Bad Berleburg/Rückershausen. Vier Wittgensteiner Wintersportler schaffen es in die Nachwuchs-Bundeskader, bei einem wird noch verhandelt. Positive und negative Überraschungen
Nicht immer waren die Westdeutschen Wintersportler in den vergangenen Jahrzehnten glücklich, wenn es bei knappen Personalentscheidungen Enttäuschungen gab, wenn Sportler der etablierten Stützpunkte bei Kann-Entscheidungen die etwas stärkere Lobby hinter sich wussten. Diesmal gab es indes auch positive Überraschungen, als in den vergangenen Tagen bei den Trainerklausuren des Deutschen Skiverbandes die Plätze in den Bundeskadern vergeben wurden. Vier Wittgensteiner sind bereits „drin“ – nicht in allen Fällen war dies selbstverständlich.
Biathlon
Beispiel Lilli Bultmann: Die Skijägerin des VfL Bad Berleburg hatte sich nach allerlei gesundheitlichen Malaisen im Herbst und frühen Winter gedanklich schon von der erneuten „Quali“ für den Kader verabschiedet und liegt als Siebzehnte in der Deutschlandpokal-Gesamtwertung der Jugend I (AK 17) weit hinter den Plätzen, die für den Kaderstatus obligatorisch sind.
Mit dem Gewinn der Deutschen Jugendmeisterschaft im Sprint ist ihr Anfang März jedoch so etwas wie ein Lucky Punch geglückt. Der Sieg trotz widriger Umstände und vielen verlorenen Trainingswochen machte Eindruck bei den DSV-Nachwuchstrainern – die (noch) 16-Jährige ist deshalb wieder dabei im Nachwuchskader II des DSV, wird also weiter bei Trainings- und Fördermaßnahmen berücksichtigt. Zudem werden große Teile der Kosten für den Besuch des Sportinternats in Willingen übernommen.
„Wir hatten vor, für Bultmann einen Krankenstatus zu beantragen, aber das war gar nicht mal nötig“, berichtet Jochen Behle, Sportdirektor des Westdeutschen Skiverbandes, aus der entscheidenden Videokonferenz. „Sie ist einfach ein Talent und man hat sich bei natürlich auch daran erinnert, dass sie im letzten Jahr die Nummer Eins in ihrer Altersklasse war.“
Vom SC Willingen ist außerdem Marie Zeutzschel im NK-II-Kader, über Hannah Möller diskutiert der DSV noch. Knapp verpasst hat den Kader Lisa Witten vom VfL Bad Berleburg. „Sie war aber nah dran und hat sich gut entwickelt, ihr Name ist diskutiert worden“, verweist Behle darauf, dass Wittens Sieg beim Herbst-Massenstart (Crosslauf) sowie die Bronzemedaille bei der Jugend-DM im Massenstart für Aufsehen gesorgt haben.
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„Lisa wird die Chance haben, sich im Alpencup oder im IBU-Junior-Cup international zu zeigen“, sagt Behle. Gleiches gelte für Marie Hubl aus Mademühlen (Dillkreis).
Welchem Bundeskader Maren Hammerschmidt (SK Winterberg), 2017 Staffel-Weltmeisterin mit dem deutschen Team, zugeordnet wird, erfuhr unsere Redaktion noch nicht. Klar ist: Bundestrainer Kristian Mehringer hat Hammerschmidt weiter auf der Rechnung – ob für den Welt- oder IBU-Cup wird maßgeblich von den Sommer- und Herbstleistungen abhängen.
Skilanglauf
Frohe Kunde für den heimischen Stützpunkt gab es aus der Konferenz zu den Kadern im Skilanglauf.
Neben Ilva Kesper (SC Willingen) wurde aus der Winterberger Trainingsgruppe auch Juniorenläufer Birger Hartmann (VfL Bad Berleburg) berufen, nämlich in den Ergänzungskader. Dem gehören laut Definition des Deutschen Olympischen Sportbundes Athleten an, die als wichtige Trainingspartner die Leistungsentwicklung von Spitzenathleten unterstützen oder solche, die in gut begründeten Einzelfällen, etwa als Quereinsteiger, schnell den Sprung in den Olympia- oder Perspektivkader schaffen könnten.
„Hartmann ist sehr zielstrebig und bringt eine gute Grundlagenausdauer mit, von daher traue ich ihm zu, dass er noch einen Schritt weitergehen kann“, sagt Behle, der schon bei der Sommerleistungskontrolle von der forschen, aktiven Renngestaltung des Wittgensteiners recht angetan war.
Nach Jahren im Mittelfeld der Biathlon-Ergebnislisten (Behle: „Da war er läuferisch schon top, hat aber zu viel Zeit am Schießstand gebraucht“) war der Gewinn der Deutschen Juniorenmeisterschaft im Teamsprint gemeinsam mit Jan Stölben (SK Wunderthausen) das erste nationale Spitzenergebnis für Hartmann, der wegen der Streichergebnis-Regelung im Deutschlandpokal von Platz drei noch auf Rang sieben abrutschte und international noch gar nicht lief – auch nicht bei der Junioren-WM in Oberwiesenthal. Insofern war Hartmanns Berufung kein Selbstläufer.
Doch was genau bedeutet nun die Zugehörigkeit zum Ergänzungskader für den Bad Berleburger? „Das heißt, dass er an Lehrgängen des DSV teilnimmt. Falls die überhaupt stattfinden“, sagt Behle. „Und vor allem ist er im Blickfeld.“ Soll heißen: Sich den Bundestrainern schon im Training zeigen zu können, ist sicher kein Nachteil.
Nordische Kombination
Ein Beleg für diese These ist der „Fall“ Emily Schneider. Die Nordische Kombiniererin des SC Rückershausen konnte im Winter krankheitsbedingt keine Wettkampfresultate aufweisen, ist den Trainern im DSV aber gut bekannt – sie ist wieder im NK-II-Kader dabei. Der 16-Jährigen genügte der 19. Platz als drittbeste Deutsche in der Gesamtwertung des Sommer-Grand-Prix der Profis.
Es waren Leistungen, die nach Behles Ansicht auch eine Einstufung in den neuen, sechsköpfigen A-Kader („LG I“) gerechtfertigt hätten – verbunden mit Starts auf höchster internationaler Ebene und einer besseren Förderung vor allem in puncto Material. Behle stellt süffisant fest: „Im Moment orientiert man sich sehr in Richtung Oberhof. Von dort kommen sehr viele Kaderathleten. Auch der Trainer kommt aus der Gegend.“
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Neben Schneider stellt der SCR einen weiteren Kombinierer im Nachwuchs-Nationalkader (NK II): Mika Wunderlich. Bei ihm musste nicht diskutiert werden: Mit Silber beim FIS-Youth-Cup, Bronze bei den OPA-Games, Silber bei den Deutschen Jugendmeisterschaften und Gesamt-Zweiter im Deutschen Schülercup lieferte er glasklare Argumente.
Nicht mehr dabei ist Lukas Wied, für den es besonders im Skisprung ein schwieriges Jahr war. Er verfehlte die Kriterien als Siebter der Deutschlandpokal-Gesamtwertung der Jugend 16 knapp und nimmt in der kommenden Saison über den Landeskader einen neuen Anlauf in Richtung Nationalteam.
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Nachverhandeln will Behle in der letzten Sitzung, in der das „Gremium Nachwuchsleistungssport“ die Beschlüsse der Trainerkommission verabschiedet, zugunsten von Ryan Horn, der in der ältesten Schülerklasse Sechster der Gesamtwertung wurde – ein Ergebnis, das in der Vergangenheit meist reichte, weshalb die jetzige Entscheidung eine bittere Pille für den SC Rückershausen ist.
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„Es steht nirgendwo geschrieben, dass die ersten sechs nominiert werden müssen – verbindlich gilt dies nur für die ersten drei“, räumt „NoKo“-Landestrainer Jens Gneckow ein. Ihm sei es nicht gelungen, die anderen Trainer zu überzeugen. Noch gibt er die Hoffnung für Horn aber nicht auf: „Es war seine beste Saison, wir werden für ihn einen Antrag für eine Aufnahme stellen und hoffen, dass er durchkommt.“
Unabhängig von der Entscheidung ist die Kombination weiter die Vorzeigedisziplin des WSV. Vom SK Winterberg wurden aus der Trainingsgruppe von Gneckow auch Justin Moczarski (Perspektivkader), Lenard Kersting (NK I), Lukas Nellenschulte und Marie Nähring (beide NK II) vom DSV nominiert.
Skisprung
Auch im Bereich Spezialsprung sieht es für den Stützpunkt Winterberg/Willingen nicht schlecht aus. Stephan Leyhe ist als Gesamtweltcup-Sechster weiter dabei. Logisch, trotz Kreuzbandriss. Bei der weiblichen Jugend ist nun Michelle Göbel als beste Jugendspringerin des vergangenen Winters mit von der Partie. Ebenfalls in die Stützpunktstatistik eingerechnet ist Paul Winter, der eigentlich aus dem Harz stammt und nun in Oberhof trainiert. Der Athlet des SC Willingen hat sich nach schwierigen Jahren in den Kader zurückgekämpft.
Ein Fragezeichen steht noch hinter dem Meinerzhagener Simon Spiewok (TuS Neuenrade), der trotz heftiger Stürze und eines späten Saisoneinstiegs Siege holte und die Kriterien erfüllte. „Er muss jetzt langsam mal auf größere Schanzen. Das kann er aber nicht, wenn er in Willingen zur Schule geht“, erklärt Behle, warum der DSV in Sachen Kaderstatus zögert.
Die Willinger Mühlenkopfschanze wird nur einmal jährlich für das Weltcupspringen in Winterberg präpariert, die größte Mattenschanze der Region für Training im Sommer ist die St.-Georg-Schanze in Winterberg – und die ist als K81-Schanze im internationalen Maßstab nicht gerade ein Riese.