Offenbach. Extreme Wetterlagen können in Deutschland jeden treffen – künftig sogar häufiger. Ein Meteorologe rechnet mit erheblichen Auswirkungen.
Teile Deutschlands erleben aktuell erneut eine Hochwasserkatastrophe – ausgelöst durch Starkregen. Betroffen sind dieses Mal insbesondere Regionen in Bayern und Baden-Württemberg. Flüsse treten über die Ufer, Dämme brechen. Ganze Wohngebiete sind überflutet, Autos in den Wassermassen versunken, Menschen kamen ums Leben. Mehrere Städte und Landkreise haben den Katastrophenfall ausgerufen.
Bilder, wie man sie aktuell in den Nachrichten sieht, wird es künftig wohl öfter geben. Denn Extremwetterereignisse wie Starkregen werden durch die Klimakrise häufiger, wie Thomas Deutschländer, führender Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD), im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt.
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Wie gut lassen sich Starkregenereignisse, wie wir sie jetzt am Wochenende erlebt haben, vorhersagen?
Thomas Deutschländer: Grundsätzlich ist hier wichtig zu wissen: Es gibt zwei Arten von Starkregen, zwischen denen wir unterscheiden müssen: Zum einen langanhaltende, großflächige Niederschläge, die auch zu den aktuellen Hochwassern geführt haben. Und dann sehr viel kleinräumigere starke Schauer und Gewitter, die sogenannten konvektiven Starkregen. Erstere lassen sich gut vorhersagen. Bei letzteren wissen wir zwar, dass es in bestimmten Regionen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Starkregen geben wird, wo und wann genau, das lässt sich oft erst so im Laufe der letzten Stunden, teilweise sogar erst wenige Minuten zuvor ganz genau sagen.
Wetterextreme werden häufiger – egal ob Dauerregen oder kurzer Starkregen
Laut einer Studie der Initiative „World Weather Attribution“ sind Starkregenfälle, wie sie im Juli 2021 in Westeuropa aufgetreten sind, durch den Klimawandel um das 1,2 bis 9-fache wahrscheinlicher geworden.
Deutschländer: Auf eine genaue Zahl möchte ich mich zwar nicht festlegen, aber grundsätzlich sehe ich das genauso. Starkregenereignisse werden ein Stück weit zur neuen Normalität. Nüchtern betrachtet muss man zwar sagen, dass es auch schon vor hundert Jahren extreme Niederschlagsereignisse gab. Das aktuelle Hochwasser kann also nicht zwangsläufig dem Klimawandel zugeschrieben werden. Was man aber sagen kann: Durch den Klimawandel werden solche Ereignisse wohl immer häufiger stattfinden und vermutlich auch noch etwas stärker werden als früher.
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Warum wird es künftig noch häufiger und intensiveren Starkregen geben?
Deutschländer: Das ist zumindest in der Theorie physikalisch sehr plausibel und gut nachvollziehbar. Die Atmosphäre wird durch den Klimawandel wärmer. Und eine wärmere Atmosphäre kann schlicht und ergreifend mehr Wasser aufnehmen als eine kältere. Deswegen ist potenziell mehr Wasser in der Luft unterwegs, was dann natürlich auch zu stärkeren Niederschlägen führen kann.
Spielt hier auch der Luftstrom eine Rolle? Es wird diskutiert, ob sich womöglich durch den Klimawandel der Jetstream verlangsamt und Tief- oder Hochdruckgebiete in Folge länger an einer Stelle verharren.
Deutschländer: In der Tat wird auch diese Theorie kolportiert, möchte ich jetzt fast sagen. Ich möchte nicht ausschließen, dass das möglich ist, aber nach aktuellem Stand der Forschung können wir schlicht nicht endgültig sagen, ob das stimmt. Dennoch gibt es schon jetzt Fälle, in denen Tiefdruckgebiete nicht besonders viel wandern, und als Folge natürlich besonders viel Regen fällt. Wenn sich die Theorie des abschwächenden Jetstreams tatsächlich bewahrheiten sollte, hätten wir hier, neben dem Faktor Feuchtigkeit in der Atmosphäre, sicherlich auch mit Blick auf Starkregen eine weitere Problematik.
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Klimawandel und Extremwetter: Meteorologe wagt düstere Prognose
Wie haben sich die Niederschlagsmengen und deren Extreme in den letzten Jahren entwickelt?
Deutschländer: Wir beobachten beim Deutschen Wetterdienst in unseren Daten bereits, dass die Niederschlagsmenge im Winter deutlich zugenommen hat. Hier regnet es mittlerweile in Summe etwa ein Viertel mehr als noch vor gut 140 Jahren. Im Sommer ist das noch nicht der Fall, hier zeichnet sich aber eine andere Entwicklung ab: Die Niederschlagsmenge bleibt hier zwar in etwa gleich, aber der klassische Landregen nimmt ab, dafür nimmt der intensivere Starkregen zu.
Welche weitere Entwicklung wird erwartet?
Deutschländer: Die Klimamodelle prognostizieren, dass dieser für den Sommer beschriebene Effekt noch stärker werden wird, dass sich das Verhältnis Landregen zu Starkregen weiter verschiebt. Sprich: Wir müssen auch mit immer mehr Hochwassern und Überflutungen rechnen, da der Boden die Wassermassen bei Starkregen schlicht nicht aufnehmen kann. Im Umkehrschluss müssen wir uns aber auch auf mehr Trockenperioden mit sehr wenig bis gar keinem Regen einstellen.
Sind alle Regionen Deutschlands potenziell gleichermaßen betroffen?
Deutschländer: Grundsätzlich ja. Jeder Mensch, egal wo er in Deutschland oder in Mitteleuropa lebt, kann von Starkregen, insbesondere konvektiver Natur, aber auch von Dauerregen, betroffen sein. Allerdings können sich die Folgen je nach Region deutlich unterscheiden. Auf dem flachen Land, wo wenige Flüsse zusammenlaufen, können sich Wassermassen schlicht ganz anders verteilen als etwa in bergigen Regionen, wo das Wasser zentral im Tal zusammenkommt und sich dort viel höher aufstauen kann. Am Ende ist es aber egal, ob Starkregen oder Trockenheit – wir müssen uns auf erhebliche wetterbedingte Auswirkungen auf unsere Gesellschaft einstellen.
Lässt sich die Wahrscheinlichkeit für Extremwetterereignisse wie Starkregen noch reduzieren? Vermutlich ja nur, indem die Klimaerwärmung gestoppt wird.
Deutschländer: Genau richtig. Die Zunahme von Extremwetterereignissen ist eine Folge der Erderwärmung. Und insofern gilt es natürlich prinzipiell, diese aufzuhalten. Wir sind über den Punkt hinaus, zu sagen, dass uns der Klimawandel nicht betreffen wird oder wir diesen ganz locker wieder zurückdrehen können. Ich glaube, da sind sich inzwischen Gesellschaft, Politik und Wissenschaft einig – zumindest in weiten Teilen. Nicht in meiner Rolle als DWD-Meteorologe, sondern ganz persönlich, bin ich aber wenig optimistisch, dass uns hier noch wahnsinnig viel gelingt, denn wir alle, weltweit, müssten das Ruder schon radikal und schnell herumreißen.