Hagen. Frank Hanebuth, mächtiger Hells-Angels-Rocker, muss in Hagen im Prozess gegen die Bandidos-Chefs aussagen. Es gibt wenig Fakten, aber Lacher.
Ein Rockerkrieg? Feindschaft zwischen den Bandidos und Hells Angels? Ach was! Frank Hanebuth (56) – groß, glattrasierter Schädel und massige Figur – zeichnet ein ganz anderes Bild vor dem Landgericht in Hagen: Natürlich gebe es auch mal Stress. „Aber das hat nichts mit den Clubs zu tun. Das sind persönliche Streitigkeiten.“
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Und Hanebuth müsste es ja wissen. Denn auch, wenn unklar ist, ob er „der“ Chef der Hells Angels ist, als einer der mächtigsten Mitglieder der Rockergruppe gilt er allemal. Obwohl er, der seinen Beruf als „Kaufmann“ angibt, sich selbst als wenig mächtig darstellen will. Unmöglich sei es, einfach so von oben bei den Chaptern der Hells Angels durchzugreifen: „Bei uns ist das basisdemokratisch.“ Tusch. Und wieder eine Pointe in dem knapp halbstündigen Auftritt vor dem Hagener Landgericht gesetzt. Frank Hanebuth ist als Zeuge geladen in einem der derzeit wichtigsten Rocker-Prozesse der Republik. Fünf Bandidos müssen sich verantworten, teils wegen versuchter Tötungsdelikte, vor allem aber wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.
Bekanntes Foto von Friedensschluss zwischen Bandidos und Hells Angels
Nicht nur ein paar einfache, kleine Bandidos sitzen hier seit Oktober auf der Anklagebank, sondern die Führungsgarde. Unter anderem Leslav H. aus Herne, der als Chef der Bandidos in Westdeutschland gilt. Und Peter M. aus Schernbeck, der der Deutschland-Chef der Rockergruppe sein soll. Das Duo ist sogar schon unter die Buchautoren gegangen. „Ziemlich böse Freunde“ heißt das Werk, mit dem Untertitel: „Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten“.
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Noch bekannter als das Buch ist aber das Foto, das Peter M. im Jahr 2010 in einer Anwaltskanzlei in Hannover zeigt. Da steht er mit Frank Hanebuth und die beiden Rocker-Größen unterzeichnen medienwirksam ein Friedensabkommen zwischen Bandidos und Hells Angels. Bei den beiden persönlich scheint das auch weiter zu funktionieren. Der aus Hannover angereiste Frank Hanebuth grüßt Peter M., der im Gegensatz zu Kumpel Leslav H. nicht in Untersuchungshaft sitzt, auf dem Gerichtsflur. Man kennt sich seit Jahrzehnten, unterhält sich angeregt. Weiter unten an der Basis scheint es mit dem Frieden dagegen nicht so weit her zu sein. Etwa in Köln, wo es blutige Auseinandersetzungen zwischen den beiden Rockergruppen gegeben haben soll.
13 Schüsse auf Café der Hells Angels in Köln
Und um die geht es unter anderem in diesem Prozess: Bandidos sollen auf ein Auto geschossen haben, in dem ein Hells Angel vermutet wurde. Und vor allem sollen Bandidos 13 Schüsse auf ein Café, das als Treffpunkt der Hells Angels galt, abgefeuert haben. Nur durch viel Glück wurde niemand verletzt oder gar getötet. Die Staatsanwaltschaft in Hagen ist sich sicher, dass all dies auf Anordnung der Bandidos-Führungsebene geschehen ist.
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Das ist das Ergebnis aufwändiger Ermittlungen, die ihren Anfang im Hagener Rockerkrieg haben, einem blutigen Konflikt zwischen Bandidos und Freeway Riders im Jahr 2018. Durch die Recherchen dort, da sind sich die Ermittler sicher, habe man tiefe Einblicke in die streng hierarchischen Rocker-Strukturen bekommen, Waffengeschäfte aufgedeckt und eben auch die Erkenntnisse erlangt, die zu den Schüssen von Köln geführt haben sollen.
In der Folge sollen die mächtigen Frank Hanebuth und Peter M. im Januar 2019 direkt in den Konflikt eingegriffen haben. Genau darum geht es nun in der Zeugenbefragung am Landgericht Hagen. Doch die gestaltet sich schwierig, denn Hanebuth schickt gleich voraus: „Ich habe ein schlechtes Gedächtnis.“ Und so wertet der 56-Jährige das Ganze eher als Versuch der beiden Rocker-Größen, die persönlichen Streitigkeiten, die in Köln existiert hätten, zu schlichten. Von einem Abkommen, von konkreten Gebietsabsprachen sei ihm nichts bekannt.
Nach der Razzia telefonieren Hanebuth und Peter M.
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Was denn seine Meinung sei, wenn etwa die Bandidos in einer Stadt, in der es schon die Hells Angels gebe, ein Chapter eröffneten, will der Vorsitzende Richter Bernhard Kuchler wissen. Natürlich gehe das, sagt Hanebuth. „Das sollte nur nicht in der gleichen Straße passieren. Und man sollte vorher Bescheid sagen.“
Freundliche Umgangsformen also. So wie sie offensichtlich bei Frank Hanebuth und Peter M. herrschen. Sie hatten sogar telefoniert, nachdem es im Januar 2020 eine große Razzia gegen die Bandidos gegeben hatte, bei der auch das Anwesen von Peter M. durchsucht und ein Waffe sichergestellt wurde. Darüber beschwert sich M. in dem von Ermittlern abgehörten Gespräch. „Was soll ich denn nun machen, wenn die Indianer kommen?“ , sagt er da – und beide lachen. Ob mit Indianern Polizei gemeint sei, will Richter Kuchler wissen. „Nein“, sagt Hanebuth. „Polizisten sind Polizisten. Da ging’s um Indianer.“
Noch ein Lacher. Der Zeuge darf gehen – und verzichtet ausdrücklich auf die Fahrtkostenerstattung.
>> HINTERGRUND: Sehr unterschiedliche Wertungen des Prozessverlaufs
- Oberstaatsanwalt Dr. Gerhard Pauli will die Aussage von Hanebuth noch nicht bewerten, ist aber mit dem bisherigen Verlauf der Verhandlung zufrieden. Man ist sich sicher, die Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung und den streng hierarchischen Aufbau der Rockergruppe nachweisen zu können.
- Reinhard Peters, der Verteidiger von Peter M., wertet das ganz anders. Der bisherige Prozessverlauf und auch Hanebuths Aussage hätten gezeigt, dass es hier nicht um einen Konflikt zwischen Rockergruppen, sondern zwischen einzelnen Mitgliedern gehe. Der Prozess wird mindestens noch bis Juni andauern.