Hagen. Für den Menschen gehe vom Wolf keine Gefahr aus, sagt der Experte vom Naturschutzbund. Er reagiert auf ein Interview dieser Redaktion.
Vor kurzem veröffentlichte diese Redaktion ein Interview mit Peter Schleifenbaum, einem Sauerländer, der seit Jahrzehnten in Kanada lebt, dort einen riesigen Wald und ein Wolfsrudel besitzt. Wir sprachen mit ihm über das Leben in der Wildnis und den Tieren dort. Er sagte: „Der Wolf schreckt auch vor dem Menschen als Beute nicht zurück.“ Claus Mayr meldete sich daraufhin in dieser Redaktion. Er war über 35 Jahre lang Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) in Aachen, ehe er im März abtrat.
Welche Kritikpunkte haben Sie an dem Interview mit Herrn Schleifenbaum?
Die Darstellung der Situation in Kanada und die Schlussfolgerungen lassen sich nicht auf Europa übertragen, erst recht nicht auf Westeuropa und Deutschland.
Was ist inhaltlich falsch aus Ihrer Sicht?
Der Wolf, genauer hier: der europäische Grauwolf, ist ein extrem vorsichtiges Tier, das den Menschen zu meiden versucht. In den letzten 70 Jahren gab es daher - so belegt es eine Studie aus 2021 - in ganz Europa auch keine einzige tödliche Begegnung mit einem Wolf, obwohl in vielen Ländern Osteuropas die Bestände wieder wuchsen. Seit 1998 wanderten daher auch die ersten Wölfe wieder nach Deutschland ein, einerseits aus Osteuropa, andererseits aber auch aus der Alpenpopulation.
Gab es dabei Zwischenfälle?
Einzelne, seltene, aber nicht tödliche Wolfsattacken waren auf Tollwut zurückzuführen, Sichtungen von Wölfen in Siedlungen, etwa in Niedersachsen, auf Anfütterung der Tiere. Der Bundestag hat daher bei der Ergänzung des Bundesnaturschutzgesetzes im Herbst 2021 ausdrücklich ein Fütterungsverbot für wild lebende Wölfe erlassen.
Unter welchen Bedingungen kann die Rückkehr des Wolfes gelingen?
Die Rückkehr des Wolfes ist ja bereits teilweise gelungen und kann als einer der größten Erfolge des gesamteuropäischen Naturschutzes gewertet werden. Allerdings zielen die EU-Mitgliedstaaten auf einen „guten Erhaltungszustand“ der streng geschützten Arten ab - und der ist beim Wolf laut der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf sowie dem Bundesamt für Naturschutz in Deutschland noch lange nicht erreicht. Auch die angrenzenden EU-Nachbarstaaten Belgien und Niederlande sehen noch erhebliches Potenzial zur Ansiedlung weiterer Wolfsfamilien: etwa im Hohen Venn auf belgischer Seite und dem angrenzenden Nationalpark Eifel auf NRW-Seite, da es überreiche Wildvorkommen gibt.
Der Wolf soll die Lösung beim Wild im Wald sein?
Die Reh- und insbesondere die Schwarzwildbestände waren noch nie so hoch wie heute. Für die Entwicklung naturnaher Wälder mit Naturverjüngung, die auch der biologischen Vielfalt und dem Klima dienen, würden durch den Wolf profitieren, da der Wildverbiss durch Schalenwild reduziert würde. Ein altes russisches Sprichwort sagt daher: Wo der Wolf jagt, wächst der Wald. Zudem haben Nutztierhalter in Deutschland die komfortable Situation, dass ihnen Herdenschutzhunde und wolfsabweisende Zäune von den Ländern zu 100 Prozent bezahlt werden.