Köln. Susanne war jahrelang in Kinderwunschbehandlung – und wurde einfach nicht schwanger. Wie die Kölnerin heute damit umgeht und was sie anderen rät.
- Susanne aus Köln war zwei Jahre lang in Kinderwunschbehandlung. Ohne Erfolg.
- Was sie erlebt hat, grenzt an Körperverletzung – sagt eine Ärztin.
- Wie sie es geschafft hat, trotz unerfülltem Kinderwunsch wieder glücklich zu werden und was sie anderen Betroffenen rät.
Mit der Spritze in der Hand saß Susanne im Badezimmer, wie schon so oft zuvor. Aber dieses Mal war es anders. „Ich wusste, dass das die letzte Spritze ist“, erinnert sich die heute 47-jährige Kölnerin. „Ich habe so geweint und war gleichzeitig so erleichtert, weil es endlich aufhört.“
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Susanne war drei Jahre lang in Kinderwunschbehandlung. Ohne Erfolg. Sie und ihr Partner sind ungewollt kinderlos, wie jedes siebte Paar in Deutschland. Blutuntersuchungen, Hormonbehandlungen, Spritzen, Eingriffe, Kalendersex. Was Susanne durchgemacht hat, wünscht sie keinem. Heute versucht sie, anderen Mut zu machen, die vor der Frage stehen, an der auch sie fast zerbrochen wäre: Wie wird man glücklich, wenn man kein Baby bekommen kann?
Ungewollt kinderlos: „Ich dachte immer, dass ich noch Zeit habe“
Dass sie eines Tages Mutter werden würde, war für Susanne eigentlich immer klar. Doch als „Kind der 70er“ habe sie gelernt, selbstbestimmt zu leben, sich nicht von einem Mann abhängig zu machen. „Ich dachte immer, dass ich ja noch Zeit habe“, sagt Susanne. Gerade, als sie sich mit Mitte 30 langsam bereit für ein Kind fühlte, trennte sich ihr damaliger Partner.
Erst mit 39 verliebte Susanne sich neu. Das Einzige, was zum großen Glück und der perfekten Familie jetzt noch fehlte, war ein Baby, dachte sie damals. „Für uns beide war klar, dass wir Kinder wollen. Wir haben uns direkt reingestürzt, weil wir ja schon älter waren.“ Aber auf dem Schwangerschaftstest erschien nie der zweite Strich. „Mach dich locker, Du hast noch Zeit“, beschwichtigte ihre Hausärztin und ihr Gynäkologe. Zwei Jahre lang versuchten sie und ihr Partner es weiter. Dann suchten sie Hilfe in einem Kinderwunschzentrum.
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„Ich hätte schon viel früher mit der Kinderwunschbehandlung starten sollen, nicht erst mit 41 Jahren. Aber in so eine Klinik will ja auch keiner“, sagt Susanne im Rückblick. Noch heute erinnert sie sich an die Angst vor dem ersten Termin. Und das gute Gefühl, das sie nach dem Gespräch mit der Chefärztin hatte.
Vor der Arbeit kam Susanne regelmäßig morgens zur Blutabnahme in die Praxis, abends gab sie sich Spritzen für die Hormonbehandlung. Sex hatten sie und ihr Partner nur noch dann, wenn die Fruchtbarkeit am höchsten war.
Trotzdem blieb eine Schwangerschaft aus, die Chefärztin sah Susanne nach dem ersten Treffen nie wieder. „Dass es wieder nicht geklappt hat, wurde mir immer von unterschiedlichen, fremden Personen kalt am Telefon gesagt. Und dann wurde direkt der nächste Termin ausgemacht.“ So vergingen erst Wochen, dann Monate, schließlich Jahre.
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Während Susanne immer mehr verzweifelte, stellten Freunde, Familie und Bekannte immer häufiger Fragen wie „Wann ist es denn bei Euch so weit?“ oder „Wollt Ihr eigentlich gar keine Kinder?“. Eine Zeit lang war es für sie „die Hölle“, wenn wieder einmal eine ihrer Freundinnen zur Babyparty einlud. „Ich habe mich so geschämt. Wieso kann mein Körper nicht schwanger werden, wenn es doch bei allen anderen klappt?“
Zwei Jahre Kinderwunschbehandlung: „Bitte lass uns aufhören“
Nach zwei Jahren wechselte sie die Kinderwunschklinik, in der sie sich nie wirklich wohl gefühlt habe. Sie erzählte der neuen Ärztin, wie lange sie schon in Behandlung war. Ihre Antwort: „Das grenzt an Körperverletzung. Mit diesen Werten können sie gar nicht schwanger werden.“ Und trotzdem verschrieb sie Susanne erneut eine Hormontherapie.
Warum Susanne nicht spätestens zu dem Zeitpunkt aufgehört hat, kann sie im Rückblick selbst nicht verstehen. Die Kinderwunschbehandlung habe sie verändert. Sie war vor jedem neuen Versuch gestresst und fiel danach immer wieder in ein tiefes Loch. „Mein Partner hat gesehen, wie ich leide und zu mir gesagt: ,Ich möchte meine alte Susanne zurückhaben. Ich bin lieber glücklich mit Dir ohne Kind als es auf Ach und Krach weiter zu versuchen. Bitte lass uns aufhören!‘“
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Doch Susanne war noch nicht bereit, den Kinderwunsch aufzugeben – und machte heimlich mit der Behandlung weiter. „Es war wie eine Sucht. Nur noch eine Spritze, nur noch ein Versuch. Es könnte ja noch klappen.“ Bis zu dem Morgen im Badezimmer. „Es war so, als ob mein Körper mir sagen würde: Was tust du mir an? Da wurde mir klar, dass es jetzt aufhören muss.“
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Doch wie macht man weiter, wenn der Lebenstraum zerstört wurde? Wie kann man eine Familie sein, wenn man keine Kinder hat? Und wie findet man nach so einer Zerreißprobe als Paar wieder zueinander? All diese Fragen habe Susanne sich gestellt – und nach und nach Antworten darauf gefunden.
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Vor allem, weil sie anfing, mit Freunden und Familie über ihren unerfüllten Kinderwunsch zu sprechen. Dabei wurde ihr zum ersten Mal klar, dass sie nicht alleine ist, erzählt sie: „Ich habe immer geglaubt, dass ich der einzige Mensch bin, dem es so geht. ,Das war bei mir auch so!‘ oder ,Ich hatte gerade erst eine Fehlgeburt‘ hörte ich dann aber auf einmal von Freundinnen.“
Kölnerin will mit Podcast „kinderwunschlosglücklich“ anderen Mut machen
Diesen Frauen wollte sie eine Stimme geben, mit Tabus brechen – und startete ihren Podcast „kinderwunschlosglücklich“. Susanne hofft, dass sie so etwas in der Gesellschaft verändern kann. Sie will anderen zeigen, dass „Mutterglück nicht das einzig wahre Glück ist“. Und dass man auch dann eine Familie ist, wenn man nicht ins Vater-Mutter-Kind-Bild passt.
Bis sie das selbst so sehen konnte, habe es eine Zeit gedauert. Sie und ihr Partner haben anfangs eine Liste geführt mit all den Dingen, die sie nur machen können, weil sie keine Kinder haben: Spontan ein Wochenende wegfahren, Mittagsschlaf machen, die Welt bereisen. Auch wenn ihr Lebenstraum, Mutter zu werden, nie erfüllt wurde, ist Susanne heute glücklich. Die Liste braucht sie nicht mehr.
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