Schmallenberg. Es soll ein Schritt auf dem Weg ins Kanzleramt sein: Wie Friedrich Merz am Samstag die Basis im Sauerland für sich gewinnt.
Es ist ein weiterer Schritt zu seiner geplanten Kanzlerschaft: Tief im Sauerland ist Friedrich Merz am Samstag (30. November) gewählt worden. Zwar nicht als Kanzlerkandidat und nicht als CDU-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl am 23. Februar, aber dennoch war es eine Art Krönungsmesse in der Stadthalle Schmallenberg: Merz ist zum CDU-Bundestagskandidaten für den Hochsauerlandkreis bestimmt worden. Und das in Begleitung eines großen Medienauflaufs: Zahlreiche Kamera- und Reporterteams waren ins Sauerland gekommen.
Um 11.23 Uhr stand das Ergebnis fest: Es gab nur zwei Enthaltungen und eine Nein-Stimme, 266 Delegierte stimmten hingegen für Friedrich Merz. Der wurde mit Standing Ovations von den Delegierten gefeiert. Auf der Bühne sagte er: „So ein gutes Wahlergebnis habe ich noch nie erhalten.“ Und später im Gespräch mit der WESTFALENPOST zeigt er sich augenzwinkernd erleichtert, dass es zumindest eine Nein-Stimme gegeben hat: „Sonst wäre es ja ein sozialistisches Ergebnis geworden.“
Fotos mit dem Kandidaten
Auch nachdem die Wahlkreisvertreterversammlung offiziell beendet worden war - mit dem Singen der Nationalhymne - standen noch viele CDU-Mitglieder an, um mit Friedrich Merz Fotos in einer vorbereitete CDU-Kulisse Fotos zu machen. Der Kandidat zieht.
„Wir werden nicht mit Repression und Regulierung arbeiten, sondern mit Anreiz und Ermutigung.“
Zuvor hatte Friedrich Merz die CDU-Basis umgarnt. Vor gut dreieinhalb Jahren habe ihm die CDU im Hochsauerland das Vertrauen geschenkt und ihn noch einmal als CDU-Bundestagskandidaten nominiert. Obwohl er damals eine zwölfjährige Pause in der Politik hinter sich gehabt habe, obwohl er zweimal bei seiner Kandidatur für den CDU-Bundesvorsitz gescheitert sei. Seine Frau Charlotte habe ihn - damals ohne Aussicht auf Kanzlerkandidatur oder Parteivorsitz- gefragt: „Ist es wirklich das, was Du willst. Für ein oder zwei Wahlperioden als einfacher Abgeordneter in den Bundestag gehen?“ Er habe gesagt: „Ja, das ist so. Mitglied des Deutschen Bundestages war mir immer das Wichtigste in meiner politischen Karriere.“
Merz geißelt „grün-gefärbten Interventionismus“
Insgesamt hielt Friedrich Merz tatsächlich eine Rede mit deutlichen Sauerland-Schwerpunkten. Klar, er ging auch auf die „große“ Welt- und Bundespolitik ein, packte tief in die Wahlkampfrhethorik-Kiste, als er den „grün-gefärbten Interventionismus“, eine „verkorkste Wirtschaftspolitik“ geißelte und eine Politik ohne Bevormundung versprach. Im Januar werde die CDU eine Agenda 2030 für Wirtschaftsreformen vorstellen und im Februar dann auf einem Parteitag ein 100-Tage-Sofortprogramm für eine CDU-geführte Bundesregierung beschließen. „Wir werden nicht mit Repression und Regulierung arbeiten, sondern mit Anreiz und Ermutigung.“
Fotos: So wählt Sauerland-Basis Merz zum Kandidaten
Viel Applaus gab es auch für seine Spitzen gegen die EU, nachdem in Brüssel über ein mögliches Rauchverbot im Freien diskutiert wird. Das gehe weit über das hinaus, was die Europäische Union regeln solle. An den CDU-Europaabgeordneten Peter Liese aus Meschede richtete er den Appell, sich darum zu kümmern. Was an Regelungen aus Brüssel komme sei „im Kleinen zu viel, in der Summe ist es zu viel“.
Merz: Windkraft darf Bevölkerung nicht spalten
Er ging aber auch konkret auf die Themen ein, die im Sauerland beschäftigen. Etwa die noch immer nicht umgesetzte Verlängerung der A 46 in die B7n in Richtung seiner Geburtsstadt Brilon. Und sehr intensiv beschäftigte er sich auch mit den Sorgen vor einem Wildwuchs an Windrädern nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zu den ausgewiesenen Vorrangflächen. Merz erinnerte daran, das er direkt nach dem Urteil Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einen Brief geschrieben habe. Der habe einen Textentwurf binnen zwei bis drei Wochen für eine Gesetzesänderung angekündigt, um dem drohenden Wildwuchs doch noch Einhalt zu gebieten: „Jetzt sind mehr als zwei Monate vergangenen und es ist nicht passiert. Uns läuft aber die Zeit weg, den Kommunen läuft die Zeit weg, um regelnd eingreifen zu können.“ Eine von ihm geführte Regierung werde sich des Themas annehmen: „Wir stehen zur Windkraft, aber wir müssen die Sorgen in den Dörfern ernst nehmen, wir müssen eine Spaltung der Gesellschaft verhindern.“
Gastronomie: Merz für ermäßigten Mehrwertsteuersatz
Die Wirtschaftspolitik werde er in den Mittelpunkt des Wahlkampfes stellen, dabei gehe es um die Industrie, „vor allem aber um den Mittelstand, die eigentümergeführten Betriebe“. Der CDU-Parteichef weiß, dass sie im Sauerland und in Südwestfalen das wirtschaftliche Rückgrat bilden. Und auch den Tourismus und die Gastronomie, im Sauerland ein bedeutender Faktor, hatte der CDU-Kanzlerkandidat im Blick. Er kündigte konkret an, dass eine CDU-geführte Regierung den Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie wieder senken werde.
Deutlich positionierte sich Friedrich Merz in der Rentenfrage und griff die SPD an. Deren Strategie sei klar: „Friedenskanzler im Rentenwahlkampf gegen Friedrich Merz.“ Daher wolle er in aller Deutlichkeit sagen: „Das Renteneintrittsalter mit 67 Jahren gilt, daran wird sich nichts ändern. Rentenkürzungen wird es nicht geben. Wer etwas anders behauptet, belügt die deutsche Öffentlichkeit.“
Warnung vor unfairem Wahlkampf
Eröffnet hatte die Wahlkreisvertreterversammlung Matthias Kerkhoff, Landtagsabgeordneter und Vorsitzender der CDU im Hochsauerlandkreis. Er warnte vor der Gefahr eines harten und unfairen Wahlkampfes und ging dabei auch die SPD an, deren Vertreter mehrfach angekündigt hatten, die Person Friedrich Merz in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung zu stellen. „Stigamtisierung 2.0, voll auf die Person, das lassen wir uns nicht gefallen“, so Kerkhoff. „Wir fordern Anstand im Wahlkampf.“
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Seine Parteibasis stimmte er darauf ein, dass der Wahlkreiskandidat Friedrich Merz ganz sicher im Wahlkampf nicht so präsent sein könne wie in vorherigen Wahlkämpfen: „Das wird ein anderer Wahlkampf als sonst. Deshalb liebe Parteifreunde: Das heißt für uns in der CDU Hochsauerland. Wir werden selbst verantwortlich sein.“ Und er warnte angesichts der guten Umfrageergebnisse auch vor Übermut: „Es gibt keinen Grund für eine verfrühte Siegesgewissheit. Wir werden uns keine Leichtsinnigkeit leisten können.“
Überraschungen nicht zu erwarten
Überraschungen waren bei der CDU-Versammlung nicht zu erwarten: Mit einem Gegenkandidaten oder Gegenkandidatin war schon im Vorfeld nicht gerechnet worden. Die Situation war bei der Wahlkreisvertreterversammlung für den Bundestagswahlkreis 147 (Hochsauerlandkreis) also eine andere als im April 2021. Damals gab es eine Kampfabstimmung - und Friedrich Merz war der Herausforderer. Merz trat gegen den HSK-Bundestagsabgeordneten Patrick Sensburg an - und gewann: mit 327 zu 126 Stimmen.
Merz wurde damit Nachfolger seines Nachfolgers. Denn der 69-Jährige saß bereits von 1994 bis 2009 für den Hochsauerlandkreis im Bundestag. Nach seinem Verzicht auf eine erneute Kandidatur folgte ihm Patrick Sensburg, der in der CDU-Hochburg HSK genauso wie Merz den Wahlkreis immer direkt gewann. Doch nach dem Verzicht von Angela Merkel auf den CDU-Vorsitz und vor dem absehbaren Ende ihrer Kanzlerschaft meldete sich Friedrich Merz in der Politik zurück.
Dass Merz im Jahr 2021 die Kampfabstimmung im HSK für sich entschied, darf im Nachhinein als erster Schritt zur heutigen Kanzlerkandidatur gewertet werden. Friedrich Merz konnte auch bei der insgesamt für die CDU desaströsen Bundestagswahl 2021 seinen HSK-Wahlkreis direkt gewinnen, zog in den Bundestag ein. Dann ihm fiel nach zwei vergeblichen Anläufen zuvor der Bundesvorsitz seiner Partei quasi in den Schoß - trotz zweier Gegenkandidaten (Helge Braun und Norbert Röttgen). Und schließlich konnte er sich auch den Vorsitz der CDU-Bundestagfraktion sichern, war damit unumstrittener Oppositionsführer. Noch vor dem Aus der Ampel-Koalition waren sich CDU und CSU auch schon sicher: Merz soll Kanzlerkandidat bei der (damals noch für September geplanten) Bundestagswahl 2025 werden.
Viele Bilder: Friedrich Merz und seine Heimat, das Sauerland
Die Wahlkreisvertreterversammlung in Schmallenberg am Samstagvormittag war vor allem ein hochformaler Akt. Regularien, die das Wahlgesetz vorschreibt, mussten peinlich genau eingehalten werden.