Berlin. Untreue führt oft zur Scheidung, doch hat sie auch rechtliche Folgen? Vor allem bei einem Punkt kann es kritisch werden, sagt eine Juristin.
Untreue ist auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts für die meisten Paare in Deutschland der Anfang vom Ende. Monatlich stehen rund 32.000 Männer und Frauen vor dem Scheidungsrichter, weil die Treue gebrochen wurde – jährlich enden rund 200.000 Ehen. Stellt sich die Frage: Bleibt Untreue immer ohne rechtliche Folgen? Zwei Anwälte klären auf.
Ehebruch liegt vor, wenn ein Ehepartner ohne Zustimmung des anderen eine Beziehung zu einer dritten Person eingeht, erklärt Dr. Elisabeth Unger, Fachanwältin für Familienrecht und Scheidungsanwältin. „Wenn man die Ehe als Vertrag zwischen zwei Menschen sieht, könnte man Ehebruch auch als Vertragsbruch bezeichnen“, so Unger.
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Ehebruch und Untreue: Definition ist schwammig
Die genaue Definition ist laut Unger aber oft Interpretationssache. Schon die Frage, welche Handlungen als Ehebruch gelten, sei oft nicht eindeutig. Für manche Paare beginne Untreue bereits mit einem Kuss oder dem Verliebtsein in eine andere Person, ohne dass es zu sexuellen Handlungen kommt – für andere sei erst der Geschlechtsakt notwendig, um als untreu zu gelten.
Auch wird Ehebruch in verschiedenen Kulturen unterschiedlich bewertet – oft gilt der Ehebruch von Frauen als schwerwiegender als der von Männern. Im islamischen Kulturraum beispielsweise ist der Mann beim Seitensprung privilegiert: Er kann seine Geliebte im Falle eines Seitensprungs zur Zweitfrau machen, denn der Islam erlaubt bis zu vier Frauen.
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Sind Ehebruch und Untreue in Deutschland strafbar?
Obwohl die Vielehe in Deutschland verboten ist, bleibt ein Seitensprung – wie in vielen anderen Ländern auch – ohne rechtliche Konsequenzen, erklärt Sandra Günther, Rechtsanwältin für Familien- und Strafrecht. Seit der Reform des Familienrechts 1977 gilt das Schuldprinzip nicht mehr. An seine Stelle ist das Zerrüttungsprinzip getreten, nach dem eine Ehe als gescheitert gilt, wenn die Partner mindestens ein Jahr getrennt leben, so Günther. „Das Familiengericht fragt nicht mehr nach dem ‚Warum‘ der Scheidung, sondern nur noch nach dem ‚Ob‘“, erklärt sie.
Scheidungsanwältin Dr. Elisabeth Unger ergänzt, dass der Wandel auch auf veränderte gesellschaftliche Normen zurückzuführen sei. „Früher hatte das Verschulden eines Partners großen Einfluss auf die Unterhaltszahlungen und Ehebrecher wurden oft als ,schuldig geschieden‘ bezeichnet“, erzählt sie. Heute sei die Schuldfrage kaum noch relevant, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Ehen an vielen Faktoren scheitern können, nicht nur am Fehlverhalten eines Partners.
Juristen klären auf: Gibt es Unterhalt trotz Ehebruch?
Auch wenn Eheverfehlungen im Scheidungsrecht keine Rolle mehr spielen, können sie sich im Unterhaltsrecht auswirken, betont Unger. Das Gesetz unterscheidet zwischen dem Trennungsunterhalt, der von der Trennung bis zur rechtskräftigen Scheidung gezahlt wird, und dem nachehelichen Unterhalt nach der Scheidung. „Nach § 1361 BGB besteht ein Unterhaltsanspruch, wenn der bedürftige Ex-Partner finanziell unterstützt werden muss und der andere Partner leistungsfähig ist“, erklärt die Scheidungsanwältin.
Allerdings gibt es laut Unger Ausnahmen, in denen der Unterhaltsanspruch ausgeschlossen oder herabgesetzt werden kann, juristisch „Verwirkung“ genannt. „Verwirkung“ könne zum Beispiel eintreten, wenn sich der Unterhaltsberechtigte einem neuen Partner zuwendet und in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebt. „Das gilt auch, wenn diese Lebensgemeinschaft verschwiegen wird“, sagt Unger.
Das zeigt auch ein Fall des Oberlandesgerichts Hamm (Az. 13 UF 3/11), in dem eine Ehefrau die berufsbedingte Abwesenheit ihres Mannes, eines Fernfahrers, nutzte, um eine Affäre mit einem gemeinsamen Freund zu beginnen. Hier wurde argumentiert, die Ehefrau habe sich aus der ehelichen Solidarität gelöst, was zu einer Diskussion über den Unterhaltsanspruch führte. Scheidungsanwältin Unger betont jedoch: „Ein Ehebruch allein führt in der Praxis selten zum Wegfall des Unterhaltsanspruchs.
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Unterhalt bei Seitensprung: Was gilt bei gemeinsamen Kindern?
Für gemeinsame Kinder, die bei einem Elternteil leben, ist der andere Elternteil zur Zahlung von Kindesunterhalt nach § 1601 ff. BGB erpflichtet. „Der Ehegattenunterhalt orientiert sich an den Lebensverhältnissen während der Ehe und richtet sich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen beider Ehegatten“, erklärt Rechtsanwältin Sandra Günther. Grundlage für die Berechnung ist die Düsseldorfer Tabelle“, die den Mindestbedarf für alle Altersstufen festlegt und das verfügbare Einkommen des Unterhaltspflichtigen in 15 Einkommensgruppen einteilt, darunter auch den Bedarf für volljährige Kinder, die noch zu Hause leben.
Im Falle von Untreue könne das Vorhandensein eines Kindes den Kindesunterhalt erheblich verändern, so Günther. In kinderlosen Ehen drohe dem untreuen Partner bei schweren Verfehlungen der Verlust des Unterhaltsanspruchs. Ist der untreue Ehepartner hingegen Elternteil eines gemeinsamen Kindes, bleibe der Unterhaltsanspruch in der Regel bestehen, so die Rechtsanwältin.
Rechtliche Absicherung bei Trennung: Worauf Paare achten sollten
Um sich im Falle einer Trennung rechtlich abzusichern, kann ein Ehevertrag eine wichtige Rolle spielen, erklärt Scheidungsanwältin Unger. „In einem Ehevertrag können bereits vor oder während der Ehe wesentliche Scheidungsfolgen geregelt werden, um Streitigkeiten im Falle einer Trennung zu vermeiden“, so Unger. In einem solchen Vertrag könne individuell festgelegt werden, wie Unterhalt, Versorgungsausgleich oder die Aufteilung von Vermögenswerten wie dem gemeinsamen Haus geregelt werden sollen – „eben Regelungen, die dem jeweiligen Ehetypus und dem gemeinsamen Willen entsprechen“, so die Scheidungsanwältin.
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Doch nicht alle Paare haben einen Ehevertrag, so dass die Absicherung für den Fall einer plötzlichen Trennung oft fehlt. In diesen Fällen ist es laut Rechtsanwältin Günther wichtig, wichtige Dokumente wie Heiratsurkunden, Geburtsurkunden der Kinder und Lebensversicherungspolicen zu sichern, insbesondere wenn bereits ein Scheidungsantrag gestellt oder eine Trennungsvereinbarung getroffen wurde. Diese Dokumente können helfen, die Trennung zu dokumentieren.
Auch ein eigenes Konto ist laut Günther wichtig, um die finanzielle Unabhängigkeit zu wahren, denn bei Gemeinschaftskonten haben beide Partner auch nach der Trennung Zugriff darauf. Darüber hinaus sollten Betroffene die Möglichkeit in Betracht ziehen, beim Jobcenter vorzusprechen, um eventuelle Leistungsansprüche zu klären. Hier kann eine Beratung durch einen Fachanwalt für Familienrecht hilfreich sein.
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