Hagen. Die Wirtschaft steht bundesweit vor Problemem. In Südwestfalen sind die Sorgen aber viel größer. Es muss gehandelt werden. Eine Meinung
Lassen Sie uns kurz in die Zukunft blicken. Juni 2026: Bundessuperminister Boris Pistorius (SPD) – er leitet unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) neben dem Verkehrs- auch das Wirtschaftsressort – gibt in einem feierlichen Akt die neue A-45-Brücke bei Lüdenscheid für den Verkehr frei. Vorgänger Volker Wissing, der mit der FDP bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist, musste absagen. Er hat einen Termin als neuer Digitalbeauftragter der Gemeinde Kleßen-Görne in Brandenburg.
Viele Ehrengäste sind bereits am Vortag angereist, weil alle Bundesstraßen im Umfeld marode sind und gesperrt werden mussten. Die Arbeitslosenquote in Südwestfalen ist von 5 Prozent im Jahr 2023 auf 13,5 Prozent gestiegen. Unternehmen, sogar traditionsreiche Familienbetriebe, haben ihre Produktion ins Ausland verlagert oder sind pleite. Die Zahl der Weltmarktführer in Südwestfalen, 2023 waren es noch mehr als 150, ist auf 39 gesunken. Der Märkische Kreis hat 18.000 Einwohner verloren. Die Deutsche Bahn geht davon aus, dass sie die wichtige Verbindung Hagen - Siegen - Hanau bis zum Jahr 2052 für den Güterverkehr freigeben kann.
Bittere Realität
Lustig? Nein. Und deshalb nun zur bitteren Realität.
Südwestfalen – insbesondere der Märkische Kreis und der Kreis Olpe – steuert gerade sehenden Auges in die Katastrophe. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verschlechtern sich rapide, die Transformation muss beschleunigt werden, die Digitalisierung sowieso, den Bürokratieabbau fordern alle, aber niemand setzt ihn um. Das alles ist bekannt und trifft für andere Regionen ebenfalls zu.
Südwestfalen steckt jedoch in einem ganz speziellen Dilemma. Dort bricht gerade die Verkehrsinfrastruktur zusammen. Die Umleitungsstrecken der gesperrten Sauerlandlinie gehen in die Knie. Welche Folgen das für die Menschen und die Unternehmen hat, lässt sich in Nachrodt-Wiblingwerde beobachten. Um nachzurechnen, welche Konsequenzen es für Spediteure hat, bei eigentlich kurzen Touren 30 bis 40 Kilometer Umweg in Kauf zu nehmen, braucht es keinen Taschenrechner. Die Lennebrücke ist kein Einzelfall, weitere kaputte Bauwerke dürften schon bald den Verkehr weiter ausbremsen – und die Lebensqualität der Menschen vor Ort verschlechtern.
Es gab Zeiten, in denen wollten Wirtschaftsvertreter und andere Entscheider in Südwestfalen von Düsseldorf, Berlin und Brüssel einfach nur in Ruhe gelassen werden. Motto: Wir machen das hier schon. Diese Zeiten sind vorbei. Ohne Hilfe von Bund und Land fällt die Region in ein tiefes Loch. Konkrete Unterstützung, ja: Geld, ist gefragt. Mit Betteln hat das nichts zu tun: Was Südwestfalen (noch) zum deutschen Bruttosozialprodukt beisteuert, ist nicht zu unterschätzen.
Konkrete Maßnahmen
Und was heißt das konkret? Alle Beteiligten müssen sich schleunigst an einen Tisch setzen und Maßnahmen erarbeiten:
- Straßen NRW muss das Schadensbild aller relevanten Straßen im A-45-Umfeld priorisieren und Reparaturen einleiten, bevor Sperrungen nötig werden. Die Landesregierung muss die Behörde dazu ertüchtigen; sie darf sich nicht hinter bürokratischen Vorgaben verstecken.
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- Das A-45-Sonderkreditprogramm muss regional ausgeweitet werden.
- Für Unternehmen, die wegen der Sperrungen unverschuldet in die Krise geraten, muss ein Notfallfonds aufgelegt werden.
- Für die Region muss ein Krisenbeauftragter eingesetzt werden, dessen Kompetenzen über die eines Frühstücksdirektors hinausgehen.
- Die Runde muss weitere Vorschläge machen; dort sitzen Leute, die dafür sogar bezahlt werden.
- Das Problembewusstsein in Düsseldorf und Berlin muss steigen. In NRW, lieber Herr Wüst, muss das Thema Chefsache werden.
Ist das alles übertrieben? Diese Frage lässt sich erst in paar Jahren beantworten. Dann aber könnte es zu spät sein: Für Südwestfalen geht es mittlerweile um mehr als um einen Infrastrukturgipfel; es geht wohl eher um einen Rettungsgipfel.