Hagen. Niels Hellmig geht joggen, spielt Schach, liest, lernt Polnisch. Und das alles, bevor er mit der Arbeit beginnt. Hier verrät er sein Geheimnis.

Dieser Moment ist einer der Gründe, warum Niels Hellmig (37) macht, was er macht. „Wenn ich morgens loslaufe und sehe, dass überall noch die Lichter aus sind, dass überall die Rollos noch geschlossen sind, dann danke ich: Geil, dass ich schon aktiv bin!“ Das gibt ihm das Gefühl, dem Wahnsinn des Alltags einen Schritt voraus zu sein. Das Gefühl, dem Alltag ein Schnippchen geschlagen zu haben.

Spätestens um 5.30 Uhr steht der Hagener auf – und das, obwohl sein Arbeitstag als Key Account Manager bei Dormakaba für gewöhnlich erst gegen 8.30 Uhr beginnt. Während andere sich noch einmal in die Decke kuscheln, macht er Sport, duscht heiß und dann kalt, spielt anschließend eine Partie Online-Schach. Oder lernt per App Polnisch. Oder liest. Dann erst beginnt das, was er das Pflichten-Karussell nennt: all die Dinge, die getan werden müssen.

Wenn alles noch schläft, ist Niels Hellmig - hier mit seinem älteren Sohn - schon auf der Laufstrecke unterwegs.
Wenn alles noch schläft, ist Niels Hellmig - hier mit seinem älteren Sohn - schon auf der Laufstrecke unterwegs. © WP | Michael Kleinrensing

Menschen, denen er von seiner Morgen-Routine erzählt, schütteln manchmal ungläubig den Kopf, weil sie es nicht verstehen. Oder sie nicken anerkennend und schieben die Unterlippe nach vorn, als wäre ihm etwas Außergewöhnliches gelungen.

Prominente Mitglieder des 5-Uhr-Klubs: Bill Gates, Tim Cook, Michelle Obama

Dabei scheint der Kreis derer, die ihren Tag freiwillig besonders früh beginnen, größer zu werden. Grund dafür auch: Das Buch von Bestseller-Autor Robin Sharma. Titel: „Der 5-Uhr-Klub - Gestalte deinen Morgen und in deinem Leben wird alles möglich“. Prominente Verfechter dieser Lebensweise: u.a. Microsoft-Gründer Bill Gates, Apple-Manager Tim Cook, Millionär Richard Branson, Ex-First-Lady Michelle Obama oder Model und Unternehmerin Heidi Klum. Botschaft: Wer gelassen sein und gesünder leben will, wer kreativ sein und performen will, so formulieren das leistungsbereite Menschen wohl, muss früh(er) aufstehen.

Es geht nicht darum, Höchstleistungen zu vollbringen, sondern sich zu aktivieren. Das gibt mir Energie für den Tag.
Niels Hellmig, der freiwillig jeden Morgen um 5 Uhr aufsteht, um Sport zu treiben

„Auf dem Level der genannten Damen und Herren ist es nachvollziehbar, dass man sich perfekt organisieren muss“, sagt Niels Hellmig, „aber auch ich hatte das Gefühl, dass ich meine Tagesstruktur verbessern kann.“ Früher, sagt er, sei er gegen 6.45 Uhr aufgestanden und direkt ins Hamsterrad der täglichen Routine gestiegen. Hieß bei ihm: Zusammen mit seiner Frau die beiden Kinder (6 und 8 Jahre alt) für die Schule fertig machen, dann selbst die Arbeit antreten. Mittags, sagt er, sei er stets träge und unkonzentriert geworden, am Abend fehlte oft die Zeit für Sport.

Er steckte in dieser Schleife fest, sagt er. Im vergangenen Sommer sah er die Werbung für das Buch und bestellte es direkt. Seither hat er seine Gewohnheiten umgestellt. „Das hat mein Leben verändert“, sagt er.

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Wenn der Wecker klingelt, springt er aus dem Bett – wie es im Buch empfohlen wird - und schlüpft in die Sportklamotten, die er sich am Abend zuvor bereitgelegt hat. Sofort raus: Joggen. „Es geht nicht darum, Höchstleistungen zu vollbringen, sondern sich zu aktivieren.“ Vier, fünf, sechs Kilometer macht er. Je nachdem, wie er sich fühlt. „Das gibt mir Energie für den Tag.“

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Und wenn die Müdigkeit gegen 17 oder 18 doch kommt, „habe ich ja die Aussicht, dass ich zeitnah zur Ruhe komme. Das war sonst mittags nicht der Fall“. Die Kinder noch vom Fußballplatz abholen, dann den Abend einläuten.

Um 22 Uhr geht es ins Bett

„Die Zeit morgens hat man für sich. Das ist Zeit, die man sich sonst nicht nimmt“, sagt Hellmig. Früher ging er meist gegen 23 Uhr oder später ins Bett – jetzt um 22 Uhr. Ab dann verzichtet er auf Elektronik und liest stattdessen noch eine Weile in einem Buch. „Ich bin abends müde, schlafe gut ein und auch durch. Früher dachte ich, ich sei der Typ, der seinen Schlaf dringend braucht, der so früh niemals aufstehen könnte“, sagt er. Aber er suchte Zutritt zum 5-Uhr-Club und fand ihn – wenn auch unter Schmerzen. „Die ersten zwei Wochen waren brutal, die nächsten vier hart, aber es verändert alles – und zwar zum Guten.“

Ein Dreivierteljahr lang macht er das schon. Ausnahmen erlaubt er sich, wenn er mal deutlich später ins Bett kommt. Aber jetzt, wenn die Tage wieder länger werden, wenn sich der Frühling zart ankündigt und bald die Vögel auf seiner Runde zwitschern, mache es noch mehr Spaß. Und die Sache steckt offenbar an. Der ältere Sohn besteht seit neuestem darauf, mit Papa morgens laufen zu gehen.