Hagen. Immer mehr Städte rufen den Klimanotstand aus, einige tun sich damit aber außerordentlich schwer. Bloße Symbolpolitik möchte offenbar niemand.
Der Klimawandel ist mittlerweile unbestritten. Mächtig Schwung in die Debatte haben junge Leute mit der Bewegung „Fridays for Future“ mit der Aufforderung gebracht, dass Städte und Gemeinden den „Klimanotstand“ ausrufen sollen. Immer mehr Stadt- und Gemeinderäte folgen diesem Aufruf, einige aber auch nicht. Warstein war am Montag die erste Stadt im Sauerland, die den Klimanotstand ausrief, Lippstadt die erste in Südwestfalen. Soest debattierte am Mittwoch bis in den späten Abend und sehr kontrovers, in Hagen ist das Thema am Donnerstag auf der Tagesordnung im Rat, wird aber vertagt werden.
Die Aufforderung
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Kommunen sollen der Eindämmung des Klimawandels höchste Priorität einräumen. Bei jeder Entscheidung – vom Dienstwagen bis zum neuen Baugebiet oder eben auch von der Stadt genehmigte Veranstaltungen – sollen die Umwelt-Auswirkungen bedacht und, wenn möglich, die für das Klima beste Variante gewählt werden. Die Städte sind also angehalten, sich mehr als in der Vergangenheit ums Klima zu kümmern, gezwungen dazu sind sie nicht. Der Begriff „Klimanotstand“ sei symbolisch zu verstehen, heißt es in der Resolution von Fridays for Future.
Der Begriff
Am Begriff „Notstand“ scheiden sich die Geister. In Dortmund, der größten westfälischen Stadt, war dies ein Grund dafür, dass vor einer Woche der Resolution nicht gefolgt wurde. „Wir rufen keinen Klimanotstand aus“, hieß es vom Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD). Was nicht heißt, dass in der Westfalenmetropole nichts mehr für ein besseres Klima getan werden soll. Unter dem Titel Handlungsprogramm Klima-Luft 2030 wurden Ziele beschlossen, die als Klimainitiative auf dem Weg zur Null-Emission im Jahr 2050 zu verstehen seien.
Die ersten im Sauerland
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Die Ratsmitglieder in der Stadt Warstein haben sich auch am Begriff Notstand gerieben, am Montag aber dennoch der Initiative angeschlossen. „Viele hatten mit dem Begriff Schwierigkeiten, aber alle wollten etwas tun“, sagt Bürgermeister Thomas Schöne. Der Jurist hält die Diskussion um den Begriff für „reine Semantik. Es geht nicht darum, den Menschen etwas zu verbieten, sondern um aktives Handeln.“ Und zwar über die bisherigen Bemühungen hinaus, bei denen sich Warstein schon ganz gut unterwegs sieht. In den vergangenen drei Jahren sei es beispielsweise gelungen, die Feinstaubbelastung um mehr als die Hälfte auf durchschnittlich neun Tage über Grenzwert zu reduzieren.
Ringen in Soest
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Kommunalpolitiker in Soest hatten ebenfalls Vorbehalte, künftig jede Entscheidung dem Klimaschutz unterzuordnen. Etwa die Durchführung der Allerheiligenkirmes. Soest sei durchaus sehr klimabewusst, sagt Stadtsprecher Thorsten Bottin: „Seit 2010 bieten unsere Stadtwerke nur noch Ökostrom an. Seit 2014 wird damit auch die Kirmes versorgt.“ Seit 2007 sei die Stadtbeleuchtung konsequent auf LED umgestellt worden. „1300 Tonnen CO2 haben wir so eingespart.“ Letzlich rief Soest den Klimanotstand nicht aus, verpflichtet sich aber zu noch mehr Anstrengungen beim Klimaschutz und jährlicher Evaluierung.
Abwarten in Hagen
Schon im Mai übergaben Vertreterinnen von Fridays for Future dem Oberbürgermeister der Großstadt Hagen, Erik O. Schulz, die Resolution zur Erklärung des Klimanotstandes. In der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause am heutigen Donnerstag steht das Thema auf der Tagesordnung. Bereits im Vorfeld ist klar: Es wird nichts beschlossen.
Für Anfang September ist die Hagener Gruppe von Fridays for Future zur Diskussion mit Verwaltung und Politik eingeladen. Man möchte eben genau wissen, auf was man sich einlässt, wenn man den Notstand ausruft und welche Maßnahmen über die üblichen Anstrengungen vieler Städte hinaus denkbar sind. Die Entscheidung ist auf Ende September datiert, weil sie nicht mal eben getroffen werden soll, ohne dass etwas dabei herauskommt.
Klimaveteranen
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Seit über 30 Jahren beschäftigt sich die Organisation „Klima-Bündnis“ mit dem Thema. Sie ist mit über 1700 Mitgliedskommunen nach eigenen Angaben das größte europäische Städtebündnis. Einige Mitglieder sind dem Aufruf bereits gefolgt, darunter Konstanz als erste deutsche Stadt die am 2. Mai den Klimanotstand ausgerufen hat. Oder Mitte Mai auch Kiel als erste Landeshauptstadt.
Andreas Kress vom Klima-Bündnis kann den Vorbehalt mancher Städte schon verstehen: „Nur den Notstand zu erklären ist nicht Sinn der Sache.“ Mit der Resolution Druck auf Bund und Land auszuüben, aber schon: „Die Kommunen werden seit Jahren im Stich gelassen.“ Es brauche gesetzliche Rahmenbedingungen und finanzielle Unterstützung. Der Begriff Notstand leitet sich übrigens aus den Ursprüngen der Initiative im Angelsächsischen ab. Städte wie London, Oxford oder Plymouth (als erste) bekämen nämlich für Klimaschutzmaßnahmen Geld vom Staat, wenn sie den Klimanotstand ausriefen, erklärt Kress – warum eigentlich nicht auch in Deutschland?