Winterberg. Felix Seibel, Skeletoni des BRC Hallenberg, verrät eine lehrreiche Erfahrung und erklärt, was ihn mit Film-Star Tom Cruise verbindet.
Gut einen Monat liegt das Saisonende zurück, die Heim-Weltmeisterschaft in Winterberg sogar noch etwas länger. Felix Seibel, Skeleton-Pilot des BRC Hallenberg, verarbeitete trotzdem noch nicht komplett, dass er die voraussichtlich einmalige Chance, eine WM auf seiner Heimbahn in Winterberg zu bestreiten, verpasste. Der 26-Jährige spricht über sein WM-Aus, die Lehren aus seiner ersten vollständigen Saison im Skeleton-Weltcup und darüber, was ihn mit Hollywood-Star Tom Cruise verbindet.
Seibel: Material als Grundstein
Herr Seibel, Sie bestritten sieben Weltcup-Rennen bei den Männern, verpassten nur zweimal die Top Ten und standen in Lillehammer als Dritter sogar zum ersten Mal in Ihrer Karriere auf dem Podest. Welches Resümee ziehen Sie nach Ihrer ersten kompletten Saison im Weltcup?
Felix Seibel: Wir haben vor der Saison einige Pläne geschmiedet und Projekte verwirklicht. In Kooperation mit meinem Verein BRC Hallenberg, dem BSC Winterberg und meinem tatkräftigen Sponsor MSG Maschinenbau haben wir in der Materialentwicklung den Grundstein gelegt für einen erfolgreichen Einstand in der Selektion. Das ist mit Platz eins nach allen Rennen sehr gut gelungen – und danach ging es in den Weltcup. Mit den Plätzen 9, 13, 7, 3, 8, 6 und 11 war ich bis auf Rang 13 in Igls und Platz 11 in Lake Placid immer in den Top Ten vertreten und habe mein erstes Weltcuppodest in Lillehammer mit Platz drei erzielt. Insgesamt denke ich, dass es ein guter Einstand war.
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Gibt es etwas, das Sie im Weltcup überraschte?
Ich musste die Erfahrung machen, dass die Ansprüche deutlich höher sind als ich es bislang aus dem Intercontinentalcup oder dem Europacup gewohnt war. Fahrfehler, die ich bisher nicht als solche empfand, können einige Platzierungen ausmachen, weil das Teilnehmerfeld, insbesondere in den Top Sechs, sehr eng beieinander ist. Ich muss mich besonders am Start weiter steigern, um auch regelmäßig solche Platzierungen wie in Lillehammer abzurufen. Daran werde ich im Sommer in Oberhof arbeiten.
Seibel: Eine wohl einmalige Chance
Wie sehr ärgert Sie die verpasste Heim-WM in Winterberg noch?
Ich bemühe mich immer sehr, die Dinge nüchtern auszuwerten, wenn es mal nicht so läuft wie ich mir das vorstelle. Beim Verpassen der Heim-WM war das für mich sehr schwer, weil es unwahrscheinlich ist, dass ich nochmal die Chance habe, an einer WM in Winterberg teilzunehmen. Den Gedanken loszuwerden, habe ich nicht geschafft. Deswegen versuchte ich, mein Saisonziel mit dem Erreichen der Top Acht in der Gesamtwertung des Weltcups zu ersetzen. Das ist die Norm für den Olympiakader.
Besonderer Weltcup-Start
Der nächste Weltcup-Winter startet mit zwei Stationen für die Skeleton-Athleten auf den beiden Olympia-Bahnen in Pyeongchang (Südkorea, 11. bis 17. November) und Yanqing (China, 18. bis 24. November). Bei den folgenden Weltcups in Altenberg (2. bis 8. Dezember), Sigulda (9. bis 15. Dezember), Winterberg (30. Dezember 2024 bis 5. Januar 2025) und St. Moritz (6. bis 12. Januar) stehen dann alle Bob- und Skeleton-Disziplinen auf dem Programm. Nach zwei Bob-Weltcups in Innsbruck (14. bis 19. Januar) und erneut St. Moritz (20. bis 26. Januar) geht es zu zwei abschließenden Rennwochen in Lillehammer (3. bis 9. und 10. bis 16. Februar/nur Bob). Die Weltmeisterschaften 2025 in Lake Placid (USA) stehen vom 3. bis zum 16. März 2025 im Kalender.
Dieses Ziel erreichten Sie als Achter und somit drittbester Deutscher hinter dem Gesamt-Zweiten Christopher Grotheer und dem Siebten Felix Keisinger. Axel Jungk belegte sogar nur Rang elf.
Aber das war nicht ganz leicht, weil mir ja der erste Weltcup in Peking punktemäßig gefehlt hat. Vor dem Saisonfinale in Lake Placid war ich noch auf Rang zehn und konnte mich durch das Rennen auf die Acht vorschieben, so dass ich die Voraussetzungen für den Olympiakader erfüllt habe. Das hat mich sehr gefreut und gibt mir Aufwind für die kommenden Aufgaben. Das übergeordnete Ziel sind immer noch die Olympischen Winterspiele in Cortina d‘Ampezzo 2026.
Was war Ihr Saison-Höhepunkt? Vermutlich der dritte Platz in Lillehammer.
(schmunzel) Mein Saisonhöhepunkt war unser Dreifach-Erfolg in Lillehammer. Nach dem ersten Lauf habe ich noch auf Platz eins geführt und bin dann mit 0,1 Sekunde Abstand im zweiten Lauf hinter Christopher Grotheer und Axel Jungk auf der Drei gelandet. Das war für mich ein toller Erfolg und ich nehme eine wichtige Erfahrung im Umgang mit Drucksituationen mit. Im Weltcup nach Lauf eins als Letzter oben zu stehen, ist doch etwas anderes als im Intercontinentalcup.
War das auch die lehrreichste Erfahrung Ihrer ersten kompletten Saison im Weltcup?
Die lehrreichste Erfahrung habe ich im Stechen um den letzten Platz im deutschen Team für die WM gemacht. Ich wusste im Vorfeld zwar, dass sich die Bedingungen zum Rennen ändern werden, habe aber auf eine Kufe bestanden, die ich durchgängig im Training gefahren bin. Als Vergleich: Im Training sind wir rund zwei Sekunden langsamer gefahren als im Rennen, bei dem Bahnrekord-Bedingungen herrschten.
Seibel: Eine Erfahrung als Lehre
Ihr WM-Aus war also das Resultat einer falschen Kufenwahl?
Ich finde es schäbig, Wettkampfergebnisse auf eine falsche Kufenwahl zu schieben, das möchte ich auch nicht machen. Aber ich nehme diese Erfahrung als Lehre mit, im Zweifel immer zwei Paar Kufen fertigzumachen, um zum Renntag noch wechseln zu können. Das habe ich übrigens auch in Lake Placid gemacht. Dort waren die Bedingungen im Vergleich zum Training -7 Grad kälter und ich wurde im Ergebnis bester Deutscher. Wenn ein elfter Platz nicht dem Anspruch des Teams entsprach, hat es mich dennoch gefreut, reagieren zu können.
Letzte Frage: Was machen Sie aktuell in der trainingsfreien Zeit?
Ich bin momentan für ein Studienpraktikum bei der Wehrdisziplinaranwaltschaft beim Deutsch-Niederländischen Korps in Münster. Das habe ich bis Anfang Mai abgeschlossen und steige danach wieder ins Training ein.
Dann muss eine Nachfrage erlaubt sein: Wehrdisziplinaranwaltschaft – was ist das? Mir kommt bei dem Wort Hollywood-Star Tom Cruise im Film „Eine Frage der Ehre“ in den Sinn.
Ja, fast. (lacht) Es gibt innerhalb der Bundeswehr Disziplinarstrafen für alle Straftaten, die man begeht. Man bekommt quasi als Soldat immer zweimal Ärger: Einmal vor den normalen Gerichten und einmal vor dem Truppendienstgericht. Ich mache momentan ein Praktikum bei den Juristen, die solche Disziplinarstrafen anordnen und die meistens vor dem Truppengericht landen. Tom Cruise ist in „Eine Frage der Ehre“ quasi der Gegenpart der Wehrdisziplinaranwaltschaft, weil er den Angeklagten verteidigt. Ich bin jetzt mehr wie Kevin Bacon, der als Marines-Captain Jack Ross die Anklage in der Verhandlung führt. (schmunzelt)