Schmallenberg. Die CDU-Mitglieder im Sauerland haben Friedrich Merz mit einem Top-Ergebnis ausgestattet. Was sie jetzt vom Kanzlerkandidaten erwarten.
Stolz? Frank Kleine-Nathland stockt kurz bei der Frage, ob er denn stolz sei auf Friedrich Merz und darauf, dass mit ihm ein Mann aus dem Hochsauerlandkreis die Chance hat, der nächste Bundeskanzler zu werden. „Ich wollte eigentlich sagen, dass ich mich freue, dass Friedrich Merz unser Kanzlerkandidat wird“, sagt das Vorstandsmitglied im CDU-Stadtverband Olsberg. „Aber ja, man kann auch sagen, dass ich stolz bin.“
So ist das an diesem Samstagvormittag in der Stadthalle Schmallenberg. Keine überschäumende Euphorie, keine Friedrich-Merz-Plakate oder T-Shirts, keine Jubelgesänge. Ja, es gibt viel Applaus, Ovationen im Stehen, aber kurz, nicht minutenlang inszeniert, wie es auf Bundesparteitagen mit noch größerem Medienauflauf bisweilen üblich ist. Die knapp 270 Delegierten der – so schön formal heißt es – „Wahlkreisvertreterversammlung“ der CDU im Hochsauerlandkreis bleiben nüchtern, zeigen auf andere Weise, wie sie Friedrich Merz unterstützen: Zwei Enthaltungen gibt es, eine Nein-Stimme, aber 266 Mal wird Ja angekreuzt bei dieser geheimen Wahl, bei der es um die Aufstellung des CDU-Kandidaten für den Bundestagswahlkreis Hochsauerlandkreis geht.
„So ein gutes Wahlergebnis habe ich noch nie erhalten“, sagt Friedrich Merz auf der Bühne. Und später gegenüber der WESTFALENPOST zeigt er sich augenzwinkernd erleichtert, dass es zumindest eine Nein-Stimme gegeben hat: „Sonst wäre es ja ein sozialistisches Ergebnis geworden.“
Fotos mit Merz sind begehrt
Und noch ein deutliches Zeichen gibt es, dass sie dann doch sehr stolz sind auf ihren Friedrich an der CDU-Basis im Hochsauerland: Nach dem offiziellen Teil ist die Schlange lang, um ein Foto mit dem Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten in einer eigens aufgebauten CDU-Kulisse zu schießen. Hier scherzt Merz, schüttelt viele Hände, kennt viele beim Namen.
Eine Szenerie, die sich so ähnlich den gesamten Vormittag wiederholt. Friedrich Merz ist zwar permanent von Personenschützen umgeben – doch trotzdem kommen immer wieder Parteimitglieder auf ihn zu: Händeschütteln, kurze Gespräche. Viele kennen ihn, der bundesweit im Rampenlicht steht, schon seit Jahren, haben ihn immer wieder bei ganz alltäglichen (Partei-)Veranstaltungen im Sauerland erlebt.
„Also bei uns hier ist dieses angebliche Frauenthema bei Friedrich Merz noch nie eines gewesen.“
Und so empfindet auch Katja Lutter, CDU-Mitglied aus Schmallenberg, diesen Samstagvormittag trotz der vielen Fernsehkameras, trotz der vielen Reporter als eher normales Arbeitstreffen der CDU: „Friedrich Merz ist ja auch sonst hier immer präsent gewesen.“ Ob er auch der richtige Kanzlerkandidat für die CDU ist? „Das finde ich schon“, sagt Katja Lutter. Und sie winkt ab bei dem Punkt, dass Merz bei Wählerinnen doch nicht so gut ankommen soll: „Also bei uns hier ist dieses angebliche Frauenthema bei Friedrich Merz noch nie eines gewesen.“
Fotos: So wählt Sauerland-Basis Merz zum Kandidaten
Sie bemisst den Kandidaten an diesem Vormittag an dem, was er inhaltlich sagt. Dass Merz zum Beispiel ankündigt, den Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie in einer CDU-geführten Bundesregierung wieder zu reduzieren, freut Katja Lutter, die im Beruf Leiterin des Schmallenberger Tourismusbüros ist: „Das betrifft hier viele Betriebe im Sauerland.“ Gut sei auch, dass Merz zur Landwirtschaft und zur Windkraft deutlich Position bezogen habe. Das seien Themen, die die Bürgerinnen und Bürger im Hochsauerland bewegten.
Friedrich Merz hält in weiten Teilen eine Sauerland-Rede
Und in der Tat, Friedrich Merz, der sonst in seinen Reden auch gerne die großen weltpolitischen Linien zieht, hält hier in weiten Teilen eine Wahlkreiskandidaten-Rede für das Sauerland. Er bedauert, dass die Verlängerung der Autobahn 46 als Bundesstraße 7n in Richtung seiner Geburtsstadt Brilon noch immer nicht realisiert sei. Er spricht über die Krankenhausreform und fordert, dass alle Standorte im Sauerland erhalten bleiben müssten. Er kündigt für den Januar eine „Agenda 2030“ für eine neue Wirtschaftspolitik an, bei der es - ja gewiss - auch um die großen Industriebetriebe gehe. „Aber vor allem muss der Mittelstand gestärkt werden, die vielen eigentümergeführten Betriebe.“ Also die Wirtschaftsstruktur, die auch das Sauerland prägt.
- Sauerland: Friedrich Merz mit knapp 100 Prozent gewählt
- Das Sauerland hat Friedrich Merz‘ Aufstieg möglich gemacht
- Neuwahlen: Darum hat es Friedrich Merz so eilig
- Friedrich Merz: Der Unbeugsame aus dem Sauerland
- Wahl rund ums Sauerland: Sicherer Merz und Wackelkandidaten
- „Mehr Sauerland für Deutschland!“ Merz zu Gast in Winterberg
- Viele Bilder: Friedrich Merz und seine Heimat, das Sauerland
- Schmallenberger CDU zur Merz-Wahl: „Sind stolz wie Oskar“
Und sehr intensiv geht er auf die Befürchtungen vor einem Wildwuchs an Windrädern nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zu den ausgewiesenen Vorrangflächen ein. Eine von ihm geführte Regierung werde sich des Themas annehmen: „Wir stehen zur Windkraft, aber wir müssen die Sorgen in den Dörfern ernst nehmen, wir müssen eine Spaltung der Gesellschaft verhindern.“
„Wir wollen den Menschen nicht vorschreiben, was sie essen oder wie sie heizen sollen. “
Es ist keine Bierzelt-Rede, die Friedrich Merz an diesem Vormittag hält, aber er lässt durchaus erkennen, dass er im Wahlkampf auch härter wird austeilen können. Er spricht vom „grün-gefärbten Interventionismus“, einer „verkorkste Wirtschaftspolitik“ und verspricht eine Politik ohne Bevormundung: „Wir wollen den Menschen nicht vorschreiben, was sie essen oder wie sie heizen sollen. Wir werden nicht mit Repression und Regulierung arbeiten, sondern mit Anreiz und Ermutigung.“
Merz umgarnt die Basis
Friedrich Merz weiß die CDU-Basis zu umgarnen. Mit seinem Dank, dass man ihm im Sauerland vor dreieinhalb Jahre, als er sich nach zwölf Jahre Politik-Pause erneut um ein Bundestagsmandat im Hochsauerlandkreis beworben habe, das Vertrauen geschenkt habe. Das habe ihn motiviert: „Ich habe noch nie in meinem politischen und beruflichen Leben so viel gearbeitet wie in den vergangenen drei Jahren“, so Merz. „Aber ich denke, man merkt, dass es mir Freude macht.“. Gleichwohl spürt er wohl auch schon die Last, sollte er tatsächlich Kanzler werden: Wenn die nächste Regierung nicht liefere, „werden 2029 die Populisten von links und rechts die Macht übernehmen.“
Mit dem Slogan „Mehr Sauerland für Deutschland“ will Merz zumindest in seinem Heimatwahlkreis auf den Plakatwänden werben. Frank Kleine-Nathland, der Mann aus dem CDU-Stadtverband Olsberg, setzt nun darauf, dass Merz tatsächlich die Themen der Sauerländer nach Berlin trägt: „Ich hoffe, dass das, was er hier gesagt wird, auch tatsächlich umgesetzt wird.“ Denn die Stimmung an der CDU-Basis sei zwar gut. Sorge mache ihm, der auch im Vereinswesen aktiv ist, aber die Stimmung in der breiten Bevölkerung: „Da hört man schon Positionen, die befürchten lassen, dass die Leute ins Extreme abdriften.“ Kann Friedrich Merz das verhindern? „Ich hoffe, dass er sie wieder einfangen kann. Mit klaren konservativen CDU-Positionen.“