Berlin. Um zu hohen Blutdruck zu senken, gelten bestimmte Standards. Eine Studie stellt sie nun in Frage – und könnte die Therapie umkrempeln.
Der Blutdruck ist einer der wichtigsten Indikatoren für die Gesundheit. Denn: Ein zu hoher Wert kann zu schweren Krankheiten führen. Vor allem in Kombination mit anderen Risikofaktoren wie Diabetes oder Arteriosklerose (Gefäßverkalkung). Wichtigstes Ziel einer Therapie ist es, die Werte von Betroffenen zu senken.
Bluthochdruck-Patienten, oder auch Menschen mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder einer arteriellen Verschlusskrankheit, können deshalb von einer Blutdrucksenkung profitieren. Diese Senkung sollte jedoch stärker ausfallen, als sie in der Standardtherapie bisher empfohlen wird. Das zeigt eine aktuelle Studie, die im Fachjournal „The Lancet“ veröffentlicht worden ist.
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Die nationale Versorgungsleitlinie empfiehlt derzeit eine Einstellung des Blutdrucks auf Werte von unter 140/90 Millimeter-Quecksilbersäule (mmHg). Der individuelle Zielwert ergibt sich aus der Spanne zwischen 120/70 bis 160/90 mmHg, abhängig von Faktoren wie Begleitmedikation oder Alter des Betroffenen. Aber: In den vergangenen Jahren wurde schon mehrfach diskutiert, ob der Standard geändert werden sollte und eine Senkung des Blutdrucks auf Werte von unter 120 mmHg besser sein könnte.
Bluthochdruck: Studie prüft Auswirkung für Risikogruppen
Besonders wichtig ist diese Frage für Risikogruppen – etwa für Menschen mit Diabetes mellitus, einem früheren Schlaganfall oder anderen kardiovaskulären Erkrankungen. Mehrere Studien konnten bisher nicht eindeutig klären, ob sich die restriktive Senkung des Blutdrucks positiv auf das Sterberisiko auswirkt.
Deshalb haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jetzt genau das genauer untersucht. Es war die bisher größte Studie zu den Auswirkungen einer Blutdrucksenkung auf Werte von unter 120 mmHg auf schwerwiegende vaskuläre Ereignisse – also Herzinfarkte, Schlaganfälle, Todesfällen aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krankenhausaufenthalte oder Notfällen wegen Herzinsuffizienz.
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Das Durchschnittsalter der 11.255 Studienteilnehmern betrug 64,6 Jahre, der systolische Ausgangsblutdruck lag jeweils zwischen 130 und 180 mmHg. Zudem litten 4359 Männer und Frauen unter Diabetes mellitus und 3022 hatten bereits einen Schlaganfall erlitten.
In der Folge wurde der Blutdruck von 5624 Probanden stark gesenkt, während 5631 die Standardbehandlung erhielten. Das Ergebnis: Während der Nachbeobachtungszeit von drei bis vier Jahren betrug der mittlere systolische Blutdruck in der Gruppe mit intensiver Behandlung 119 mmHg und in der Gruppe mit Standardbehandlung 134,8 mmHg.
„Alle Risikogruppen haben gleichermaßen profitiert“
In der Gruppe mit Intensivbehandlung sei das Risiko für Schlaganfall, Herzinfarkt, Tod durch Herz-Kreislauf-Leiden oder einen Klinikaufenthalt wegen Herzinsuffizienz insgesamt um 12 Prozent gesunken, erklärt die Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). „Alle Risikogruppen haben gleichermaßen von der intensiveren Blutdrucksenkung profitiert“, so die medizinische Fachgesellschaft.
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Sei es im Hinblick auf Vorerkrankungen, das Alter und die Verträglichkeit möglich, könne der Blutdruck Betroffener auch auf Werte von 120 bis 130 mmHg gesenkt werden, schlussfolgert die DGN. Kritisch sei dabei natürlich die Frage zu klären, ob der niedrige Blutdruck von den Patientinnen und Patienten toleriert werde. Beschwerden bei niedrigem Blutdruck können sich durch Schwindel, Benommenheit, Flimmern vor den Augen, morgendliche Müdigkeit, Antriebsmangel und Leistungsschwäche äußern.
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Für die DGN hat die neue Studie vor allem für eine Patientengruppe ein großes Potenzial: für Schlaganfallpatientinnen und -patienten in der Nachsorge. „Die Erkenntnisse werden dafür sorgen, dass eine ambitioniertere Blutdrucksenkung als bisher angestrebt wird“, sagte DGN-Generalsekretär Peter Berlit.