Hagen. Kinder müssen mit ansehen, wie Zuschauer auf einen Fußballtrainer losgehen wollen. Ein Vereinsoffizieller nennt das Verhalten „beschämend“.

Fußballspielen in der E-Jugend – das bedeutet für Kinder im Alter zwischen 8 und 10 Jahren die ersten Schritte in einem Sportverein, die Freude an der Bewegung und das Erlernen wichtiger Werte wie Respekt und Zusammenhalt. Doch während in der Jugend meist der Spaß im Vordergrund stehen sollte, zeigt sich immer häufiger ein anderes Bild: Statt fairer Begegnungen und freundschaftlicher Unterstützung geraten Spiele zu einem Schauplatz für Streit und Aggression, wo Eltern und Trainer eher zum Problem als zum Vorbild werden. Ein Vorfall beim E-Jugendspiel zwischen der SG Vorhalle 09 und dem SSV Hagen am 5. Oktober spiegelt ein Problem, das inzwischen fast flächendeckend den Jugendfußball betrifft. Die Auseinandersetzungen gingen so weit, dass das Bezirkssportgericht zu unüblichen Strafen griff.

Trainer geraten in einen Streit

Laut dem Bezirkssportgericht beleidigten sich die Trainer beider Mannschaften verbal und betraten gegenseitig die Coaching-Zonen. Die Kinder bekamen alles mit. Laut Sportgericht sei das Verhalten „teils diskriminierend“ und durchweg unsportlich gewesen – genau das Gegenteil dessen, was im Kinderfußball vermittelt werden sollte.

Diese Spannungen übertrugen sich auch auf die Zuschauer. Eltern beider Lager gingen sich ebenfalls gegenseitig verbal an. Der traurige Höhepunkt: Nach dem Abpfiff stürmten laut Sportgericht zwei Zuschauer, die offenbar Verwandte von Vorhalle-Spielern waren, auf das Spielfeld und näherten sich laut schimpfend dem Trainer des SSV Hagen. Ein trauriger Anblick, wie auch ein Video zeigt, das dieser Redaktion vorliegt und in dem zu sehen ist, wie die Kinder auf dem Spielfeld sitzen und die lautstarken Auseinandersetzungen miterleben müssen.

Strenge Strafen vom Bezirkssportgericht

In Anbetracht der Eskalation beschloss das Bezirkssportgericht, ein deutliches Zeichen zu setzen. Der Trainer des SSV Hagen erhielt eine Sperre von zwei Spielen und eine Geldstrafe von 100 Euro für sein unsportliches Verhalten. Der Co-Trainer der SG Vorhalle 09, der an diesem Tag als Vertretung fungierte, wurde für ein Spiel gesperrt und mit 50 Euro Geldstrafe belegt. Zudem muss die SG Vorhalle wegen des Fehlverhaltens seiner Zuschauer eine Geldstrafe von 150 Euro zahlen.

Kreissportgericht gibt Fall weiter

Das umstrittene Fußballspiel fand in der B-Kreisliga in Hagen statt. Normalerweise wäre der Fall an das zuständige Kreissportgericht Hagen/EN gegangen. Aufgrund der Trainer-B-Lizenz des Trainers des SSV Hagen wurde der Fall jedoch direkt an das Bezirkssportgericht weitergeleitet, das die Verhandlung übernahm.

Im Fußballkreis Hagen solle der Fair-Play-Gedanke im Vordergrund stehen, so das Sportgericht, und in der E-Jugend werde daher auf Schiedsrichter verzichtet. Stattdessen sollen „Spielbegleiter“ und Trainer gemeinsam zu einer sportlichen Lösung bei Konflikten beitragen. Damit dies gelingt, sei jedoch ein respektvolles Miteinander erforderlich – etwas, das im Fall zwischen SSV Hagen und Vorhalle offensichtlich nicht gegeben war.

Debatte um Vorbilder und Werte

Der SSV Hagen nahm das Urteil in Person seines Jugendleiters Merlin Kedzior an. Kedzior bedauert den Vorfall und sagte auf Nachfrage: „Das ist sicherlich kein SSV-Problem, sondern ein generelles E-Jugendproblem, ein Elternproblem, ein Trainerproblem und meines Erachtens auch ein gesellschaftliches Problem.“ Man müsse alle Beteiligten verstärkt sensibilisieren und versuchen, klarere Grenzen zwischen Spiel und Eltern zu schaffen. Vorfälle wie der vom 5. Oktober zwischen SSV und Vorhalle würden es nur schwerer machen, Menschen fürs Ehrenamt zu begeistern.

„Es ist peinlich, wie der eine oder andere sich vor Kindern verhält.“

Marcel Rettke, 1. Vorsitzender des SSV Hagen

Auch Marcel Rettke, der erste Vorsitzende des SSV Hagen, fand klare Worte: „Ich finde es beschämend, wie viele Leute nicht ihrer Vorbildfunktion nachkommen. Es ist peinlich, wie der eine oder andere sich vor Kindern verhält. Da gibt es auch nichts zu entschuldigen.“ Der sanktionierte E-Jugendtrainer des SSV lehnte es gegenüber dieser Redaktion ab, sich zu den Vorfällen zu äußern.

Die SG Vorhalle akzeptierte ebenfalls das Urteil in Person seiner Jugendleiterin Vanessa Aufermann. Unsere Redaktion bat auch Aufermann um ein Statement und eröffnete dem Verein die Möglichkeit, dass sich der betroffene Co-Trainer persönlich zu den Vorfällen äußern könne. Die Jugendleiterin lehnte dies ab und teilte mit, dass auch der Co-Trainer keine Stellungnahme abgeben wolle.

Mehr zum Fußball in Hagen