Leipzig. In letzter Sekunde erzielt Italiens Joker Mattia Zaccagni das 1:1. Die Squadra Azzurra steht im EM-Achtelfinale, Kroatien vor dem Aus.

Kroatien steht vor dem EM-Aus. Der WM-Dritte von 2022 kassierte am Montagabend nach einer langen 1:0-Führung in der Nachspielzeit gegen Italien das späte 1:1 und hat mit nur zwei Punkten aus drei Spielen nur noch eine Minimalchance auf das Achtelfinale. Die Kroaten blieben damit ihrem Ruf treu, dass sie zwar gut WM können, wie der dritte Platz 2022 und der zweite Platz 2018 zeigte, aber Europameisterschaften sind nicht so ihr Ding. Zwei Viertelfinal-Teilnahmen sind ihre besten Platzierungen bis dato.

Nun hat es sie bereits in der Vorrunde erwischt. Lange allerdings sah es eher nach einem Happy-Ende für den Stolperstar in das EM-Turnier aus. Nach einer Niederlage gegen Spanien und einem späten 2:2 gegen Albanien hatten sie einen Sieg gegen Italien gebraucht – und geliefert. Ausgerechnet Altstar Luka Modric schien und sein Team mit einem filmreifen Auftritt kurz nach der Pause in die K.o.-Runde gehievt zu haben. Erst verschoss er einen Handelfmeter, 31 Sekunden später traf er zum 1:0 (55.). Mattia Zaccagni zerstörte den Traum in der 98. Minute.

Mattia Zaccagni feiert seinen Treffer in der Nachspielzeit gegen Kroatien.
Mattia Zaccagni feiert seinen Treffer in der Nachspielzeit gegen Kroatien. © Getty Images for FIGC | Claudio Villa

Modric war schon vor dem Anpfiff das zentrale Thema gewesen. 177 Spiele hatte er für Kroatien vor dem entscheidenden Duell gegen die Squadra Azzurra gespielt. Die Frage stand im Raum, ob sein 178. Auftritt sein letzter sein würde. Nur ein Punkt aus den ersten zwei Spielen verpflichtete zum Sieg.

Kroatien-Fans in Überzahl

So mussten die Kroaten die Initiative ergreifen. Sie konnten zumindest damit rechnen, dass eine feine Bilanz gegen Italien und der Support der Fans sie mit aufs Feld begleiten würden. Vor dem Anpfiff hatten sie kein einziges Pflichtspiel gegen die Nachbarn verloren (zwei Siege, drei Unentschieden), und sie konnten sich auf ihre Landsleute verlassen. In schierer Zahl waren die nach Leipzig gekommen und den Italienern weit überlegen. 

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Für die restlichen Umstände sorgten die Trainer mit ihren Aufstellungen. Beide tauschten Personal. Kroatiens Zlatko Dalic vier Mal (Pongracic, Stanisic, Sucic und Pasalic), den Startelfeinsatz von Hoffenheim-Stürmer Andrej Kramaric behielt er bei. Italiens Coach Luciano Spallletti wechselte drei Mal (Darmian, Retegui und Raspadori). 

Ein paar der Neuen prägten die Torszenen der ersten Hälfte. Luka Susic etwa hatte die erste im Spiel, mit einem Distanzschuss zwang der Salzburg-Profi Italiens Keeper Gianluigi Donnarumma zu einer Flugparade (5.). Auf der Gegenseite bekam Giacomo Raspadori die erste Chance der Spalletti-Elf auf die Stirn, sein Kopfball flog allerdings weit neben das Tor (11.).

Italien setzt Nadelstiche

Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Italiener so langsam in der Partie eingerichtet. Mit einem 5-3-2 dichteten sie ihren Hinterhof ab, überließen das Mittelfeld den Kroaten und setzten nach und nach immer öfter ihre Nadelstiche. 

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Vornweg mit Startelf-Debütant Mateo Retegui. Der Profi vom CFC Genua hatte binnen weniger Minuten drei Möglichkeiten, eine klarer als die andere. Die erste köpfte er knapp neben das Tor (21.), die zweite, ein Schuss im Strafraum, wurde geblockt (23.), die dritte, wieder auf dem starken linken Fuß, verfing sich abermals in einem kroatischen Bein (26.).

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Italiener ihre Gegner, wo sie sie haben wollten: zunehmend verzweifelnd und ideenlos gegen den Pragmatismus des Europameisters. Nicht einmal die Bierbecher-Kaskaden bei ihren Eckbällen brachte sie aus der Ruhe. Der Plan, den Gegner zu entnerven, ging beinahe vor dem Pausenpfiff auf, hätte Kroatiens Schlussmann Dominik Livakovic nicht einen Kopfball von Alessandro Bastoni aus zwei Metern Entfernung mit einer Hand über die Querlatte gelenkt (27.).

Modric vergibt Elfmeter und trifft dann doch

Die Partie kippte kurz nach der Pause, und weil Modric beteiligt war, kippte sie nicht einfach so, sondern in Opernmanier. Erst verschoss der Profi von Real Madrid einen Handelfmeter, den der eingewechselte Davide Frattesi bei einem Schuss von Krmaric verursacht hatte (54.). Doch Modric war noch nicht fertig mit der Szene. Nur 31 Sekunden später parierte Donnarumma einen Schuss von Ante Budimir dem Kapitän vor die Füße: Modric hämmerte den Ball mit 81 km/h aus kurzer Distanz unters Tordach.

Luka Modric bei seinem Führungstreffer unmittelbar nach dem vergebenen Elfmeter.
Luka Modric bei seinem Führungstreffer unmittelbar nach dem vergebenen Elfmeter. © AFP | CHRISTOPHE SIMON

Das Stadion flippte komplett aus. Bengalos wurden gezündet, Rauchbomben flogen in den Innenraum, Bierbecher regneten aufs Spielfeld. Danach hieß es für die Kroaten leiden. Fast eine Viertelstunde lang belagerten die Italiener das kroatische Tor, doch Hereingaben und Freistöße flogen entweder vorbei, landeten bei Kroatiens Verteidigern oder flipperten zwischen Schienbeinschonern und Schuhen hin und her. 

Es war kein Durchkommen. Italien verlor zusehends die Überzeugung und lockerte so den Zugriff für die Kroaten, die in der 80. Minuten ihren Altstar vom Feld applaudierten. Zu diesem Zeitpunkt sah alles nach mindestens einem weiteren Spiel für Modric auf der EM-Bühne aus. Bis Zaccagni in der 98. Minute mit einem Fernschuss Modrics Karriere im Nationaltrikot womöglich beendete. 

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