Hagen. „Wenn einer kifft, muss er gehen.“ Ein Wirt aus dem Sauerland ist deutlich. Doch beim zuständigen Ministerium herrscht noch Unklarheit.

Mit „Zeit für neue Abenteu-R“ haben die Betreiber des Neheimer Gastrobetriebes „R-Café“ einen einprägsamen Werbeslogan gefunden. In einer Hinsicht jedoch wird das Café und Restaurant direkt am Ruhrtalradweg kein „neues Abenteuer“ bieten, selbst nicht an diesem ersten Biergarten-Samstag des Jahres: Das Kiffen in der Außengastronomie des R-Cafés ist trotz der am 1. April in Kraft getretenen bundesweiten Teil-Legalisierung von Cannabis untersagt.

Geschäftsführer Peter Sachnik hat die Entscheidung bereits vor Tagen in sozialen Medien verbreitet. Und passend zum Thema einen wahren Shitstorm ausgelöst. „Aber einen überaus positiven“, lacht der Gastronom. Er sei ein gewisses Risiko eingegangen, indem er so frühzeitig die Fronten geklärt habe, sagt er: Aber: „Ich habe noch nie so viele positive Reaktionen bekommen. Offenbar haben wir genau den Nerv unserer Gäste getroffen.“

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Fragt man beim NRW-Gesundheitsministerium nach, wie es sich mit dem Cannabis-Konsum in der Außengastronomie verhält, hört man aus der Antwort schnell heraus, dass da noch vieles im Nebel ist, dass das neue Cannabis-Gesetz in Berlin quasi in einer Nacht- und Nebelaktion verabschiedet wurde und daher von den Bundesländern die Details noch nicht zu klären waren.

„Zwischen Beschluss des Bundesrates am 22. März und Inkrafttreten zum 1. April lagen gerade einmal vier Werktage“, sagt dann auch der Sprecher des Landesgesundheitsministeriums Heiko Haffmans: „Eine vernünftige Umsetzung eines so weitreichenden Gesetzes ist in einem demokratischen und föderalen System nicht möglich. Dafür ist der Bund verantwortlich, der das Gesetz mit der Brechstange durchsetzen wollte.“

NRW-Ministerin noch im Austausch

Haffmans zufolge werde „aufgrund der kurzen Vorlaufzeit“ in NRW gegenwärtig noch geprüft, inwieweit und gegebenenfalls welcher Zuständigkeits- und Umsetzungsregelungen es bedarf. Die Ressorts der Landesregierung befinden sich hierzu im Austausch.“

Ein Biergarten an einem See: Das neue Cannabis-Gesetz sorgt in der Gastronomie-Branche für Verunsicherung.
Ein Biergarten an einem See: Das neue Cannabis-Gesetz sorgt in der Gastronomie-Branche für Verunsicherung. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Dessen ungeachtet, verspricht der Ministeriumssprecher, würden „die Ordnungsbehörden und die Polizei bis dahin die Verbote konsequent nach dem Gefahrenabwehrrecht durchsetzen“. Dem neuen Gesetz zufolge ist der Konsum von Cannabis „in unmittelbarer Gegenwart“ von unter 18-Jährigen verboten, ebenso in Fußgängerzonen von 7 bis 20 Uhr, auf Spielplätzen, in Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Sportstätten und jeweils in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich.

„Kaum kontrollierbar“

Und wie soll das kontrolliert werden? Man hört aus den Worten von Ministeriumssprecher Haffmans eine gewisse Ratlosigkeit heraus: „Es hat in der Vergangenheit auch vonseiten der Landesregierung immer wieder deutliche Hinweise gegeben, dass das von der Bundesregierung vorgelegte Cannabisgesetz kaum kontrollierbar ist.“

Ein Sprecher des Innenministeriums hatte vor Tagen von „noch offene Fragestellungen“ gesprochen. Es sei Aufgabe der Kreispolizeibehörden, eigenständig die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen zu kontrollieren, hieß es laut Deutscher Presse-Agentur. Es werde aber intern erörtert, welche Maßstäbe dabei künftig eingehalten werden.

Hausrecht bei den Wirten

Also müssen im Zweifel die Gastronomen selbst ran und von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. So wie Peter Sachnik vom R-Café in Neheim, der ein Cannabis-Verbot ausgesprochen hat. „Eine sehr gute Entscheidung, so können wir weiter mit unseren Kindern zu Ihnen kommen“, zitiert er eine von zahlreichen Äußerungen von Followern in sozialen Netzwerken.

Während so manche Biergartenbetreiber im Land noch nicht recht wissen, wie sie mit der neuen Gesetzeslage umgehen, wollte Sachnik von vorneherein seinen Mitarbeitenden Diskussionen mit Cannabis konsumierenden Gästen ersparen. Sollte man doch einmal einen Besucher mit einem Joint in der Hand erwischen, würde das Servicepersonal diesen freundlich auf das Verbot hinweisen. „Sollte er nicht einsichtig sein, müssten wir ihn des Geländes verweisen. Sie können davon ausgehen, dass es keine langen Diskussionen geben wird.“

Fragezeichen bei der Umsetzung

Ähnlich äußert sich Olaf Hütte von „BiggeSeeFront das Brauhaus“ im Kreis Olpe: „Wenn einer kifft, muss er gehen. Ich will das hier nicht haben.“ Zumal es eine Reihe von Fragezeichen bei der konkreten Umsetzung des neuen Cannabis-Gesetzes in der Außengastronomie gebe: „Sonst ist hierzulande alles geregelt: von den erlaubten Putzmitteln bis zum Toilettengang gemäß einer bestimmten DIN-Norm. Bei einer Droge wie Cannabis aber nicht. Unglaublich!“

Zudem, wettert Hütte weiter, solle sich die Politik einmal das Beispiel Thailand ansehen. Was er meint: Das südostasiatische Land wird die im Juni 2022 vollzogene weitgehende Legalisierung von Cannabis Ende des Jahres wieder aufheben. Dem dortigen Gesundheitsministerium zufolge soll die Zahl der Menschen dramatisch gestiegen sein, die sich wegen psychischer Probleme nach Cannabiskonsum in Behandlung begeben mussten. Laut örtlicher Medien konsumierten immer mehr Minderjährige illegal Cannabis.

Verunsicherung in der Branche

Zurück nach Südwestfalen: Gastronom Peter Sachnik vom R-Café in Neheim registriert mit Blick auf den Cannabis-Konsum in Biergärten und Café-Terrassen eine gewisse Verunsicherung in der Branche. Abgesehen davon, dass es angesichts fehlender Informationen aus dem gesetzgebenden Berlin keinen Kontakt rund um das Thema Cannabis-Konsum in der Öffentlichkeit von den örtlichen Behörden an die Betriebe gegeben habe - „halten sich einige Kollegen zunächst bedeckt, weil sie Angst vor einem Shitstorm haben, wenn sie von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und das Kiffen auf ihrem Grundstück verbieten; oder weil sie es sich mit möglichen Besuchergruppen nicht verscherzen wollen.“

Völlig angstfrei will Mike Henning, Inhaber des Strandhauses am Hagener Hengsteysee, Schilder im Außenbereich anbringen. Aufschrift: „Auf dem Gelände ist der Konsum von Cannabis verboten.“ Das in seinen Augen eher spezielle Klientel, das in der Öffentlichkeit kiffe, passe nicht zu seinem üblichen Publikum. Zudem verursache der „Gestank von Marihuana eine unzumutbare Geruchsbelästigung“, so Henning weiter.

Sollte ein Cannabis-Konsument nicht einsichtig sein, müssten wir ihn des Geländes verweisen. Sie können davon ausgehen, dass es keine langen Diskussionen geben wird.
Peter Sachnik - Geschäftsführer R-Café in Arnsberg-Neheim

Der Konsum von Cannabis kommt ihm also auf seinem Gelände nicht in die Tüte. Also werde er sein Hausrecht konsequent durchsetzen, verspricht der erfahrene Gastronom. Gleichwohl erwartet Henning nicht, dass es viele hochkochende Diskussionen geben wird: „Kiffer sind in der Regel nicht aggressiv.“ Man könnte es mit Blick auf den Cannabiskonsum in der Außengastronomie auch so ausdrücken: Womöglich wird schnell Gras über die Sache wachsen, wenn es eines Tages klare Regelungen geben sollte.