Hagen. Bundeskanzler Olaf Scholz will Neuwahlen erst im März, Oppositionschef Friedrich Merz so schnell wie möglich. Das steckt dahinter.

Ne, lieber Olaf Scholz, diese Zeit haben wir nicht mehr: Deutschland kann es sich nicht erlauben, mit der Bildung einer neuen Bundesregierung bis in das kommende Frühjahr zu warten. Zu unruhig ist die Weltlage angesichts eines unberechenbaren neuen US-Präsidenten. Zu gewaltig ist die Not der Wirtschaft, die sich aus gutem Grund vor allem eines von ihrer Regierung wünscht: Planungssicherheit. Zu groß ist die Gefahr, dass Populisten im Inneren und Mächte von außen, etwa Russlands Wladimir Putin, versuchen werden, unser Land zu destabilisieren.

Verunsicherung ist groß

Und ganz nebenbei: Auch die Bürgerinnen und Bürger haben das Recht auf eine solide und verlässliche Führung. Denn die Politik dient dem Volk, nicht umgekehrt. Kriege, Krisen, Katastrophen: Verunsichert sind die Menschen schon genug.

Die Rest-Regierung in Berlin gleicht derweil einem Komödienstadel: Ein Verkehrsminister, der seine Partei verlässt, um im Amt zu bleiben, der von seinen eigenen Staatssekretären öffentlich beschimpft wird, ist in der deutschen Geschichte ein Unikum. Ein Kanzler, der dem Chef des Finanzressorts die Gesamtschuldanklage für das Scheitern der Ampel mit persönlichen Attacken demütigend vor die Füße wirft, zeigt, dass es in den vergangenen drei Jahren nie eine echte Vertrauensbasis im Dreierbündnis gegeben hat.

Und wie sollen Cem Özdemir und Volker Wissing eigentlich jetzt zwei ihnen sachfremde Ministerien sinnvoll leiten, die in der zweiten Reihe von FDP-Günstlingen besetzt sind?

Unter dem Strich hat die selbst ernannte Fortschrittskoalition zu wenig zum Fortschritt in Deutschland beigetragen. Kein Wunder, dass alle möglichen Interessengruppen die Projekte, die sich die Ampel für ihre Restlaufzeit vorgenommen hatte, nun in Frage stellen. Stillstand droht.

Scholz spielt auf Zeit, weil ihm ein aus dem Bundeskanzleramt geführter Wahlkampf größere Erfolgsaussichten beschert. Das kann Friedrich Merz natürlich nicht gefallen, deshalb drückt er aufs Gaspedal. Ein Kompromiss ist nicht zu erwarten: Die Kontrahenten schätzen sich persönlich nicht besonders; es droht eher eine Schlammschlacht als ein konstruktives Miteinander.

Schafft FDP es über die Hürde?

Für den Sauerländer wird es allerdings immer schwieriger, einen Koalitionspartner zu finden. Dass die FDP auch im nächsten Bundestag sitzt, ist längst nicht ausgemacht. Mit ihr verbindet die Union (wirtschafts-)politisch die größte Schnittmenge. Lindner und Merz können miteinander, der CDU-Chef ist zudem davon überzeugt, dass eine bürgerliche Mitte die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler hinter sich vereinen könnte. Was dabei stört: die Fünf-Prozent-Hürde. Der ehemalige Finanzminister pokert mal wieder mit einem hohen Risiko.

Grüne und Union trennen derweil Ozeane, und mit der SPD befindet sich Merz gerade auf Entfremdungskurs. Daran würde wohl auch eine Juniorpartnerschaft der Sozialdemokraten ohne Olaf Scholz nicht viel ändern. Wo ist eigentlich Boris Pistorius...?

Geordneter Übergang

Was folgt daraus? Eine Minderheitsregierung wird an der Bewältigung der gewaltigen Herausforderungen scheitern. Schon die von Scholz geforderte Lockerung der Schuldenbremse ist ein Hirngespinst: Merz macht nicht mit. Es droht eine mehrere Monate anhaltende Blockadepolitik.

Neuwahlen sollten deshalb nicht in Hektik angesetzt werden – aber in angemessener Eile. Ende März ist zu spät. Ein geordneter Übergang muss nicht mehrere Monate dauern. Sonst verkommt der Ausspruch „Zum Wohle des Landes“ zu einer hohlen Phrase.