Herzogenaurach. Der DFB-Linksverteidiger spricht über die neue Berühmtheit seiner Großmutter, sein neues Image und die zunehmende Belastung.

Mit einem Eiskaffee in der Hand kommt David Raum direkt von einer Abkühlung in der Eistonne. „Können wir reingehen? Da ist es kühler“, fragt der Linksverteidiger von RB Leipzig, als er auf der Terrasse des Homegrounds von Adidas in Herzogenaurach zum Gespräch mit dieser Redaktion erscheint. Es ist eine schweißtreibende Woche mit Temperaturen von täglich 30 Grad. Zwei Monate nach der Heim-EM und kurz vor dem Start der Nations League an diesem Samstag in Düsseldorf gegen Ungarn (20.45 Uhr/ZDF) ist der 26-Jährige aber schon wieder heiß auf den Neustart der Nationalmannschaft. Raum steht gegen Ungarn voraussichtlich in der Startelf.

Herr Raum, wissen Sie welcher Begriff als erstes erscheint, wenn man Ihren Namen bei Youtube eingibt?

David Raum: Nein, klären Sie mich auf.

Oma.

Ah ja. Das Video von der EM. Darauf werde ich mittlerweile sehr häufig angesprochen. 

Ihr Telefonat mit Ihrer Oma Rosi vor dem Achtelfinale gegen Dänemark, das der DFB mitgefilmt und auf Youtube veröffentlicht hat, ging viral. Weiß sie mittlerweile über ihre Bekanntheit bescheid?

Ja, das ging schnell, was ich zunächst gar nicht wusste. Sie wohnt in Ebern in der Nähe von Bamberg gegenüber einer Grundschule. Nachdem das Video ausgestrahlt wurde, haben einige Schüler bei ihr geklingelt, weil die schnell herausgefunden haben, dass dort die Oma von David Raum wohnt. Sie hat den Kindern dann direkt ein paar Autogrammkarten von mir geschenkt. Ich musste ihr noch welche nachschicken, weil sie kein Kind gehen lassen wollte, ohne etwas mitzugeben. Und das Video hat ihr dann meine Tante gezeigt. Sie freut sich immer, wenn sie ihren Bub im Fernsehen sieht.

Sie waren während der EM auf den Social-Media-Kanälen des DFB sehr präsent, haben zusammen mit Joshua Kimmich oder Robert Andrich für viel Spaß gesorgt. Spüren Sie, dass sich Ihr Image in der Öffentlichkeit dadurch verändert hat?

Absolut. Viele Leute haben mir gesagt, wie schön es ist, dass das Land mal den wahren David Raum kennen gelernt hat. Vielleicht hatten viele ein falsches Bild von mir, weil ich auf dem Platz immer sehr verbissen bin. Genauso ist es auch mit Joshua. Bevor wir unser Innenleben im EM-Camp preisgegeben haben, gab es bei ihm auch das öffentliche Bild des grimmigen, ehrgeizigen Profis. Aber er ist auch ein echter Spaßvogel. Wir hatten hier eine coole Zeit. Die Resonanz zeigt, dass die Menschen gerne diesen Einblick bekommen haben. Das hat auch mir persönlich geholfen, um zu zeigen, dass ich auch ein ganz lockerer Typ bin.

Können Sie den Spaßvogel Kimmich als Kapitän überhaupt richtig Ernst nehmen?

Natürlich kann ich das. Aber auch wir als Vorzeigeprofis sollten das innere Kind und den Spaßvogel, den jeder in sich trägt, auch mal ausleben dürfen. So ist das bei Jo auch. Aber sobald er den Platz betritt, geht er voran. Nicht nur mit Leistung, auch mit seiner Mentalität und seinem Ehrgeiz. Er hat sich dieses Amt verdient.

David Raum über das DFB-Team: „Wollen die Begeisterung fortführen“

Kimmich hat sich nach seiner Ernennung zum Kapitän bei allen Mitspielern bedankt, die ihn manchmal auch ertragen müssen. Kann er Sie auch mal nerven?

Ich finde er ist richtig gut erträglich. Ich mag solche Spieler, die viel einfordern, auch von sich selbst, und auf dem Platz lautstark sind. Das macht er super. Er lebt vor allem den jungen Spielern vor, wie man zu arbeiten hat. Man muss ihn manchmal vom Platz runterscheuchen. Mit dieser Einstellung kommt man sehr weit.

Kimmich hat seine Vorfreude auf die Nations League bereits zum Ausdruck gebracht. Können Sie sich emotional schon wieder hochfahren zwei Monate nach der Heim-EM?

Total. Die Nations League ist eine schöne Bühne, sich zu präsentieren. Wir haben zwar bei der EM nichts gewonnen, aber wir haben wieder eine Begeisterung ausgelöst. Das wollen wir fortführen. Und man hat ja bei Spanien gesehen, dass der Gewinn der Nations League eine Mannschaft in einen Flow bringen kann. Das wollen wir auch. Da gehe ich mit Jo absolut mit.

David Raum (l.) und Joshua Kimmich hatten bei der EM viel Spaß miteinander.
David Raum (l.) und Joshua Kimmich hatten bei der EM viel Spaß miteinander. © picture alliance/dpa | Christian Charisius

Wie sah es nach der EM bei Ihnen aus? Sind Sie in ein Loch gefallen?

Das wäre übertrieben formuliert. Aber ich weiß noch, wie wir nach dem Spanien-Spiel in der Kabine saßen und Toni Kroos sehr gute, aufbauende und vorausschauende Worte gefunden hat. Die Enttäuschung war sehr groß, auch bei der Busfahrt zurück. Ich habe dann mal ins Netz geschaut, was ich sonst nicht so gerne mache, und viel positive Resonanz und persönliche Nachrichten bekommen. Viele Leute haben mich auf der Straße gefragt, ob man mir überhaupt gratulieren darf. Ich habe immer geantwortet: natürlich, gerne. Dass die Menschen wieder stolz auf uns waren, war sehr viel wert. Das Ende war natürlich ein harter Dämpfer, auch aufgrund des Beigeschmacks mit der Elfmeter-Diskussion.

Hätten Sie den Elfmeter nach dem Handspiel von Cucurella gegeben?

Ja. Wenn ich sehe, was jetzt in der Bundesliga gepfiffen wird, hätte man ihn geben müssen.     

Haben Sie im Sommer noch oft an Lamine Yamal und Dani Olmo gedacht?

Ich war eine Woche im Urlaub und habe Spanien natürlich weiterverfolgt. Aber es gab wichtigere Themen. Direkt nach dem Urlaub habe ich meine Frau geheiratet. Die standesamtliche Hochzeit war schon vor einem Jahr. Jetzt hatten wir die freie Trauung auf Mallorca.

Sie haben nach dem Spanien-Aus in Spanien geheiratet?

Ja, darauf haben mich viele hingewiesen. Aber Mallorca ist ja fast Deutschland (lacht). Spaß beiseite. Es ist einfach ein schöner Ort. Außerdem ist Spanien verdient Europameister geworden. Wir waren sehr nah dran, sie zu schlagen. Ich bin mir sicher, dass wir Europameister geworden wären, wenn wir Spanien besiegt hätten.

David Raum und seine Frau Katharina während der EM der Tribüne.
David Raum und seine Frau Katharina während der EM der Tribüne. © picture alliance/dpa | Christian Charisius

Nun steht die Nations League vor der Tür mit noch mehr Spielen. Die Champions League wurde aufgebläht. Nächsten Sommer gibt es erstmals eine vierwöchige Klub-WM mit 32 Mannschaften. Wird die Grenze der Belastbarkeit überschritten?

Ich will mich da nicht einmischen, weil ich auch kein Mitspracherecht habe. Mir gefällt das neue System der Champions League mit acht verschiedenen Gegnern. Das sind geile Spiele. Für mich ist da noch keine Grenze überschritten.

David Raum über Belastungsgrenzen: „Eine Obergrenze gibt es nicht“

Sie haben in den vergangenen drei Jahren immer mindestens 46 Pflichtspiele pro Saison gemacht. Wo liegt Ihre persönliche Grenze?

Ich muss sagen, dass ich viel lieber spiele als trainiere. Ich hatte schon als junger Spieler immer das Gefühl, dass ich nur über die Spiele besser werde. Daher freue ich mich über die vielen englischen Wochen. Für mich ist das ein Privileg. Eine Obergrenze gibt es für mich nicht.

Sie haben vor drei Jahren in der Sommerpause die U-21-EM gespielt und dann noch die Olympischen Spiele mitgemacht. Brauchen Sie keine Pausen?

In jenem Sommer wollte ich tatsächlich keinen Urlaub machen, weil ich von Fürth nach Hoffenheim gewechselt bin und schnell in die Mannschaft wollte. Wann ich wirklich eine Pause gebraucht habe, war nach der WM in Katar. Ich habe da zwar gut gespielt, aber es lief insgesamt sehr negativ, auch die Stimmung in Deutschland war schlecht. Danach bin ich auf die Malediven gereist, so weit weg wie möglich.

Es fällt auf, dass Sie nie verletzt sind. Ihre längste Pause als Profi waren acht Tage wegen einer Erkältung. Vor fünf Jahren. Wie machen Sie das?

Es ist ein Zusammenspiel aus körperlicher Veranlagung, Glück, Mentalität, Lebensweise und Pflege. Mein Geheimnis liegt im Training. Ich bin da immer viel unterwegs, das hilft mir in den Spielen. Man muss seinen eigenen Weg finden, wie sein Körper am besten funktioniert. 

David Raum nach dem Viertelfinal-Aus bei der Heim-EM gegen Spanien.
David Raum nach dem Viertelfinal-Aus bei der Heim-EM gegen Spanien. © picture alliance

Sehen Sie die Gefahr, dass Fußballer vermehrt zu Schmerzmitteln greifen, um der zunehmenden Belastung Stand zu halten?

Das Gefühl habe ich nicht. Hier bei der Nationalmannschaft oder im Verein haben wir immer Wege gefunden, schnell zu regenerieren, ohne Schmerzmittel zu nehmen. Aber ich kenne die Diskussion und auch die Doku. Ich persönlich höre lieber auf die natürlichen Signale des Körpers, anstatt Schmerzen zu betäuben. 

Sie haben bis Weihnachten 31 Pflichtspiele, reisen von Hotel zu Hotel. Wie entspannen Sie zwischendrin?

Ich habe das Golfspielen für mich entdeckt, weil ich gemerkt habe, dass es mich beruhigt. Man vergisst alles um sich herum. Ansonsten spüre ich gar nicht den Drang, mich in den englischen Wochen entspannen zu müssen.

Ihre Frau Katharina muss allerdings viel Verständnis aufbringen, wenn Sie so viel unterwegs sind.

Das stimmt, aber sie freut sich auch mal über die Auswärtsspiele in der Champions League oder der Nationalmannschaft. Wir spielen mit Leipzig in Mailand, Madrid oder Glasgow. Da kommt sie gerne mit. Am Dienstag in Amsterdam ist sie auch dabei. Sie hat mir dieses Leben immer gewünscht und unterstützt mich dabei. 

Und kommt Oma Rosi auch mal ins Stadion, um ihren Bub zu sehen?

Sie schaut gerne die Spiele und meine Interviews. Das macht sie aber lieber zusammen mit meinem Opa auf der Couch. Wir werden aber weiterhin regelmäßig telefonieren.