Herzogenaurach. Die sportliche Führung arbeitet das EM-Aus auf. In zwei Jahren soll die DFB-Elf wieder angreifen. Die Vorzeichen sind gut.

Normalerweise läuft es an Geburtstagen anders. Da empfängt derjenige, den es zu feiern gibt, Gäste, im besten Fall geht es ausgelassen zu. Bernd Neuendorf verbrachte seinen 63. Ehrentag auf andere Weise: Er stattete Besuch ab. Doch der Anlass war ein trauriger. Am Samstagvormittag sprach der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) im Team-Quartier in Herzogenaurach zur Nationalelf, die Neuendorf, vor allem aber sich selbst Grund zu Freude bereiten wollte. „Mit dem Geschenk hat es nicht ganz funktioniert“, sagte Neuendorf. „Aber ich habe gesagt, dass ich mich beschenkt fühle – mit und durch dieses Turnier.“

Nagelsmann: Die Tränen-PK

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    Altersbedingt könnten die meisten der 26 Nationalspieler, die den DFB bei der Heim-Europameisterschaft vertreten haben, Neuendorfs Söhne sein. Der Verbands-Chef war also auch gefordert, beinahe väterlichen Trost zu spenden nach diesem bitteren, dramatischen, schmerzhaften Viertelfinal-Aus gegen Spanien nach Verlängerung am Abend zuvor in Stuttgart. „Wir können stolz darauf sein, was die Mannschaft auf und neben dem Platz gemacht hat“, sagte Neuendorf.

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    Der DFB-Präsident stellte wie viele Beobachter fest, dass es das DFB-Team geschafft hatte, die Fans wieder hinter der Mannschaft zu versammeln. Durch attraktiven Fußball, durch nahbare, bodenständige Auftritte an den Mikrofonen. „Wir haben gestern eine Niederlage erlitten, aber ich glaube nicht, dass wir gescheitert sind. Wir werden diesen Weg fortführen. Das ist der Spirit, den ich heute Morgen rund ums Team wahrgenommen habe.“

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    Neuendorf meinte damit selbstverständlich auch Bundestrainer Julian Nagelsmann, der am Samstagmittag neben ihm auf dem Podium des Medienzentrums auf dem Adidas-Gelände saß, und den nächsten bemerkenswerten Auftritt hinlegte. Der 36-Jährige hatte sich schon in Stuttgart tief bewegt gezeigt, auch einen Tag später war Nagelsmann sichtlich ergriffen. „Ich möchte Danke sagen, an die Fans im Land“, begann Nagelsmann sein Statement bei der Abschlusspressekonferenz. „Ich habe immer gesagt, wir brauchen die Fans im Land, weil wir nicht viel zurückgegeben haben aus sportlicher Sicht in der Vergangenheit.“

    Tief bewegt erschien Julian Nagelsmann am Samstag zur Pressekonferenz.
    Tief bewegt erschien Julian Nagelsmann am Samstag zur Pressekonferenz. © AFP | Tobias Schwarz

    Minutenlang musste Nagelsmann gegen die Tränen ankämpfen. „Wir hätten gerne den Fans mehr gegeben“, meinte er mit brüchiger Stimme. „Wir hätten gerne den Titel geholt.“ Als die Medienrunde eröffnet war, und die erste Frage erneut an den Bundestrainer und nicht an Präsident Neuendorf oder den ebenfalls anwesenden Sportdirektor Rudi Völler ging, sagte er bloß trocken: „Scheiße.“ Er musste sich zunächst sammeln.

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    Hinter Nagelsmann liegen intensive Monate. Die apokalyptische Stimmung im November wandelte er im März in große Zuversicht um. Noch vor dem EM-Start folgte die Vertragsverlängerung bis 2026. Seit dem Eröffnungsspiel gegen Schottland, spätestens aber seit Niclas Füllkrugs Gänsehaut-Treffer gegen die Schweiz wuchs eine Euphoriewelle im Land immer weiter an. Es waren schließlich marginale, aber entscheidende Faktoren, die zur Niederlage gegen Spanien führten. Eine Partie, die der These vom vorgezogenen Endspiel in der Runde der letzten Acht gerecht wurde. Sportdirektor Völler erinnerte an den Wunsch, dass wir „uns an die Weltspitze heranspielen“, und befand: „Ich glaube, dass uns das gelungen ist.“

    Ob der Eindrücke rund um die DFB-Elf, die drei Turnier-Enttäuschungen und unter Nagelsmanns Vorgänger Hansi Flick schließlich den Tiefpunkt erlebte, war dies dem Team nicht zuzutrauen. Um die Spanier, die letztlich die abgezocktere Mannschaft gewesen sind und nun nach ihrem vierten EM-Titel streben, reichte es aber nicht. Die Verbandsführung darf sich mehr denn je bestätigt darin fühlen, langfristig auf Nagelsmann zu setzen.

    
Der Moment, in dem die Heim-EM für die deutschen Spieler um Thomas Müller endete.
    Der Moment, in dem die Heim-EM für die deutschen Spieler um Thomas Müller endete. © Jürgen Fromme / firo Sportphoto | Jürgen Fromme

    Die wiedererstarkte Vorzeigeauswahl des DFB muss sich nun weiter stabilisieren, verkraften, dass Fixpunkte wie Toni Kroos wegfallen. Im September geht es in der Nations League weiter. Groß ändern soll sich der Kader nicht, weil Nagelsmann nach eigener Einschätzung ein gutes Fundament gefunden hat. Am Ende der rund 45-minütigen Analyse hatte der Bundestrainer auch schon wieder Kraft, den Blick nach vorne zu richten. „Ich bin sehr glücklich, dass ich verlängert habe. Ich freue mich auch, wieder anzugreifen, aber ein paar Tage müsst ihr mir schon geben, die brauche ich“, gestand er. Im kommenden Jahr startete die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in den USA, Kanada und Mexiko. „Ein goldener Pokal ist auch ganz schön“, betonte er. Und dann war das Abenteuer Heim-EM endgültig beendet.

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