Hagen. Bei Phoenix Hagen formt sich ein neues Kapitel. Chris Harris betont den Charakter des Teams. Doch ist die Zielsetzung Playoffs diesmal gut genug?

Im zweiten Teil des großen Interviews mit den Verantwortlichen von Phoenix Hagen geht es um das, was die Menschen am Ischeland begeistert: um Körbe, Rebounds, leidenschaftliche Verteidigung und was sonst noch alles Basketball-Spiele gewinnt. Kurzum: Es geht ums Sportliche.

Durch die Fluktuation im Kader scheint sich die Identität der Mannschaft verändert zu haben. Wie würden Sie das „neue“ Team beschreiben?

Tim Uhlemann (Flügelspieler): Der Teamzusammenhalt ist noch mal stärker als im letzten Jahr. Defensiv sind wir auf jeden Fall viel stärker aufgestellt, spielen auch deutlich schneller als zuvor. Wir wollen die Gegner aus der Halle rennen, sie platt machen, damit wir sie im vierten Viertel überrollen können.

Chris Harris (Trainer): Wir haben diesmal andere Schwerpunkte gesetzt, das stimmt. Unter anderem war uns wichtig, den Charakter der Mannschaft zu stärken, und das ist uns gelungen. Wir haben Arbeiter im Team, mit denen sich die Stadt Hagen gut identifizieren kann.

Sieben K’s führen zum Sieg.
Sieben K’s führen zum Sieg. © Jörg Laube / ARCHIV

Apropos Verteidigung: Machen Sie mit den „Kills“ weiter? (Zur Erklärung: Das Team feiert defensive Stopps; bei zwei Stopps in Folge steht die Bank auf und wird laut, beim dritten ist der „Kill“ erreicht und das Team flippt aus)

Harris: Ja, soweit ich weiß, ist das jetzt beim Testspiel in Trier aufgefallen, allerdings nicht so positiv…

Was war denn los?

Jörg Bähren (Leiter Kommunikation): Ein Zuschauer hat in Trier das Bellen der Jungs als Affengeräusche aufgefasst. Das hat dann bei Facebook eine kleine Debatte entfacht, aber ein Phoenix-Fan hat direkt reagiert und einen Artikel von uns verlinkt, in dem wir das Bellen nach Defensivaktionen erwähnt haben. Somit war die Debatte recht schnell wieder vorbei.

Harris: Also ich persönlich feiere das Bellen total. Die Mannschaft hat nach dem Trier-Spiel noch mal gesprochen und sie ist zu dem Schluss gekommen, dass sie das beibehalten will. Wir wünschen uns, dass dieses defensive Feuer vom Team auf die Tribüne überspringt und unsere Fans das mitmachen.

Sie meinen, dass sie Halle bellen soll?

Harris (lacht): Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, dass unsere Fans mitbellen. Die Halle soll mitgenommen werden. Wenn wir sieben Kills schaffen, dann können wir das Spiel praktisch nicht verlieren. Für uns ist es bewiesen, dass wir dadurch mehr Energie und Schwung bekommen, aber das kann man noch ausbauen.

Das Team hat in dieser Saisonvorbereitung beachtliche Ergebnisse erzielt, zuletzt gelang ein 81:66-Sieg in Trier. Ist die Mannschaft so weit, wie es diese Resultate vermuten lassen?

Harris: Die Ergebnisse sind zweitrangig. Kurz vor dem Trier-Spiel haben wir noch drüber gesprochen: Viel, viel wichtiger als die Resultate sind der Charakter der Mannschaft und die Kultur, die wir uns aufbauen. Das sind Prozesse. Wir werden in der Saison auch schlechte Phasen haben und wenn es so weit ist, dann wollen in der Lage sein, diese Phasen zu überstehen, um nicht in eine Abwärtsspirale zu geraten. Und ich glaube, in diesen Prozessen sind wir schon weit. Aber: Wir haben noch keinen Punkt erzielt, noch kein Pflichtspiel gewonnen.

High-Five für den Dreier aus der Ecke: Tim Uhlemann und Martin Schmidt klatschen sich ab.
High-Five für den Dreier aus der Ecke: Tim Uhlemann und Martin Schmidt klatschen sich ab. © Michael Kleinrensing

Der Mannschaft sind nach der vergangenen Saison ein paar Führungsspieler verloren gegangen. Wie kompensiert das Team das?

Uhlemann: Mit Dennis Nawrocki und Naz Bohannon haben wir zwei Leader, die vorangehen. Wichtig ist auch, dass jeder Spieler eine Rolle zugewiesen bekommt, die er bestmöglich versucht auszufüllen. Dazu kommt, dass wir viel breiter aufgestellt sind als letztes Jahr. So können wir auch kompensieren, dass durch die Abgänge von einigen guten Scorern etwas „Firepower“ weg ist.

Mit der Verpflichtung von Naz Bohannon vom BBL-Aufsteiger Rasta Vechta ist Phoenix ein Transfercoup gelungen. Wie fügt er sich ein und was kann man von ihm erwarten?

Uhlemann: Abseits des Spielfelds ist er ein sehr guter Charakter, wie alle anderen Jungs auch. Er ist freundlich, hat immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. Auf dem Feld, das konnte man zum Beispiel beim Rewe-Familientag sehen, gibt er uns enorm viel, gerade in der Defense.

Harris: Wir wollten unbedingt Spieler holen, die nicht scheu sind, in die Hände zu spucken. Das passt, wie ich vorhin schon sagte, in unsere Vereinskultur und zur Stadt Hagen. Naz ist genau so ein Typ. Er ist sich für nichts zu schade.

In der vergangenen Saison haben Sie das Ziel Playoffs ausgegeben und auch erreicht. Rufen Sie dieses Ziel erneut aus oder wollen Sie sich weiter oben etablieren – etwa in den Top-4, die in den Playoffs Heimrecht genießen?

Martin Schmidt (Geschäftsführer): Letztlich hat uns die letzte Saison eines gelehrt: Dass es irrelevant ist, einen konkreten Tabellenplatz anzupeilen. Neulich haben wir mal versucht, zusammenzuzählen, wer alles in die Playoffs kommen kann. Ich glaube, bei zwölf Teams haben wir aufgehört. Zwischen dem Tabellenvierten und dem Tabellenachten liegen ein, vielleicht zwei Siege. Wir haben klar die Perspektive 2025 ausgegeben – das heißt, dass wir uns jetzt noch nicht als Aufstiegskandidat aufstellen und demnach lautet in dieser ausgeglichenen Liga das einzig sinnvolle Ziel, in die Playoffs zu kommen.

Im zweiten Playoff-Spiel gegen Vechta hätten Phoenix-Forward Marvin Omuvwie und Co. beinahe einen Sieg geholt.
Im zweiten Playoff-Spiel gegen Vechta hätten Phoenix-Forward Marvin Omuvwie und Co. beinahe einen Sieg geholt. © Michael Kleinrensing

Wobei es sicherlich erstrebenswert wäre, dort dann auch mindestens ein Spiel zu gewinnen.

Schmidt: Das ist richtig, wir haben unsere letzten beiden Playoff-Serien mit 0:3 gegen Vechta verloren. Inzwischen gilt es aber als ziemlich sicher, dass wir in den nächsten Playoffs nicht auf Vechta treffen werden (lacht). Es wird endlich Zeit, dass Phoenix einen Playoff-Sieg bekommt und ein zweites Playoff-Heimspiel.

Herr Harris, Sie sind seit fünf Jahren Headcoach von Phoenix, kennen die Liga sehr gut. Das Teilnehmerfeld ist so ehrgeizig wie nie, was man auch an den Verpflichtungen der Ex-Nationalspieler Robin Benzing (Gießen), Bastian Doreth (Nürnberg) und Maik Zirbes (Trier) sieht. Wie bewerten Sie die Entwicklung der ProA?

Harris: Vor fünf Jahren war mir noch nicht klar, wie ausgeglichen die Liga mal wird und wie ambitioniert die Vereine werden. Es sind immer mehr Klubs aus der BBL in die ProA gerückt. Diese Entwicklung ist sehr, sehr positiv. Und man sieht: Der Abstand von den ProA-Klubs zu den BBL-Klubs ist nicht mehr so groß – zumindest nicht zu den BBL-Vereinen, die nicht um die Playoffs mitspielen. Das hat man jetzt im BBL-Pokal gesehen, wo Gießen gegen Crailsheim gewonnen hat. Die ProA ist toll, sie ist attraktiv und ultra-kompetitiv.

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