Brilon. Verschwörungstheorien, Homophobie, Frauenfeindlichkeit: Der Kopf einer erzkonservativen Priestervereinigung kommt aus dem Sauerland. Wer ist er?
Als Jugendfußballer schaffte es Frank Unterhalt bis in die Kreisauswahl. Und als er im August 2011 in den Pastoralverbund Brilon versetzt wurde, ließ der in Büren im Kreis Paderborn aufgewachsene katholische Priester seine guten Verbindungen zu „seinem“ SC Paderborn spielen und holte drei Profis des Zweitligisten in die St. Engelbert-Grundschule in Brilon. Er hätte damals von seinem größten Erfolg in seiner Kicker-Karriere erzählen können: ein 1:0-Sieg mit der D-Jugend gegen den FC Schalke 04. Seine damalige Position: Mittelstürmer. „Durchaus erfolgreich“, wie er einmal in einem Interview sagte, „zumindest war ich einige Male Torschützenkönig.“
Heute scheint Pastor Frank Unterhalts Lieblingsposition die des Verteidigers zu sein – eines höchst umstrittenen Verteidigers: Der 51-Jährige ist Sprecher der erzkonservativen Priestergruppe Communio veritatis („Die Gemeinschaft der Wahrheit“) aus dem Erzbistum Paderborn. Und damit so etwas wie ein Abwehr-Bollwerk gegen eine fortschrittliche Kirche. Seine Aussagen auf der Internetseite der Gruppe sorgen für Aufsehen und Protest. Er nimmt dort ausführlich Stellung zu kirchlichen und gesellschaftlichen Themen, geißelt Homosexualität, preist überkommene Geschlechterrollen.
Frank Unterhalt positioniert sich als radikaler Impfgegner
So wortgewaltig er dort ist, so schweigsam ist er gegenüber der WESTFALENPOST. Per Mail und Telefon haben wir über Wochen immer wieder versucht, Kontakt aufzunehmen. Vergeblich. Deshalb haben wir mit Menschen gesprochen, die ihn kennengelernt haben, mit Offiziellen, mit dem Erzbistum Paderborn, aber auch mit weiteren Geistlichen, um einzuordnen: Was bedeutet eine erzkonservative Gruppierung wie Communio veritatis für die katholische Kirche?
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Der 51-Jährige gehört nach wie vor zum Pastoralteam im Pastoralverbund Brilon. Auch wenn er seit zwei Jahren keine heilige Messe mehr zelebriert hat. Hervorgetan hat er sich indes mit massiver Impfkritik: Auf communioveritatis.de hat er seinen Erzbischof Hans-Josef Becker massiv angegangen, nachdem dieser im Herbst 2021 zu einer Impfaktion in den Dom eingeladen hatte. Die Impfstoffe, schrieb Unterhalt, hätten „eine Verbindung zur Abtreibung“, weil „humane fetale Zelllinien“ zur Anwendung kommen. Sein Fazit: „besonders verabscheuungswürdig“.
AfD-Politiker eingeladen
Kurz vor dem Jahreswechsel prangerte er in einem Beitrag „die verderbliche ,Impf‘-Diktatur“ an: Die „sogenannte Covid-19-Pandemie“ entspreche „dem freimaurerischen Plan der neuen Weltordnung“ und werde als „Instrument des ,Great Reset‘“ verwendet. Danach wurde Unterhalt vorgeworfen, dass er Verschwörungstheorien und antisemitische Denkfiguren verbreite. Schon vorher hatte Frank Unterhalt für Aufsehen gesorgt. 2017 hatte er einen AfD-Politiker zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion in das Pfarrzentrum Brilon eingeladen. Die Veranstaltung fand unter Polizeischutz statt.
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Einer, der Unterhalt aus dessen Studienzeit in Paderborn kennt, sagt gegenüber dieser Zeitung: „Verschwörungstheorien passen zu ihm. Schon im Priesterseminar hatte er Scheuklappen auf, war ein Eigenbrötler und fiel durch ultra-konservative Äußerungen auf.“ Dass er jetzt Sprecher einer Priestergruppe ist, die in den Augen von Beobachtern homophobe und auf ein sehr traditionelles Frauenbild ausgerichtete Aussagen macht und gegen hohe kirchliche Würdenträger schießt (ob Papst Franziskus, Georg Bätzing, den Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, oder eben Erzbischof Becker), habe etwas damit zu tun, dass Unterhalt als vermeintlicher Verfechter der reinen kirchlichen Lehre die Bodenhaftung verloren habe: „Ihm fehlt offenbar ein Freundeskreis, der ihm sagt, dass es so nicht geht.“
Katholische Frauenbewegung ,Maria 2.0‘ als „Götzendienst“ bezeichnet
Der Priesterkreis existiert seiner Gründungserklärung zufolge seit dem 22. Februar 2018. Um die 15 Geistliche sollen ihm angehören, darunter auch ein Ruhestands-Priester aus dem Kreis Olpe, der auf eine Anfrage unserer Zeitung ebenfalls nicht reagierte. Benjamin Krysmann, Sprecher des Erzbistums Paderborn, sagt, dass es sich um eine „private, kirchenrechtlich nicht anerkannte Gruppierung“ handele, deren Veröffentlichungen bisher als „Meinungsäußerungen von Privatpersonen zur Kenntnis genommen“ worden seien.
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Man distanziere sich „ausdrücklich“ von den Inhalten. In einem Beitrag auf der Internetseite dieser „Privatpersonen“ wird die Segnung homosexueller Partnerschaften kritisiert: „Homosexuelle Praktiken gehören zu den gravierenden Sünden.“ Über eine von Frauen ausgehende Initiative in der katholischen Kirche wird behauptet: „,Maria 2.0‘ ist Götzendienst.“
Bistum antworten auf Fragenkatalog nur sehr allgemein
Kritiker halten der Spitze des Erzbistums vor, seit langem gegenüber der Priestergruppe untätig geblieben zu sein, die mit homophoben, frauenfeindlichen und antisemitischen Äußerungen auffällig geworden sei. Dagegen werde Priestern, die gleichgeschlechtliche Paare segnen wollten, schnell mit Konsequenzen gedroht. Diese Zeitung hat die Pressestelle des Erzbistums in einem ausführlichen Fragenkatalog (siehe Infobox unten) auch nach diesem möglichen Widerspruch gefragt.
Die Pressestelle hat die Fragen nicht einzeln beantwortet, sondern eine eher allgemeine Antwort verfasst. Demnach prüfe das Erzbistum „auch dienst- und kirchenrechtliche Konsequenzen“ – „auch hinsichtlich des Vorwurfs antisemitischer Haltungen“. Über die auf der Homepage „namentlich genannten Personen hinaus“ seien dem Erzbistum „keine weiteren Mitglieder der Gruppe bekannt“.
Pfarrer Richard Steilmann ist Dechant im Dekanat Hochsauerland-Ost. „Die Äußerungen auf communioveritatis.de sind sehr problematisch und stimmen mit meinen Positionen nicht im Geringsten überein“, sagt er. Nach einem Bericht über die Priestergruppe in unserer Zeitung hätten sich viele Gläubige bei ihm gemeldet. Nahezu einhellige Meinung: komplette Verständnislosigkeit. Er hat die Reaktionen an das Erzbistum Paderborn weitergegeben: „Weitere Schritte können nur aus Paderborn erfolgen.“
Probst: „Stimmungsmache gegen die Kirche allgemein“
Diese Position vertritt auch der Briloner Propst Dr. Reinhard Richter. Er habe in den vergangenen Jahren immer wieder Gespräche mit Pastor Unterhalt geführt und den Personalchef im Generalvikariat, Prälat Thomas Dornseifer, in Kenntnis gesetzt. Auf den jüngsten Artikel habe es viele Reaktionen gegeben: „Ich sehe bei aller auch nachvollziehbarer Kritik auch, dass hier eine willkommene Möglichkeit genutzt wird für eine Stimmungsmache gegen die Kirche allgemein und gegen den Typus eines konservativen Geistlichen, wie ihn Pastor Unterhalt verkörpert“, sagte der Propst im Gespräch mit dieser Redaktion. „Das passt einfach ins Bild der allgemeinen Kirchenkritik.“
Gleichwohl: Die Zahl der Kirchenaustritte sei im Nachklang der Berichterstattung spürbar nach oben gegangen: „Innerkirchliche Konflikte sind nie hilfreich.“ Der Propst hatte mittlerweile Kontakt zu Pastor Unterhalt. „Den Vorwurf antisemitisch zu sein, weist er weit von sich“, so Richter
>> HINTERGRUND: Fragen an das Erzbistum Paderborn
- 18 detaillierte Fragen hat unsere Zeitung dem Erzbistum Paderborn zu der erzkonservativen Priester-Gruppierung Communio veritatis geschickt. Als Antwort kam lediglich ein allgemeiner Text, der nicht einzeln auf die konkreten Fragen eingeht. Zur Transparenz publizieren wir hier eine Auswahl der Fragen.
- - Wieso tolerieren Sie, dass solche Aussagen von Priestern publiziert werden?
- - In Beiträgen auf der Internetseite der Priestergruppe werden Erzbischof Becker und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Bätzing, als „Häretiker“ und Papst Franziskus nur als „Bischof von Rom“ bezeichnet. Widersprechen solche Verleumdungen und Schmähungen nicht dem kirchlichen Dienstrecht?
- - Gab es Versuche von Seiten des Erzbistums, die Priestergruppe zu verbieten?
- - Hat es seitens der Erzbistums-Spitze Gespräche mit Pastor Unterhalt wegen seiner Beiträge auf der Internetseite gegeben? Wurden Konsequenzen gezogen?
- - Pastor Unterhalt unterschreibt Beiträge auf der Internetseite mit „Pastor“, ebenso im Impressum. Inwieweit sehen Sie vor diesem Hintergrund seine Beiträge als private Meinungsäußerungen?