieser Stelle verlief die 2,50 m hohe Stadtmauer und etwas oberhalb stand der Fangenturm, in dem auch angebliche Hexen eingesperrt waren,“ erklärte Winfried Dickel den Teilnehmern. „Dieser Stadtgraben war als ‘Armengraben’ bekannt und hier war auch der Holzplatz. Bürger, die keinen Esel oder andere Transportmöglichkeiten hatten, konnten hier ihr Holz abholen. Auch die bei den großen Stadtbränden nicht verbrannten Balken, wurden hier gelagert und später für neue Häuser verwendet. Schausteller wie Seiltänzer und Stelzenläufer führten ihre Kunststücke hier auf.“

Synagoge in Brilon angezündet

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1929 schenkte die Stadt der jüdischen Gemeinde dieses Grundstück zum Bau einer Synagoge. Sie wurde 1931 eingeweiht. Über einen Treppenaufgang an der Friedrichstraße gelangte man hinein. Der 9. November 1938 war und ist ein schlimmes Kapitel der Stadtgeschichte. Briloner aller Konfessionen hatten seit langer Zeit friedlich als Nachbarn gewohnt. Dann wurde Hass gesät, und in der Reichspogromnacht steckten Briloner das Gotteshaus ihrer Mitbürger an. Es wurde vollständig zerstört.

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Zur Mahnung, dass so etwas nie wieder geschehen darf, errichtete die Stadt Brilon hier einen Gedenkstein. Der Heimatbund hat ihn mit einer Spende der Sparkasse bezahlt. Vor zwei Jahren stellte die Stadtgilde des Heimatbundes den Grundriss der Synagoge durch Wegplatten wieder dar und errichtete die beiden Säulen, welche einst die Empore trugen.