Winterberg. CDU-Kanzlerkandidat Merz fordert schnelle Genehmigungen und kritisiert Bürgergeld. Mit wem er koalieren will. Wirtschaftsempfang Winterberg.

„Mehr Sauerland für Deutschland!“ Mit diesem Slogan wird der CDU-Fraktions- und Parteivorsitzende Friedrich Merz als Kanzlerkandidat in seinem Wahlkreis in den Bundestagswahlkampf ziehen. Das verriet er am Freitagabend beim 2. Wirtschaftsempfang der Stadt Winterberg. Einen Tag vor seiner als Formsache geltenden Aufstellung zum Bundestagskandidaten durch die CDU im HSK präsentierte sich ein sehr auf Ausgleich, Konsens und politischen Umbruch bedachter, aber dennoch kämpferischer Friedrich Merz den rund 150 Gästen aus Handwerk, Handel, Dienstleistung, Sport, Freizeit und Tourismus in der Veltins-Lounge der Eisarena.

Mehr zum Thema

Dass gleich mehrere TV-Sender und zahlreiche Journalisten/innen zum Wirtschaftsempfang der Stadt kommen, ist eher ungewöhnlich. Rund 50 Gäste aus der Kommune waren es bei der Erstauflage der Veranstaltung; jetzt sind es dreimal so viele. Den möglichen nächsten Regierungschef der Bundesrepublik hautnah zu erleben – das zieht. Und vielleicht haut der ja doch noch den einen oder anderen kernigen Spruch raus, denken viele. Das tut der rhetorisch ausgesprochen gewandte Merz, aber sehr moderat. „Es muss wieder Ruhe in die Politik einkehren. Es muss wieder sachlich werden. Die Querelen müssen aufhören.“ Das sind Sätze, die unter den Gästen immer wieder fallen und die Merz wenig später fast genauso formuliert.

Foto
Oppositionsführer und Kanzlerkandidat Friedrich Merz war am Freitagabend Gastredner beim Wirtschaftsempfang der Stadt Winterberg. © WP | Thomas Winterberg

Während Wirtschaftsförderer Winfried Borgmann den Abend noch bei Dämmerlicht eröffnet und Bürgermeister Michael Beckmann der heimischen Wirtschaft für zehn Millionen Euro Gewerbesteuer im vergangenen Jahr dankt, aber auch von einer großen Verunsicherung in der Gesellschaft spricht, geht plötzlich das Licht an. Auftritt Merz! Tosender Beifall.

Die WP Brilon auf Social Media

Der Kanzlerkandidat hat sich thematisch voll auf sein Publikum eingestellt und legt punktgenau den Finger in die Wunden, die den Menschen besonders weh tun: Stichwort Energiewende: Viel werde die gescheiterte Regierung in ihren letzten Amtstagen nicht mehr auf den Weg bringen. Aber für die Änderung des Bundesbaugesetzes sieht Merz gute Chancen: „Wir hoffen, dass das Kabinett am nächsten Mittwoch einen Beschluss fasst, das Bundesbau- und das Bundesimmissionsschutzgesetz so zu ändern, dass das Land NRW wieder planen und der HSK besondere Gebiete ausweisen darf, um den Ausbau der Windenergie zu kanalisieren.“  Er sei kein Gegner der Windenergie – auch wenn er sie nur für eine Übergangslösung halte. „Aber wir dürfen uns unsere Landschaft nicht mit einem Wildwuchs an Energieanlagen zupflastern lassen.“

Foto
Oppositionsführer und Kanzlerkandidat Friedrich Merz war am Freitagabend Gastredner beim Wirtschaftsempfang der Stadt Winterberg. © WP | Thomas Winterberg

Stichwort Bürgergeld: Fachkräftemangel auf der einen Seite und zunehmende Beschäftigungslosigkeit auf der anderen. Merz: „Da passt etwas nicht zusammen. Dieser Arbeitsmarkt ist nicht mehr in Ordnung. Und dafür steht ein Gesetz dieser Koalition und das trägt den Namen Bürgergeld. Es sorgt dafür, dass wir 1,7 Millionen Bürgergeldempfänger haben, die erwerbsfähig sind und trotzdem nicht in den Arbeitsmarkt zurückkehren.“ Es werde nach den Neuwahlen „natürlich eine Grundsicherung“ geben; aber man werde die Rahmenbedingungen grundlegend verändern. Dies sei kein Vorwurf an die Betroffenen, die davon Gebrauch machten, sondern an die Politik. „Wenn wir so etwas ermöglichen, dann dürfen wir uns nicht wundern, dass Menschen es für sich geltend machen.“

EU ist gefordert

Stichwort Bürokratie und Bürokratieabbau: Hier sieht Merz die Europäische Union im Zugzwang. „Alle, die in einer Verwaltung arbeiten, wissen, dass die sehr viele Dinge machen müssen, die vorher im Europarat beschlossen wurden. Ich weiß, was dieser EU-Apparat kann und wie behäbig er sein kann.“ Die EU müsse ihre Politik ändern, um ihre Zustimmung bei der Bevölkerung zu behalten. Sie müsse aufhören, im Kleinen zu viel zu machen, dafür aber im Großen deutlich mehr. Die EU müsse sich nicht mit einem Rauchverbot im Freien beschäftigen, sondern vielmehr damit, welche Handels- und Sicherheitspolitik sie nach der Amtseinführung Donald Trumps machen wolle. Viele Dinge könne man auch in Berlin nur dann angehen, wenn die EU der Regierung die notwenigen Freiräume dafür lasse.

Foto
Oppositionsführer und Kanzlerkandidat Friedrich Merz war am Freitagabend Gastredner beim Wirtschaftsempfang der Stadt Winterberg. © WP | Thomas Winterberg

Stichwort Genehmigung von Projekten: Dass Nicht-Regierungsorganisationen oder Umweltverbände am vielen Stellen im deutschen Planungsrecht und Genehmigungsverfahren beteiligt werden, sei völlig richtig. „Aber wenn das dazu führt, dass sie reine Verhinderungsinstanzen werden, dann ist dieser Gedanke der Beteiligung  ins Gegenteil verdreht worden. Das müsse deutlich reduziert werden. „Dass eine Deutsche Umwelthilfe in Winterberg oder Medebach jedes Vorhaben beklagen kann, das ihr nicht gefällt, das geht nicht mehr. Wir müssen dafür sorgen, dass Genehmigungen schneller gehen.“

Geschlossener auftreten

Viel Beifall bekommt Merz für seine Forderung, dass Deutschland wieder geschlossener mit seinen Nachbarländern auftreten müsse: Merz: „Minister Schäuble hat mir damals einmal gesagt. Der französische Finanzminister ist mein Freund – egal, wie er heißt.“ Diese Art des politischen Denkens und die innere Haltung sei der zerbrochenen Regierungskoalition abhanden gekommen.

Apropos Koalition: Friedrich Merz: „Ich halte es für so gut wie ausgeschlossen, dass diese Regierung noch einmal zusammenfindet. Wir werden ziemlich sicher bei der Wahl keine absolute Mehrheit bekommen. Aber eine Zusammenarbeit mit der AfD und dem BSW wird es nicht geben.“ Mit Blick zum FDP-Bundestagsabgeordneten Carlo Cronenberg, der auch unter den Gästen war, meinte Merz: „Wir wollen mal schauen, ob die FDP noch mit dabei ist. Das müsst ihr aus eigener Kraft hinbekommen.“ Egal, wer den Weg mit der Union gehe, es müsse ein kooperations- und koalitionsfähiger Partner sein.