Berlin. Bluthochdruck vorbeugen oder senken ist wichtig. Kardiologen verraten, welche Ratschläge sie haben und wie sie sie selbst umsetzen.
Ein erhöhter Blutdruck ist der größte Risikofaktor für das Auftreten von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Das zeigt eine aktuelle Studie, veröffentlicht im „New England Journal of Medicine“. In Deutschland haben laut Robert Koch-Institut (RKI) etwa 20 bis 30 Millionen Menschen eine sogenannte Hypertonie.
Entwickelt ein Mensch Bluthochdruck, wirken meist mehrere der folgenden Faktoren zusammen: eine erbliche Veranlagung, Alter, Geschlecht, aber auch verschiedene ungünstige Ernährungs- und Lebensgewohnheiten. Hier lässt sich ansetzen.
Doch Theorie und Alltag klaffen oft weit auseinander. Wie gut gelingt es Kardiologen, sich an die eigenen Ratschläge zu halten? Was tun sie selbst, um vorzubeugen? Drei Experten geben Einblick in ihr Leben.
Kardiologe über Bluthochdruck: „Ich habe selbst Hypertonie“
Matthias Junge, Direktor der Klinik für Kardiologie der Evangelische Kliniken Essen-Mitte.: „Das Gemeine ist, dass man einen zu hohen Blutdruck nicht spürt. Zumindest am Anfang nicht. Allerdings bin ich auch kein Freund davon, ständig den Blutdruck zur Sicherheit zu messen. Ich habe diesen immer in regelmäßigen größeren Abständen kontrolliert, auch eine Langzeitblutdruckmessung gemacht.
Bei mir liegt Bluthochdruck nämlich in der Familie – und leider habe ich mittlerweile auch selbst Hypertonie. Ich kann also nicht mehr vorbeugen, aber durchaus gegensteuern. Und ich nehme die Erkrankung ernst. Einen Schlaganfall oder Herzschwäche möchte ich auf lange Sicht auf keinen Fall haben.
Ich selbst versuche, so oft es geht, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren, die Treppen zu nehmen statt den Fahrstuhl. Denn – das sage ich auch im Klinikalltag immer – möglichst viel Bewegung im Alltag ist super.
Eigentlich wäre auch Stressvermeidung enorm wichtig. Aber das sagt sich so leicht. Ich habe nicht gerade einen stressfreien Beruf, zudem noch drei kleine Kinder und möchte alles bestmöglich unter einen Hut bringen. Das ist definitiv nicht ohne.
Bluthochdruck: Stress generell großes Problem für Gesundheit
Dauerhafter Stress führt aber zu einer Verstellung vieler wichtiger Regelmechanismen im Körper. Und das ist mit Blick auf Bluthochdruck, aber auch viele andere Erkrankungen ein Problem. Das Gleiche gilt auch für Schlafmangel.
Mit der Familie planen wir in der Freizeit eher Aktives. Wir unternehmen schöne Dinge, die mich und uns auch entspannen, einen Ausgleich zum stressigen Arbeitsalltag schaffen. Gleichzeitig bedeutet das: Im Haushalt müssen Dinge auch mal liegen bleiben. Dann ist die große Kunst, zu sagen: ,Okay, ich mache jetzt nicht die Wäsche, sondern etwas anderes.‘ Es ist und bleibt ein ewiger Spagat.
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Außerdem versuche ich, nicht übermäßig viel Lakritz zu essen, denn darin sind Stoffe enthalten, die den Blutdruck erhöhen können. Andererseits erhöht auch jedes Kilo zu viel den Blutdruck. Und das muss ich ehrlicherweise zugeben: Ich bin jetzt nicht so ganz schlank. Hier schnell gegenzusteuern, ist in meinem Alltag aber aktuell nicht realistisch. Mein Gewicht werde ich nicht von heute auf morgen ändern – aber in kleinen Schritten.
Ich esse mittlerweile nur noch bewusst morgens, mittags und abends – lasse alle Snacks zwischendurch weg, aber eben keine ganzen Mahlzeiten, um Heißhunger zu vermeiden. Doch zwischendurch nicht zuzugreifen, ist echt hart, denn im Krankenhaus steht eigentlich überall irgendetwas rum.“
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Kardiologin Renate Oberhoffer-Fritz: „Kindern gutes Beispiel sein“
Renate Oberhoffer-Fritz, Kinderkardiologin an der TU München und Leiterin der Fetalen Kardiologie am Deutschen Herzzentrum München: „Die meisten Erwachsenen haben das Thema Bluthochdruck selbst nicht auf dem Schirm, noch weniger bei ihren Kindern. Da habe ich als Kinderkardiologin definitiv einen Vorteil. Ich kenne potenzielle Warnsignale wie wiederkehrende Kopfschmerzen oder Nasenbluten.
Ich weiß, wie wichtig es ist, die eigenen Kinder schon früh an einen gesunden Lebensstil heranzuführen – auch um das spätere Bluthochdruckrisiko zu senken. Schlechte Gewohnheiten aus Kindheit und Jugend lassen sich im Erwachsenenalter nur ganz schwer ablegen.
Gesundes Verhalten neu zu lernen, konsequent umzusetzen und beizubehalten, ist enorm schwer. Der Spruch ,Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr‘ hat da wirklich seine Berechtigung.
Als meine Kinder noch klein waren, habe ich daher immer versucht, ihnen ein gutes Beispiel zu sein – viel Bewegung, gemeinsames, gesundes Kochen und ausreichend Schlaf. Ziel war es, dass sie das mit ins Studium und dann auch mit ins Berufsleben nehmen.
Leicht war das nicht immer. Aber wir waren am Wochenende viel mit dem Rad unterwegs. Die Kinder waren im Sportverein – beim Hockey oder Fußball. Das hat sich ausgezahlt. Beide treiben trotz Beruf regelmäßig Sport, ernähren sich möglichst ausgewogen.
Sport am Wochenende kann beruflichen Bewegungsmangel ausgleichen
Ich merke aber, dass ich all das gerade in den letzten zehn Jahren gar nicht mehr so oft für mich habe umsetzen können. Meine beruflichen Belastungen sind sehr stark geworden – und die Notwendigkeit, meiner Vorbildfunktion für die Kinder gerecht zu werden, war weg.
Gott sei Dank gibt es Studien, die sagen, du musst nicht jeden Tag etwas machen, sondern man kann insbesondere Bewegungsmangel werktags am Wochenende kompensieren. Ich spiele dann zum Beispiel gerne Tennis oder gehe ins Fitnessstudio.
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Für mich persönlich ist aber am wichtigsten, dass ich ausreichend Schlaf bekomme. Sonst bin ich auch nicht leistungsfähig. Zudem achte ich auf meine Ernährung, esse viel Obst und Gemüse und habe auch täglich meine Lunchbox dabei mit frischen Sachen.
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Beim Thema Rauchen war mir meine Mutter übrigens ein indirektes Vorbild – ein schlechtes. Sie hat geraucht und sich zudem irgendwann auch sehr wenig bewegt. Die Folge waren zwei schwere Schlaganfälle. Das wollte ich für mich nicht.
Beim Thema Gleichgewicht versuche ich, mir ein Beispiel an nachfolgenden Generationen zu nehmen. Junge Menschen haben heute viel besser im Blick, wie wichtig Freizeitausgleich zum oft stressigen Berufsalltag ist.“
Kardiologe Ulf Landmesser: So können Sie Bluthochdruck vorbeugen
Ulf Landmesser, Direktor der Klinik für Kardiologie am Campus Benjamin Franklin und stellvertretender Ärztlicher Direktor am Deutschen Herzzentrum der Berliner Charité: „Bluthochdruck ist unter den kardiovaskulären Risikofaktoren ein wirkliches Schwergewicht. Diesem vorzubeugen, ist allein deshalb sinnvoll. Zudem haben blutdrucksenkende Medikamente eine Reihe an Nebenwirkungen, die nicht unterschätzt werden sollten. Und Lebensstiländerungen können wirklich viel bewirken.
Gerade regelmäßige körperliche Bewegung hat einen eindrucksvollen – auch präventiven – Effekt. Allerdings schaffen es viele erst, etwas zu ändern, wenn sie zum Beispiel einen Herzinfarkt hatten und hautnah gespürt haben, wie lebensbedrohlich ein ungesunder Lebensstil sein kann.
Ich selbst gehe immerhin am Wochenende und mindestens einmal, manchmal auch zweimal unter der Woche, morgens vor der Arbeit joggen. Das hat den Vorteil, dass ich danach auch gleich duschen muss und so frisch und mit klarem Kopf in den Tag starte.
Am Ende ist es immer eine Frage der Prioritäten im Leben. Häufig stehen Beruf und Familie an erster Stelle. Aber das eigene Ich, die eigene Gesundheit, wird eher hintenangestellt. Das ist ein Problem, das ich oft auch selbst habe.
Ernährung bei Bluthochdruck: Mediterrane Kost mit viel Obst, Gemüse und Olivenöl
Mir hilft hier ein regelmäßiger Blick auf meine Agenda. Es gibt Termine, die ich durchaus kritisch hinterfrage: Sind sie wirklich so wichtig, dass ich meine Gesundheit dafür opfere? Kann ich das klar verneinen, versuche ich diese Termine zu streichen. Das gelingt mir nicht immer, aber immer öfter.
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Ähnlich ist das beim Stichwort ,gesunde Ernährung‘: Wenn wir daheim selbst kochen, achten wir auf ausgewogene Mahlzeiten – gerne auch mediterrane Kost mit viel Obst, Gemüse, Olivenöl. Aber ganz oft bin ich beim Essen eben nicht selbstbestimmt.
Auf Kongressen, Veranstaltungen oder in der Kantine gibt es nur ein vorgegebenes Angebot. Aber zumindest versuche ich dann, von dem Angebot, was es gibt, das eher gesündere auszuwählen. Denn wenn man es geschafft hat, sich ausreichend bewegt, sich gesund ernährt, dann fühlt man sich insgesamt auch besser. Aber bis dahin ist es oft kein leichter Weg.“