Hagen/Sauerland. Viele Feiertage im Mai und gutes Wetter: Das lädt zum Motorradfahren ein. Doch im Sauerland und in Hagen ist das nicht überall möglich.
Uwe Hoh macht sich keine Illusionen: „Zum Beispiel die Priorei. Da sind wir selbst schuld, dass die Strecke wieder gesperrt ist.“ Die Priorei steht für einen Ortsteil im Hagener Süden. Vom engen Volmetal geht es von dort aus in Serpentinen steil die Straße den Berg hoch bis nach Breckerfeld. Und „wir“, das sind die Motorradfahrer. „Wenn unser Verhalten zur Unfallhäufung führt, dürfen wir uns nicht wundern“, sagt Uwe Hoh, der selbst von Beruf Fahrlehrer ist, aber auch der Vorsitzende der Motorradfreunde Sauerland und leidenschaftlicher Motorradfahrer dazu. „Motorradfahren ist gelebte Freiheit“, sagt er. Und insofern schmerzt ihn auch: „Jede Streckensperrung schränkt die Freiheit ein bisschen ein.“ So wie in Hagen sind mehrere wunderschöne Strecken in Südwestfalen für Motorradfahrer teilweise oder voll gesperrt.
Wie eben die Landstraße 701 von Hagen-Priorei nach Breckerfeld. Seit November 2023 ist sie für Motorradfahrer wieder dicht - und das nach nicht einmal zwei Jahren „Freiheit“. Denn wegen zahlreicher Unfälle war die kurvenreiche Strecke rund 40 Jahre lang für Motorräder verboten. Im Jahr 2022 musste sie dann nach einer erfolgreichen Klage eines Hagener Motorradfahrers wieder freigegeben werden. Das Verwaltungsgericht Arnsberg sagte damals: Der Ennepe-Ruhr-Kreis habe es versäumt, regelmäßig zu prüfen, ob eine solch einschneidende Maßnahme weiterhin nötig sei. Schließlich gebe es noch andere Möglichkeiten, um die Sicherheit von Motorrädern zu gewährleisten.
Doch nach der Freigabe kam es schnell zu neuen Vorfällen, wie die Bilanz des Ennepe-Ruhr-Kreises zeigt: Bis Herbst 2023 gab es neun Unfälle mit Motorrädern. Dabei wurden drei Personen schwer und vier leicht verletzt. Die Unfälle ereigneten sich fast alle an Wochenenden und Feiertagen. Deswegen wurde die Prioreier Straße nun erneut von freitags 12 Uhr bis sonntags 24 Uhr sowie an Feiertagen für Motorräder gesperrt. Gegen das Verbot gibt es neue Klagen, das Verwaltungsgericht Arnsberg hat in einem Eilverfahren im März jedoch entschieden, dass es bestehen bleiben kann.
Motorradfahrer umfahren Straßensperrungen einfach
Uwe Hoh kann die Gründe für die Sperrung nachvollziehen, findet es aber trotzdem „schlimm“, wenn Strecken gesperrt werden. „Es geht um ein respektvolles Miteinander – auch mit den Anwohnern. Strecken müssen nicht direkt gesperrt werden. Da gibt es andere Möglichkeiten“, sagt er. „Ellipsenförmige Fahrbahnmarkierungen sorgen für eine optische Verengung, dadurch geht der Motorradfahrer vom Gas.“ Fünf bis sieben Kilometer pro Stunde seien die Fahrer damit langsamer, so Hoh. „Die Lautstärke nimmt ab, der Effekt ist da.“
Straßensperrungen, so Hoh, hielten die Motorradfahrer ohnehin nicht auf: „Die Strecke vom Albrechtsplatz nach Oberkirchen wird von Motorradfahrern umfahren, die umliegenden Dörfer beschweren sich nun über den Lärm. Wenn eine Strecke gesperrt ist, suchen Fahrer sich eine neue Strecke“, erklärt der Vorsitzende der Motorradfreunde. Die B 236 zwischen Oberkirchen und dem Albrechtsplatz ist für Motorradfahrer am Wochenende und an Feiertagen sowie montags bis freitags von 17 bis 22 Uhr gesperrt. Ebenso die L 685 zwischen Sundern und Arnsberg, die an Wochenenden in beiden Fahrtrichtungen für Motorräder gesperrt ist.
Strecken im Sauerland teilweise oder voll für Motorradfahrer gesperrt
Und es gibt noch mehr Streckensperrungen für Motorradfahrer in der Region: Im Kreis Olpe ist die Strecke „Wildewiese“ von Rönkhausen Richtung Sundern für Motorradfahrer nur eingeschränkt nutzbar. Die Landesstraße 687 (Lenscheider Straße) ist vom 1. April bis 31. Oktober an Samstagen sowie an Sonn- und Feiertagen in Fahrtrichtung Sundern gesperrt. Die Zahl der Motorradunfälle sei auf der kurvenreichen Strecke trotz umfangreicher Maßnahmen wie Geschwindigkeitsbeschränkung, Überholverbot, Richtungstafeln, Schutzplanken mit Unterfahrschutz und Rüttelstreifen nicht zurückgegangen, so die Polizei. Die Sperrung solle die Unfallzahlen dauerhaft senken. Anfang 2025 wird über das weitere Vorgehen beraten. Die Polizei kündigt an, das Verbot weiterhin konsequent zu überwachen.
Und auch im Märkischen Kreis gibt es Sperrungen: Die Hohfuhrstraße in Fahrtrichtung bergab oder die Silbergstraße in Treckinghausen. Im Ennepe-Ruhr-Kreis ist die L 700, die ehemalige B7 zwischen Ennepetal und Gevelsberg, für Motorradfahrer verboten. In Hagen ist die Lethmater Straße (B 236) von Schalk nach Schwerte-Ergste an Wochenenden und werktags in den Abendstunden für Motorräder gesperrt.
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Motorradfahrer fordern Kontrollen statt Sperrungen
Beim ADAC sieht man die Streckensperrungen kritisch: „Die Sperrungen haben einen Effekt, vor Ort ist es leiser. Aber die Leute, die laut fahren wollen, machen es woanders. Das Problem verschiebt sich dadurch“, sagt Till Westermann, Leiter der Kommunikation beim ADAC Westfalen. „Der ADAC ist grundsätzlich nicht für solche Streckensperrungen. Das pauschalisiert die Motorradfahrer. Nicht alle Fahrer machen Lärm, das sind vereinzelte schwarze Schafe.“ Für den ADAC wären deswegen Kontrollen eine Lösung. „Wie die digitalen Tempoanzeigen zur Selbstkontrolle, gibt es Anzeigen für Dezibel. Solche Maßnahmen bevorzugen wir statt Strecken zu sperren“, so Westermann.
Uwe Hoh, der Vorsitzende der Motorradfreunde Sauerland, hat aber wenig Hoffnung, dass zum Beispiel in Hagen-Priorei die Strecke wieder freigegeben wird. Und auch andernorts ist er skeptisch: „Die Strecke am Schälk (Letmather Straße) wird man auch nicht wieder freigeben, da ist zu viel passiert“, sagt Hoh. Er hofft aber, mit einem „respektvollen Miteinander“ weitere Sperrungen zu verhindern. Die Motorradfreunde Sauerland arbeiten deswegen in diesem Jahr mit dem Märkischen Kreis zusammen. „Hier sollen keine weiteren Strecken mehr gesperrt werden, sondern in Verbindung mit der Polizei soll mehr kontrolliert werden. Fahrzeuge mit Manipulation sollen stillgelegt werden. Das ist die richtige Vorgehensweise“, sagt Hoh. Und der Fahrlehrer stellt die Frage: „An wie vielen Wochenenden können wir denn fahren? Von März bis Oktober, an den Wochenenden, wenn das Wetter gut ist. Das sind vielleicht 20 Wochenenden. Dann sind alle wieder weg. Das muss man in Relation sehen und dafür wird so ein Aufwand betrieben.“