Berlin. Ein Flirt außerhalb einer Partnerschaft gilt oft schon als Betrug. Aber ist das wirklich so? Das sagt die Paartherapeutin.
- Jedes Paar definiert seine Grenzen selbst
- Was für die einen ein Dealbreaker ist, ist für andere in Ordnung
- Wie eine Paartherapeutin zum Thema Flirten steht
Betrug – ein heikles Thema. Doch wo fängt er an und wo hört er auf? Während es für die einen bereits ein Vertrauensmissbrauch ist, wenn der Partner oder die Partnerin sich auf einen kurzweiligen Party-Flirt einlässt, sehen andere einen Flirt als Bereicherung für die eigene Beziehung.
Andrea Buch ist Psychologin und auf alternative Beziehungsmodelle spezialisiert. Die 37-Jährige lebt nicht nur selbst in einer offenen Ehe, sondern hilft auch anderen Paaren in ihrer Online-Praxis dabei, sich innerhalb einer Partnerschaft für neue Wege zu öffnen – und der führt manchmal über einen kurzen Flirt mit einem Fremden.
Flirten trotz glücklicher Beziehung: Was müssen Paare wissen?
Frau Buch, was bedeutet Flirten für Sie persönlich?
Andrea Buch: Flirten hat unglaublich viel damit zu tun, im Moment zu sein. Man tritt mit einem neuen Menschen auf einer zweiten Ebene in Kontakt, auf der auch Dinge wie Anziehung und Sexualität im Raum stehen. Flirten ist wie Achterbahnfahren. Man denkt nicht viel nach. In dem Moment tritt man nicht als Ehefrau oder Partner auf, sondern ist ganz man selbst. Man ist für einen Sekundenbruchteil unabhängig von der eigenen Partnerschaft und das finde ich ab und an sehr wichtig.
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Wieso ist es so schwer, dieses Prickeln in einer festen Partnerschaft aufrechtzuerhalten?
Buch: Flirten ist etwas, das man am Anfang der Beziehung vielleicht mal gemacht hat. Dieses Knistern und der Faktor, dass man nicht so richtig weiß, wie der andere reagiert, lässt sich mit einem etablierten Partner schwer nacherleben. Man kann ja nicht so tun, als würde man seinen Partner nicht kennen. Das höre ich auch immer wieder von Klienten und Klientinnen. Stattdessen entstehen dann andere tolle Dinge wie Vertrautheit und Liebe.
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Sie sagen, dass ein Flirt außerhalb der Beziehung bereichernd sein kann. Wieso?
Buch: Man geht in einen unbekannten Bereich und das übt eine unglaubliche Spannung aus. Man fühlt sich lebendig. Ein Flirt setzt eine gewisse Energie frei, die man auch in die bestehende Beziehung mitnehmen kann. Ich empfinde es als etwas ganz besonderes, wenn mein Partner mir gönnt, dass ich mich frei entfalten kann und tolle neue Erlebnisse habe. Das ist für mich ein Qualitätsmerkmal einer Beziehung: Ich vertraue dir und will, dass du deinen Spaß hast und es dir gut geht.
Kann ein Fremdflirt den Selbstwert steigern?
Buch: Ich glaube, bei vielen Leute pusht es auf jeden Fall den Selbstwert, wenn sie merken: Ich bin auch für andere Leute interessant. Rein aus der psychologischen Perspektive würde ich jedoch sagen, dass man das mit Vorsicht genießen sollte. Es gibt viele Menschen, für die genau das ein Fallstrick ist, weil sie als Quelle ihres Selbstwertes die Rückmeldung anderer brauchen. Wenn ich mich nur darauf stütze, dass mir jemand anderes sagt, wie toll und interessant ich bin, bekommt es vielleicht eine Dynamik, in der man auf den Zuspruch von außen angewiesen ist. Das ist zwar immer noch selbstwertdienlich, aber sicherlich ab einem gewissen Punkt nicht mehr so hilfreich für die eigene Entwicklung.
Flirten trotz Ehe oder Beziehung: Verlustangst als Problem
Viele Menschen fürchten, dass aus einem Flirt mehr wird. Wie stehen Sie dazu?
Buch: Das glaube ich nicht. Meiner Erfahrung nach ist genau dieses Anbahnende das Schönste an der ganzen Geschichte. Ich glaube, die wenigsten Leute sagen: Der beste Sex meines Lebens war mit einer unbekannten Person. Das eigentlich Spannende ist zu sehen: Wozu wäre die andere Person noch bereit? Darin liegt der Reiz. Es kann unglaublich prickelnd und bereichernd sein, eine gute Zeit zusammen zu haben, ohne im Anschluss übereinander herfallen zu müssen. Das kann man natürlich tun – ob es die Sache besser macht, weiß ich nicht. Ein Flirt kann ein Stück echte Freiheit sein, die man vielleicht in einer geschlossenen Beziehung etwas aufgibt. Meiner Ansicht nach kann das ein Türöffner sein, aber nicht unbedingt in Richtung Betrug.
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Warum lassen sich so viele Menschen von einem Flirt verunsichern?
Buch: In erster Linie aus Verlustangst. Ich glaube, viele Leute haben einfach Angst, ihre wichtigste Person zu verlieren. Das ist ja auch irgendwie charmant, dass es einem nicht egal ist. Auf der anderen Seite könnte man sie genauso auch ohne das Flirten verlieren. Ich denke, viele Leute geraten in so einem Moment extrem in Stress und malen sich die wildesten Szenarien aus: Es wird fremd geflirtet, der nächste Schritt ist also Trennung oder Betrug. Aber das muss nicht so sein.
Flirt während Beziehung: So wichtig ist Kommunikation
Muss man dem Partner von einem Flirt erzählen?
Buch: Das hängt sehr davon ab, was man miteinander vereinbart hat. Wenn man es tut, sollte man sich darüber bewusst sein, dass es für den anderen verunsichernd oder auch verletzend sein kann. Wenn man das vernünftig rahmt und gut miteinander kommunizieren kann, kann man es aber durchaus erzählen. Ob man es erzählen muss? Ich glaube, das muss am Ende jeder mit sich selbst und seinem moralischen Gerüst vereinbaren. Unabhängig von der Moral kann es aber auch einfach gut für die Beziehung sein, wenn man heimkommt und gut drauf ist, ohne zu erzählen, warum.
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