Herzogenaurach. Im EM-Viertelfinale gegen Spanien kommt es für Deutschland auch auf die Ersatzbank an. Julian Nagelsmann hat den richtigen Mix gefunden.
Wer dem Geheimnis der guten Stimmung in der deutschen Nationalmannschaft auf die Spur geht, muss in Stuttgart das Kebaphaus am Feuersee besuchen. Hier kommt Deniz Undav regelmäßig vorbei und bestellt sich einen Döner. Hinter dem Tresen steht ein Mitarbeiter in einem Deutschland-Trikot mit Undav-Aufdruck, der sich als Jamal vorstellt. „Deniz ist hier regelmäßig zu Besuch. Er ist ein super Typ“, sagt er und verrät: „Am Abend vor dem Spiel gegen Ungarn war seine ganze Familie hier.“ Zwei Wochen ist das nun schon wieder her, als die DFB-Auswahl ihr zweites Vorrundenspiel in Stuttgart gewann und vorzeitig ins Achtelfinale einzog. Und Undav sein erstes EM-Spiel machte.
Am Freitag geht es für Deutschland nun wieder nach Stuttgart. Im Viertelfinale spielt die Mannschaft von Bundestrainer Julian Nagelsmann gegen Spanien (18 Uhr/ARD und Magenta). Ob der Stuttgarter Undav dann wieder zum Einsatz kommen wird, ist unklar. Klar ist aber, dass der 27-Jährige einen wichtigen Teil dazu beiträgt, dass rund um die Nationalmannschaft von einer guten Stimmung die Rede ist. Und die entscheidend sein könnte im Duell gegen Spanien.
Auch Nagelsmann hat den Geist von Herzogenaurach bereits gepürt. „Die Stimmung ist immer gut“, sagte Nagelsmann vor dem Achtelfinale gegen Dänemark. „Die Kinder der Spieler laufen total befreit im Camp rum und sind nicht schüchtern. Kinder haben sehr feine Antennen für ein gutes Klima, ob sie sich frei bewegen und Kind sein können, oder ob sie sich gehemmt fühlen. Das beschreibt es ganz gut, wie gut das Klima im Camp ist.“
Nationalmannschaft: Auf Podolski und Großkreutz folgen Undav und Müller
Als Deutschland vor zehn Jahren in Brasilien Weltmeister wurde, galt auch der Geist des Campo Bahia als einer der wichtigsten Gründe für den Titel. Dem damaligen Bundestrainer Joachim Löw war es gelungen, den richtigen Mix der Charaktere zu finden. Mit Führungsspielern wie Bastian Schweinsteiger und Miroslav Klose, aber auch mit Spielern in der zweiten Reihe, die für den Teamgeist wichtig waren. Lukas Podolski oder Kevin Großkreutz zum Beispiel.
In diesem Jahr sind es die Undavs und Thomas Müllers, die verantwortlich sind für eine gute Stimmung auch abseits des Platzes. „Wir haben einfach geile Typen auf der Bank“, sagte Undav im Laufe der Vorrunde und meinte damit nicht nur sich und seine Stuttgarter Kollegen Chris Führich und Waldemar Anton, sondern eben auch Müller oder Niclas Füllkrug, die Emotionen in die Mannschaft bringen.
Nagelsmann hat bei der Zusammenstellung des Kaders gezielt darauf geachtet, neben einer klaren ersten Elf auch Spieler dabei zu haben, die für einen Konkurrenzkampf sorgen, aber auch ihre Rolle akzeptieren, wenn sie von der Bank kommen. Insbesondere Füllkrug musste sich vermutlich schon mehrfach auf die Zunge beißen, als er auf den Konkurrenzkampf mit Kai Havertz angesprochen wurde. „Ich gönne Kai jedes Tor“, sagte Füllkrug.
Julian Nagelsmann und seine „soft skills“
Wenn man Füllkrug und seine Kollegen auf der Ersatzbank sieht, wie sie mitfiebern und sich über die Tore freuen, nimmt man dem 31-Jährigen seine Aussage zu Havertz ab. Lediglich bei Leroy Sané war zwischenzeitlich zu befürchten, dass er Probleme habe mit seiner Rolle als Reservist.
Vielleicht hat dieser Gedanke bei Nagelsmanns Entscheidungsfindung auch eine Rolle gespielt, als er Sané gegen Dänemark in die Startelf beorderte. Nun muss der Bundestrainer erneut entscheiden, ob er Sané trotz dessen nicht überzeugenden Spiels im Achtelfinale auch gegen Spanien erneut von Beginn an spielen lässt, oder doch wieder auf Florian Wirtz setzt.
Eine Gefahr von unzufriedenen Spielern im Team ist aktuell nicht zu erkennen. Nagelsmann ist es mit seiner „Soft skills“-Philosophie gelungen, fast allen Spielern Einsatzzeiten zu schenken. Lediglich die Ersatztorhüter sowie Innenverteidiger Robin Koch haben noch keine EM-Spielminute in ihrer Statistik.
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Die gute Stimmung in Herzogenaurach hat sich bereits herumgesprochen. Die Medienabteilung des DFB versteht es geschickt, mit Videos aus dem Teamquartier den Eindruck zu erwecken, dass alle Spieler Spaß haben. Aber der Eindruck scheint nicht zu trügen. „Ich habe heute noch mit Toni gesprochen und er hat gesagt, dass es nicht mal 2014 so war, dass ein absoluter Zusammenhalt da ist und die Stimmung da ist“, sagt Felix Kroos, Bruder des deutschen Mittelfeldchefs.
Deutschland gegen Spanien: Gute Stimmung im DFB-Team
Auch im Dönerhaus am Stuttgarter Feuersee haben die Mitarbeiter mitbekommen, dass in der deutschen Mannschaft eine gute Stimmung herrscht. Auch dank ihres Stammgasts Deniz Undav. Der wird dort bestimmt wieder vorbeischauen, wenn die EM vorbei ist. „Wir hoffen auf ein Trikot von Deniz, damit wir es hier an die Wand hängen können“, sagt Jamal, während er einen Döner zubereitet. Klassisch. So wie ihn auch Undav am liebsten bestellt.