Herzogenaurach. Die Zeit der letzten drei Weltmeister von 2014 im DFB-Team wird bald enden. Der richtige Abschied ist eine große Herausforderung.
Philipp Lahm ist auf großer Deutschland-Reise. Heute hier, morgen dort. Aber nicht mit dem Helikopter, in dem Franz Beckenbauer 2006 ein Stadion nach dem anderen angeflogen war. Trotzdem kommt der Europameisterschafts-Direktor viel herum. Am Donnerstag sah Lahm in Frankfurt noch Harry Kane für England treffen, am folgenden Morgen nutzte er den Besuch in Hessen für ein Interview mit dem ARD-Morgenmagazin auf dem DFB-Campus. „Natürlich saugt man das auf“, sagte Lahm über die vielen Eindrücke beim Turnier, dessen erste Woche schon wieder Geschichte ist.
Neben Lahm saß Olaf Thon, Legende von Schalke 04, aber an dieser Stelle vor allem Repräsentant der 1990er-Weltmeister. Das Turnier in Italien ist das erste, an das Lahm, der damals sechs Jahre alt war, Erinnerung hat. Die Mannschaft um Lothar Matthäus waren seine Fußball-Helden.
Heute kommen die Männer, die für Deutschlands dritten Stern auf dem Trikot sorgten, noch regelmäßig zusammen. Auch die Generation Lahm wird im Herbst ein Klassentreffen veranstalten, zehn Jahre liegt ihr Endspiel-Sieg in Rio de Janeiro schließlich schon zurück. Aus der damaligen Mannschaft sind noch drei Spieler im Kreis der DFB-Elf vertreten, die nun noch zwei Erfolge erzielen können: den EM-Titel im eigenen Land holen – und die Herausforderung des würdigen Abtritts meistern.
DFB-Team: Lahm, Mertesacker und Klose machten 2014 Schluss
Lahm ist nie Europameister geworden, hat aber die zweite Herausforderung geschafft in Brasilien, unmittelbar nach dem Finale. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt erst 30 Jahre alt gewesen ist, teilte er Bundestrainer Joachim Löw mit, künftig nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Per Mertesacker folgte ihm mit 29. Miroslav Klose, schon einige Jahre älter, machte ebenfalls Schluss. Auf dem Höhepunkt konnte es nicht mehr besser werden. Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski hingegen wollten 2016 noch Europameister werden. Podolski spielte keine Rolle mehr, Schweinsteiger ragte heraus im Halbfinale gegen Frankreich, ehe ihm ein Fehler unterlief. Dann war Schluss.
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Geblieben ist bis heute ein Trio. Toni Kroos dirigiert, Manuel Neuer hält an guten Tagen noch immer weltklasse, Thomas Müller schießt nicht mehr so viele Tore wie früher, sondern gibt in Julian Nagelsmanns Mannschaft den Verbindungsmann, der die verschiedenen Charaktere zusammenhält. Ihr Abschied rückt näher. Was ihn für alle erträglicher macht: Er ist selbstbestimmt.
Kroos, 34, tritt nach der EM ab. „Natürlich macht es Spaß und wird mir in Momenten mit Sicherheit fehlen. Aber ich habe immer gesagt: Mir ist lieber, die Leute sagen, dass es zu früh als dass es zu spät ist“, sagte der sechsmalige Champions-League-Sieger. „Ich möchte, dass die Leute hier und in Spanien mich genauso in Erinnerung haben wie jetzt, wo ich eigentlich den besten Fußball meiner Karriere spiele.“ Das verdient Anerkennung. Andere Spitzensportler konnten mit Bällen alles anstellen, schnell rennen, hoch springen oder kraftvoll schmettern – aber nie loslassen.
DFB-Team: Zukunft von Manuel Neuer und Thomas Müller ist offen
Manuel Neuer, 38, hat sich nach seiner schweren Beinverletzung noch einmal zurückgekämpft. Wie es für ihn weitergeht, „kann ich nicht verraten, aber ich werde mir meine Gedanken nach dem Turnier machen“, kündigte Neuer kürzlich an. Ein Hauch von Abschied wehte da schon durch Herzogenaurach. Andererseits: Wem, wenn nicht Neuer, würde man auch 2026 bei der WM noch zutrauen, Bälle zu halten?
Thomas Müller, 34, steht wie Neuer noch bis 2025 beim FC Bayern unter Vertrag. „Ich denke jetzt noch nicht ans Abtreten, sondern an die Aufgaben, die vor uns stehen“, meinte er. Laut einem Bericht des „Kicker“ aus dem Frühjahr soll Müller den Plan verfolgen, nach der kommenden Saison als Aktiver aufzuhören und einen anderen Job im Klub anzunehmen.
DFB-Team: Ein Nachfolger für Toni Kroos ist nicht in Sicht
Der deutschen Nationalmannschaft wird eine Achse wegbrechen, die eine Ära geprägt hat. In Person von Marc-André ter Stegen steht ein Torwart von höchster Güteklasse als Neuer-Nachfolger parat. Die Tore schießen bei der DFB-Elf nun andere als Thomas Müller. Sportlich wird ihr Fehlen nicht so stark ins Gewicht fallen wie das von Toni Kroos, dessen Rückkehr in die Nationalmannschaft ein Segen für Bundestrainer Nagelsmann war. Ein Nachfolger ist weit und breit nicht in Sicht.
Die Karriere der anderen noch spielenden Weltmeister wie Mats Hummels neigt sich ebenso dem Ende entgegen. Mario Götze, auch schon 32, dürfte von allen noch am längsten spielen. Wenn sie sich treffen, könnte ihnen EM-Chef Philipp Lahm noch davon erzählen, wie man die nächste anstehende Aufgabe löst: Eine Erfüllung im Leben auch ohne Stollenstuhe an den Füßen zu finden.