Menden/Gevelsberg. Der volle Mehrwertsteuer-Satz auf Gas gilt schon seit 1. April: Aber man kann noch sparen, wer man nun den Zähler abliest. Die Gründe.

Seit dem 1. April zahlen Kunden für ihr Erd-, Bio- und Flüssiggas sowie Fernwärme wieder den normalen Steuersatz in Höhe von 19 Prozent. Verbraucherschützer hatten bereits vor einigen Tagen geraten, unbedingt zu diesem Stichtag den Stand des Gaszählers abzulesen und die Daten dem Gaslieferanten mitzuteilen. „Es lohnt sich auf jeden Fall, dies auch jetzt noch zu tun, falls noch nicht geschehen“, sagt Energieexpertin Inse Even von der Verbraucherzentrale.

Hohe Preise und viele Pleiten

Wird der aktuelle Stand des Gasverbrauchs dem Versorger nicht mitgeteilt, wird dieser auf Basis des Vorjahreszeitraums geschätzt. Das könnte zum Nachteil für die Kunden sein, weil möglicherweise mehr Kubikmeter Gas mit 19 Prozent Steuer berechnet werden, als tatsächlich verbraucht worden sind, warnt Verbraucherschützerin Even. Dies würde bedeuten, dass zu viel Gas zu dem um zwölf Prozent gestiegenen Bruttogaspreis abgerechnet würde.

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Die Bundesregierung hatte den Umsatz- beziehungsweise Mehrwertsteuersatz für Gaslieferungen von Oktober 2022 bis einschließlich 31. März 2024 auf sieben Prozent vorübergehend abgesenkt. Eine Maßnahme, um Verbraucherinnen und Verbraucher von den schon im Vorfeld des Ukrainekriegs enorm gestiegenen Preisen zu entlasten. Die bereits ab Herbst 2021 sprunghaft gestiegenen Energiekosten hatten zu Verwerfungen auf dem Markt und zu Insolvenzen von Billig-Energieanbietern geführt. Hunderttausende Kundinnen und Kunden standen kurzfristig ohne Gas- bzw. Stromliefervertrag da. Die örtlichen Grundversorger, häufig Stadtwerke, mussten diese Kunden beliefern - allerdings mussten sie den ungewollten Neukunden nicht die günstigsten Tarife anbieten. Vorübergehend, in der Regel für einige Wochen, wurden hier Ende 2021 und Anfang 2022 insbesondere von nordrhein-westfälischen Versorgern so teure „Ersatzversorgungstarife“ kreiert, dass die Verbraucherzentrale dagegen klagte.

Einkauf zu Tagespreisen riskante Wette

Aus Sicht der Stadtwerke war dies eine Schutzmaßnahme für treue Bestandskunden. Die kurzfristige Beschaffung zusätzlicher Energiemengen war im Jahr 2022 sehr teuer. Die meisten örtlichen Versorger kaufen Strom und Gas mittel- und langfristig ein, mitunter einen geringen Teil auch zu Tagespreisen an der Börse. So verfährt beispielsweise die AVU aus Gevelsberg, Grundversorger im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis. „Der Einkauf ausschließlich am Spotmarkt zu Tagespreisen ist immer eine Wette. Die kann sich ein Regionalversorger nicht leisten“, erklärt Jürgen Bermes von der AVU. Dass, bei mittlerweile wieder gesunkenen Tagespreisen, Kunden zu Billiganbietern wechselten, liege auch daran, dass einige Leute nach den Krisen eben weniger Geld zur Verfügung hätten. Es gebe aber viele Kunden, die nicht nur auf den Preis schauten, sondern auch darauf, wie sich das Unternehmen im Versorgungsgebiet engagiere.

Die Preise für den Einkauf von Energie sind in den vergangenen Monaten gesunken. Wir stellen uns dem Wettbewerb. Wir erreichen nicht jeden Neukundenpreis auf dem Markt, aber unsere Preispolitik ist fair.
Josef Guthoff - Sprecher der Stadtwerke Menden

Ähnlich scheint es bei den Stadtwerken Menden zu sein. Rund 11.000 Haushalte beziehen Gas bei den Mendenern, die ebenfalls nach der sicheren Methode mittel- und langfristig Energie einkaufen. „Die Preise für den Einkauf von Energie sind in den vergangenen Monaten gesunken. Und der Wettbewerb ist wieder voll da“, sagt Josef Guthoff, Sprecher der Stadtwerke Menden. Den örtlichen Versorger schrecke dies nicht: „Wir stellen uns dem Wettbewerb. Wir erreichen nicht jeden Neukundenpreis auf dem Markt, aber unsere Preispolitik ist fair.“

Mendener Kunden profitieren sechs Monate länger

Was Guthoff damit meint, zeigt sich auch am aktuellen Thema Steuerumstellung beim Gasbezug. Rund um den 1. April hätten viele Kundinnen und Kunden sich um das Thema Zählerstandablesung gekümmert. Dies sei ohnehin immer möglich, erwähnt Guthoff. Nötig sei es allerdings bei den Stadtwerken Menden nicht gewesen. „Das komplette Jahr 2024 wird mit 19 Prozent Mehrwertsteuer abgerechnet“, sagt Guthoff. Die Stadtwerke Menden rechnen immer zum Stichtag 31. Dezember eines Jahres ab, im Gegensatz zu anderen Anbietern, die rollierend abrechnen, also immer orientiert an dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Das Stichtagsmodell ist nicht nur zulässig, sondern sei aus Sicht des Bundesfinanzministerium (BMF) grundsätzlich anzuwenden, wie das Ministerium dieser Zeitung mitteilt. Für die Kunden der Mendener Stadtwerke heißt dies, dass die Gaspreise 2022 und 2023 komplett nur mit sieben Prozent Steuer abgerechnet wurden. „Unsere Kunden haben also 24 Monate statt 18 Monate profitiert“, erklärt Stadtwerkesprecher Guthoff.

Viele Versorger schätzen den Verbrauch

Die AVU, die rollierend abrechnet, rät ihren Kunden dazu, jetzt noch die Gaszählerstände abzulesen. Ähnlich äußert sich der Energieriese Eon, der unter anderem im Raum Arnsberg Grundversorger beim Gas ist. „Wir haben unseren Kundinnen und Kunden im Vorfeld der Anpassung der Mehrwertsteuer Gas zum Beispiel online darauf aufmerksam gemacht, dass sie uns ihren Zählerstand zum Stichtag mitteilen können. Viele haben von dieser Möglichkeit rund um den Monatswechsel Gebrauch gemacht“, erklärte ein Eon-Sprecher auf Anfrage dieser Zeitung. Falls kein abgelesener Zählerstand vorliege, nehme Eon die entsprechende Abgrenzung - wie andere Versorger auch - rechnerisch vor. Genau dies könne aus Sicht der Verbraucherzentrale aber ein teurer Nachteil sein.