Essen. Unsere Redakteure diskutieren in einem Pro und Contra über die Stürmerfrage. Sollte Niclas Füllkrug oder Kai Havertz gegen Dänemark starten?
Pro: Die Physis von Füllkrug braucht es gegen Dänemark
Der Mittelstürmer ist das liebste Kind der deutschen Fußballfans. Sie hatten Helmut Rahn und Gerd Müller, Rudi Völler und Horst Hrubesch, Jürgen Klinsmann und Miroslav Klose. Es braucht nicht die höchste Fußballkunst, um erst ins Tor und dann in die Herzen der Deutschen zu treffen. Sondern ein richtiges Näschen im Sechzehner, einen Hintern zum Rausschieben, um die Gegner von der Pelle zu halten, und im Notfall auch einfach mal die Pike, statt des technisch anspruchsvollen Außenrists.
Der Fan wird ungeduldig, wenn er unter Stürmer-Entzug leidet. Und vor allem, wenn ihm jemand etwas von einem falschen Neuner erzählen möchte. Joachim Löw tat das gerne, weil er sah, wie Lionel Messi unter Pep Guardiola funktionierte. Da er in Person von Mario Götze selbst ein vermeintliches Jahrhunderttalent betreute, begann Götze die WM 2014 in der Startelf. An deren Ende schoss er Deutschland zum WM-Titel, dazwischen aber musste es mal wieder Klose richten.
Heute führen wir immer noch die Diskussion, ob nun besser Kai Havertz, ein mitspielender Angreifer, der es traditionell in Deutschland schwer hat und bisher nicht so recht überzeugte, oder eben Niclas Füllkrug bei der EM stürmen sollte. Und es zeichnet sich immer mehr ab, dass Füllkrug im Achtelfinale die bessere Lösung wäre.
Die dänischen Verteidiger sind physisch bärenstark, es braucht jemand mit breitem Kreuz, um dagegen zu halten. Einen wie Füllkrug. Jamal Musiala und Florian Wirtz brillieren, wenn ein Wandstürmer Bälle ablegt und festmacht, weil sie dann plötzlich viel grünen Rasen vor sich hätten. Das kann Füllkrug eher bieten als Havertz. Die Bälle, die ihm von den Zauberern serviert werden, schiebt Füllkrug zuverlässiger als der Arsenal-Offensivspieler über die Linie, seine Torquote im DFB-Dress ist atemberaubend. Und für den Dortmunder spricht eben auch das Momentum, spätestens seit dem Last-minute-Ausgleich gegen die Schweiz. Das Westfalenstadion dürfte ihn zusätzlich kitzeln.
Zurück zu Götze, der die Anfangsformation für Klose verlassen musste: Das Finale von Rio de Janeiro entschied er als Einwechselspieler. Eine Rolle, mit der sich sicher auch Havertz anfreunden könnte.
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Contra: Havertz bringt viele Stärken mit
Kai Havertz hat ein Problem: Er beherrscht im Fußball ziemlich viele Dinge richtig gut, einige sogar auf Weltklasseniveau. Aber nicht alle diese Dinge werden vom Fußballvolk auch so wahrgenommen. Havertz hat so manche Stärke, die der durchschnittliche Fußballfan gerne mal übersieht, die für eine Mannschaft aber eminent wichtig ist.
Nehmen wir das Positionsspiel: Der 25-Jährige bewegt sich oft sehr klug im Sturmzentrum und darüber hinaus, immer wieder geht er Wege, die ihm persönlich nichts bringen, der Mannschaft aber sehr viel. Weil er Abwehrspieler bindet, aus ihren Positionen zieht und so Lücken kreiert für seine Mitspieler. Wer sich die deutschen Angriffe bei dieser EM noch einmal anschaut, wird da einige Momente entdecken. Oft werden diese Szenen von den Zuschauern aber nicht so wahrgenommen, stattdessen bleibt hängen: Der Havertz steht schon wieder irgendwo in der Gegend rum und schießt kein Tor.
Zweite Stärke, die nicht jeder sieht: Havertz ist ein guter Pressingspieler. Auch seinetwegen ist die deutsche Mannschaft bei der EM bislang spitze darin, die Bälle früh zurückzuerobern, auch deswegen kann sie es sich leisten, mit der Abwehrkette so hoch wie keine andere Mannschaft zu schieben und starken Druck auf Gegner auszuüben.
Zwei Gründe, warum seine Trainer den Offensivspieler meist sehr viel stärker wertschätzen, als es das allgemeine Publikum tut. Dass Havertz dazu technisch extrem stark ist, mit den übrigen Feinfüßen auf engstem Raum kombinieren kann, muss man nicht extra erwähnen.
Mit seinem Profil passt Havertz einfach besser in diese Mannschaft und ihre Idee vom Fußball. Ja, er hat erst ein Tor, und das per Strafstoß, nicht viel für einen Mittelstürmer. Aber er hat mit seiner Spielweise zu weiteren Treffern beigetragen und ist ein Faktor dafür, dass die deutsche Offensive mit acht Treffern die gefährlichste des Turniers ist.
Außerdem: Füllkrug erweist sich bislang als exzellenter Joker, der dem Spiel sofort eine neue Facette gibt. So einen hat man doch gerne erstmal auf der Bank sitzen.