Berlin. Viele Menschen mit Bluthochdruck vergessen oft ihre Pillen. Eine Spritze soll das Problem lösen. Ein Experte erklärt, ob das funktioniert.
Fast jeder dritte Erwachsene in Deutschland hat einen zu hohen Blutdruck. Unbehandelt ist dieser ein wesentlicher Grund für Schlaganfälle oder Herzinfarkte. Doch selbst bei einem erkannten Bluthochdruck, medizinisch Hypertonie genannt, gibt es Probleme.
Von Menschen, die eine medikamentöse Therapie erhalten, nehmen nach Angaben der Deutschen Herzstiftung nahezu jeder oder jede Zweite die verordneten Mittel unregelmäßig ein. Die Wirkung schwächt sich ab. Abhilfe schaffen könnte eine Anti-Bluthochdruck-Spritze, die über mehrere Monate wirkt. An dieser wird gerade geforscht. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Bluthochdruck: Wie entsteht die Erkrankung?
Bluthochdruck ist nach Angaben des Deutschen Herzzentrums in Berlin (DHZC) eine Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems, bei welcher der Druck in den arteriellen Gefäßen dauerhaft erhöht ist. Die Wahrscheinlichkeit, daran zu erkranken, steige mit dem Alter: „Bei über 60-Jährigen beträgt die Häufigkeit 60 Prozent.“ Neben dem Alter trügen auch Bewegungsmangel, hoher Salzkonsum, Rauchen, Alkohol, Stress, Übergewicht oder eine genetische Veranlagung dazu bei.
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Ab wann ist Blutdruck erhöht?
Mindestens einmal pro Jahr sollten Menschen ab 40 ihren Blutdruck messen lassen, empfiehlt das DHZC. Dieser werde in einen optimalen, einen normalen und einen hochnormalen Blutdruck eingeteilt. Von Hypertonie spricht man, wenn der Blutdruck höher oder gleich 140 Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) systolisch und/oder größer/gleich 90 mmHg diastolisch beträgt. Im Vergleich dazu liegt der optimale Blutdruck bei Werten unter 120/80 mmHg.
Was sind die Folgen von Bluthochdruck?
Hält der erhöhte Druck dauerhaft an, werden Organe wie Herz, Gehirn, Nieren und Augen geschädigt. Mögliche Folgen sind Schlaganfall, chronische Nieren- oder Herzschwäche, Herzinfarkt, Herzschwäche, Verschlechterung der Sehfähigkeit und Durchblutungsstörungen der Arme oder Beine.
Wie wird Bluthochdruck bisher behandelt?
Die Basis jeder Bluthochdruck-Therapie ist zunächst eine Änderung des Lebensstils: Rauch- und Alkoholverzicht, eine ausgewogene, salzarme Ernährung, viel Bewegung und Gewichtsreduktion. Wenn dies nicht ausreicht, verordnet die Ärztin beziehungsweise der Arzt zusätzlich blutdrucksenkende Medikamente.
„In aller Regel beginnt man heute die Therapie mit einer Medikamentenkombination, die in einer Pille eingenommen wird. Dies steigert die Wirkung gegenüber der Anwendung eines Einzelwirkstoffs, da der Körper immer auf blutdrucksenkende Medikamente mit einer Gegenregulation reagiert“, erklärt das DHZC.
Die Wissenschaft arbeitet an einer Blutdruckspritze. Wie wirkt diese?
„Der Forschungsansatz ist interessant und die ersten Studien-Ergebnisse sind vielversprechend“, sagt Prof. Heribert Schunkert, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung und Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen am Deutschen Herzzentrum München. Gemeint ist der Wirkstoff Zilebesiran, der per Spritze alle sechs Monate verabreicht wird.
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„Zilebesiran schaltet gezielt die Bildung des Hormons Angiotensin 2 aus, das ganz wesentlich an der Blutdruckregulation beteiligt ist“, erklärt Schunkert. Dies geschehe, indem die Bildung des Proteins Angiotensinogen – aus dem Angiotensin 2 gebildet wird – in der Leber unterdrückt werde. „Und wenn dieser Wirkstoff erst mal in der Leberzelle angelangt ist, dann wird er dort über eine lange Zeit bevorratet.“ Übrigens schwächen auch viele Blutdrucktabletten die Wirkung von Angiotensin 2.
In den bisherigen klinischen Studien mit Zilebesiran wurden Schunkert zufolge Patienten mit einer milden bis moderaten Hypertonie behandelt. Diese war definiert durch systolische Blutdruckwerte von 135 bis 160 mmHg, die nicht behandelt wurden oder unter einer Therapie mit bis zu zwei Medikamenten stabil waren. Ein Ergebnis: Nach drei Monaten war bei mehr Patienten, die Zilebesiran gespritzt bekommen hatten, der mittlere systolische 24-Stunden-Blutdruckwert um 15 mmHg oder mehr gesunken im Vergleich zu Patienten, die eine wirkstofffreie Spritze erhalten hatten.
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Spritze gegen Bluthochduck: Was ist der Vorteil?
„Die oft sogar mehrmals täglich erforderliche Tabletteneinnahme wird nur von einer begrenzten Zahl von Patientinnen und Patienten gewissenhaft beherzigt“, so Schunkert. Das aber habe zur Folge, dass der Blutdruck bei vielen trotz Therapie zu hoch sei. „Ohne die Tabletten ist die Wirkung sofort weg“, sagt Schunkert. Aus medizinischer Sicht sei es deshalb wünschenswert, hier nach Alternativen wie Zilebesiran zu suchen.
Welche Risiken gibt es?
„Wirksamkeit und Wirkprinzip sind sicher etabliert. Die entscheidende Frage ist die Verträglichkeit“, sagt der Klinikdirektor. Aus seiner Sicht sei es durchaus möglich, dass der Mensch aufgrund von Unfällen oder einer entzündlichen Reaktion das blutdruckregulierende System wieder braucht, das mit Zilebesiran über Wochen ausgeschaltet worden ist. Schunkert: „Und da sehe ich den Knackpunkt: Kann es sein, dass diese dauerhafte Therapie in seltenen Umständen von Nachteil ist? Das müssen jetzt die Untersuchungen der Zukunft zeigen.“
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Wann könnte der Wirkstoff auf den Markt kommen?
„Zunächst müssen sich die Hersteller sich dafür entscheiden, die bisherige Forschung auch bis zur Zulassung fortzusetzen. Das ist ein langwieriger Prozess, der viel Geld kostet“, erklärt Schunkert. Und selbst, wenn diese Entscheidung positiv ausfiele, sei erst in einigen Jahren damit zu rechnen ist, dass die Blutdruckspritze in die praktische Anwendung komme.